Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches als einen Beweis dcifür ansehn, daß der Schwächung des Muskel- und Gefä߬ Bevölkerungszunahme und Volkskrnft. Ob starke Bevölkerungszunahme Die "ächste und wichtigste Sorge jedoch ist, wie man daheim sich feindlicher Maßgebliches und Unmaßgebliches als einen Beweis dcifür ansehn, daß der Schwächung des Muskel- und Gefä߬ Bevölkerungszunahme und Volkskrnft. Ob starke Bevölkerungszunahme Die «ächste und wichtigste Sorge jedoch ist, wie man daheim sich feindlicher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223643"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_153" prev="#ID_152"> als einen Beweis dcifür ansehn, daß der Schwächung des Muskel- und Gefä߬<lb/> systems bei den untern Klassen eine Schwächung des Cerebralsystems bei den höhern<lb/> parallel geht. Daß man eine Ware bei reichlichem Vorrat hoch im Preise halten<lb/> kann, wenn es gelingt, sie vom Markte abzusperren, sieht jedermann ein. Aber<lb/> zu glauben, daß eine Ware, von der täglich ungefähr dieselbe Menge begehrt und<lb/> verbraucht wird, ein paar Jahre lang auf künstlichem Wege billig gemacht werden<lb/> könne, wenn kein ausreichender Vorrat vorhanden ist, dazu geHort entweder ein<lb/> bcrgeversetzeuder Glaube oder ein ganz ungewöhnlicher Grad von Dummheit. Ur¬<lb/> sache der Wohlfeilheit ist selbstverständlich die sogenannte Überproduktion, d. h. die<lb/> zureichende Getreidemenge infolge der guten Ernten von 1392 bis 1894. Jetzt<lb/> sängt ja der Preis sachte an zu steigen, weil die Ernte von 1895 schon nicht mehr<lb/> so reichlich war wie die der drei vorhergehenden Jahre, die heurige aber unter<lb/> dem Mittel ausgefallen ist. Eben jetzt stellt die Nationallibernle Korrespondenz<lb/> fest, daß ein neuer Zuckerkrach drohe, weil die ostelbischen Konservativen nnter Bei¬<lb/> hilfe der Nationalliberalen das in der letzten Znckersteuernovelle angeordnete Kon¬<lb/> tingent von vierzehn auf siebzehn Millionen erhöht und voll ausgenutzt haben, sodaß<lb/> Deutschland allein zwei bis drei Millionen Doppelzentner Zucker mehr auf den<lb/> Markt wirft, als dieser verdauen kann. Und auch auf dem Budapester Kongreß<lb/> wurde von einzelnen offen zugestanden, daß das Getreide aus dem einfachen Grnnde<lb/> ein Paar Jahre lang billig gewesen ist, weil es genug davon gegeben hat. Wir<lb/> vermuten jedoch, daß sich Herr Klapper und seine Freunde nur vorläufig dumm<lb/> stellen, weil sie sich mit ihren eigentliche» Absichten noch nicht hervorwagen. Den<lb/> Getreidepreis bei durchgeführten Weltverkehr dauernd hoch zu halten, dazu giebt<lb/> es offenbar nur ein Mittel: einen alle getreidebanenden Länder umfassenden Ge¬<lb/> treidering mit Kontingentirung des Anbaus, die Geltung der lsx Kanitz für alle<lb/> Staaten der Erde, und diesen Plan tragen die Veranstalter des internationalen<lb/> landwirtschaftlichen Kongresses ohne Zweifel im Herzen. Und zu dessen Durch¬<lb/> führung wäre nun freilich der bewaffnete Friede notwendig. Der Friede müßte<lb/> erhalten bleiben, ans den oben angegebnen Gründen; bewaffnet aber müßte er sein,<lb/> damit sich die Völker nicht etwa gegen die Landlords empören könnten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bevölkerungszunahme und Volkskrnft.</head> <p xml:id="ID_154"> Ob starke Bevölkerungszunahme<lb/> wünschenswert oder ob sie ein Übel sei, darüber ist man nicht einig. Die Ge¬<lb/> fahren der Übervölkerung sind oft mit lebhaften Farben geschildert worden. Es<lb/> sind sogar Mittel vorgeschlagen worden, die Bevölkerungszunahme künstlich zu be¬<lb/> schränken. Andrerseits aber wird eine starke Bevölkerungszunahme mit Recht als<lb/> ein Zeichen von Kraft und Überlegenheit des Volkstums über andre Völker ange¬<lb/> sehen, als eine sichere Bürgschaft, daß das Volk, das sich so rasch vermehrt, seinen<lb/> Platz unter den Völkern in Zukunft wird behaupten und wohl andre Völker wird<lb/> verdrängen können. Heute, wo die Völker gerüstet einander gegenüberstehen, bereit,<lb/> über einander herzufallen, um ihre Kräfte zu messen, gilt es nicht allein, daheim<lb/> Augriffe abzuwehren oder einander Gebiet abzugewinnen; es handelt sich auch<lb/> darum, welches Volk bei der Besiedlung der für die Kulturvölker uoch einzu¬<lb/> nehmenden Gebiete der Erde den Vorrang gewinnen wird. In diesem Wettkampf<lb/> ist eine zahlreiche Nachkommenschaft ein Vorzug.</p><lb/> <p xml:id="ID_155" next="#ID_156"> Die «ächste und wichtigste Sorge jedoch ist, wie man daheim sich feindlicher<lb/> Angriffe erwehre, oder wenn Eroberung, Wiedergewinnung entrissenen Gebiets,<lb/> Wiedererlangung der verloren gegangnen „Suprematie" erstrebt wird, wie man<lb/> sich hierzu stark mache. Bei einem etwa bevorstehenden Massenkriege wird die<lb/> Volkszahl von großer Bedeutung sein. Das weiß auch niemand besser als die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
