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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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nicht in gleicher Weiser interessant sein. Wilken war bei aller seiner Tüchtigkeit
als Gelehrter und seinen vielen schätzenswerten Persönlichen Gaben doch kein originell
angelegter Mensch. Wie er selbst in keinem der Kreise, mit denen uns das Buch
bekannt macht, der bestimmende Punkt gewesen ist, so besteht auch die Darstellung
mehr in der Anreihung äußerer Erlebnisse und vieler Namen, als daß der Versuch
gemacht würde, uur das für die Person des Dargestellten in Betracht kommende
zu anschaulichen Bildern zu verarbeiten.

Was sich aus solchen Stoffen machen läßt, zeigt ein Meister in littcratur-
geschichtlicher Forschung und Darstellung, Erwin Rohde, in einem dünnen Bändchen:
Friedrich Creuzer und Karoline von Günderode. Briefe und Dichtungen
(Heidelberg, Winter, 1896). So müssen solche Erlebnisse geschildert werden, deren
Träger doch nicht zu den ersten Menschen ihrer Zeit gehören: in den geschichtlichen
Bericht sind die Briefe und Gedichte verflochten, die Personen reden nur das
Nötigste, wo uus ihre Worte nicht mehr fesseln können, nimmt der Erzähler wieder
den Faden in die Hand, und daraus wird ein Bild der Zeit, die sich jeder ver¬
gegenwärtigen kann, der daran Interesse nimmt. Wer Goethes spätere Zeit und
Clemens Brentano kennt, der kennt auch die seine, kluge und zarte junge Stifts¬
dame aus Frankfurt, die sich im Juli 1806 am Ufer des Rheins bei Winkel er¬
dolchte, weil ihr Creuzer hatte abschreiben lassen. Er, ein damals berühmter Ge¬
lehrter, aber in seiner Art mehr ein Dichter, war 1304 von Marburg nach
Heidelberg berufen worden und hatte Karoline gleich darauf kennen gelernt. Seine
eigne Frau hatte ihm versprochen, auf ihn zu verzichten, und so beginnt der geistige
Verkehr zwischen ihm und Karoline im Austausch an wissenschaftlichen Gedanken
und Liedern, bis ihn eine Krankheit dem Tode nahe führt und er, kaum genesen,
auf Zureden seiner Freunde der Freundin schreiben läßt, daß sie nicht mehr auf
ihn zu hoffen habe. Eine "alte leidvolle Geschichte," sagt der Verfasser und meint,
man könnte sie vergessen sein lassen. Aber eine ganze Litteratur zeigt uns, daß
sich die Geschichte nicht vergessen lassen will. Die Fäden, aus denen sie zusammen¬
gesponnen ist, sind gar zart. Mau kaun nicht gut einzelnes aus dem hübschen
Buche herausheben. Es muß jemand lesend die Stimmung der Zeit und der fein¬
fühligen Menschen auf sich wirken lassen, und er wird dann außerdem, wenn er
dafür Sinn hat, noch einen Formgennß haben, nämlich den, den eine methodische
Untersuchung gewährt.




Gretna-Green

Das Großherzoglich Sächsische Staatsministerium in Weimar (Departement
des Innern und Departement der Justiz) sendet uns nachstehende

Berichtigung

Der in Ur. 4l des diesjährigen Jahrgangs der Zeitschrift "Die Grenzboten"
mit "Gretna-Green