als einen Beweis dcifür ansehn, daß der Schwächung des Muskel- und Gefä߬
systems bei den untern Klassen eine Schwächung des Cerebralsystems bei den höhern
parallel geht. Daß man eine Ware bei reichlichem Vorrat hoch im Preise halten
kann, wenn es gelingt, sie vom Markte abzusperren, sieht jedermann ein. Aber
zu glauben, daß eine Ware, von der täglich ungefähr dieselbe Menge begehrt und
verbraucht wird, ein paar Jahre lang auf künstlichem Wege billig gemacht werden
könne, wenn kein ausreichender Vorrat vorhanden ist, dazu geHort entweder ein
bcrgeversetzeuder Glaube oder ein ganz ungewöhnlicher Grad von Dummheit. Ur¬
sache der Wohlfeilheit ist selbstverständlich die sogenannte Überproduktion, d. h. die
zureichende Getreidemenge infolge der guten Ernten von 1392 bis 1894. Jetzt
sängt ja der Preis sachte an zu steigen, weil die Ernte von 1895 schon nicht mehr
so reichlich war wie die der drei vorhergehenden Jahre, die heurige aber unter
dem Mittel ausgefallen ist. Eben jetzt stellt die Nationallibernle Korrespondenz
fest, daß ein neuer Zuckerkrach drohe, weil die ostelbischen Konservativen nnter Bei¬
hilfe der Nationalliberalen das in der letzten Znckersteuernovelle angeordnete Kon¬
tingent von vierzehn auf siebzehn Millionen erhöht und voll ausgenutzt haben, sodaß
Deutschland allein zwei bis drei Millionen Doppelzentner Zucker mehr auf den
Markt wirft, als dieser verdauen kann. Und auch auf dem Budapester Kongreß
wurde von einzelnen offen zugestanden, daß das Getreide aus dem einfachen Grnnde
ein Paar Jahre lang billig gewesen ist, weil es genug davon gegeben hat. Wir
vermuten jedoch, daß sich Herr Klapper und seine Freunde nur vorläufig dumm
stellen, weil sie sich mit ihren eigentliche» Absichten noch nicht hervorwagen. Den
Getreidepreis bei durchgeführten Weltverkehr dauernd hoch zu halten, dazu giebt
es offenbar nur ein Mittel: einen alle getreidebanenden Länder umfassenden Ge¬
treidering mit Kontingentirung des Anbaus, die Geltung der lsx Kanitz für alle
Staaten der Erde, und diesen Plan tragen die Veranstalter des internationalen
landwirtschaftlichen Kongresses ohne Zweifel im Herzen. Und zu dessen Durch¬
führung wäre nun freilich der bewaffnete Friede notwendig. Der Friede müßte
erhalten bleiben, ans den oben angegebnen Gründen; bewaffnet aber müßte er sein,
damit sich die Völker nicht etwa gegen die Landlords empören könnten.
Bevölkerungszunahme und Volkskrnft. Ob starke Bevölkerungszunahme
wünschenswert oder ob sie ein Übel sei, darüber ist man nicht einig. Die Ge¬
fahren der Übervölkerung sind oft mit lebhaften Farben geschildert worden. Es
sind sogar Mittel vorgeschlagen worden, die Bevölkerungszunahme künstlich zu be¬
schränken. Andrerseits aber wird eine starke Bevölkerungszunahme mit Recht als
ein Zeichen von Kraft und Überlegenheit des Volkstums über andre Völker ange¬
sehen, als eine sichere Bürgschaft, daß das Volk, das sich so rasch vermehrt, seinen
Platz unter den Völkern in Zukunft wird behaupten und wohl andre Völker wird
verdrängen können. Heute, wo die Völker gerüstet einander gegenüberstehen, bereit,
über einander herzufallen, um ihre Kräfte zu messen, gilt es nicht allein, daheim
Augriffe abzuwehren oder einander Gebiet abzugewinnen; es handelt sich auch
darum, welches Volk bei der Besiedlung der für die Kulturvölker uoch einzu¬
nehmenden Gebiete der Erde den Vorrang gewinnen wird. In diesem Wettkampf
ist eine zahlreiche Nachkommenschaft ein Vorzug.
Die «ächste und wichtigste Sorge jedoch ist, wie man daheim sich feindlicher
Angriffe erwehre, oder wenn Eroberung, Wiedergewinnung entrissenen Gebiets,
Wiedererlangung der verloren gegangnen „Suprematie" erstrebt wird, wie man
sich hierzu stark mache. Bei einem etwa bevorstehenden Massenkriege wird die
Volkszahl von großer Bedeutung sein. Das weiß auch niemand besser als die
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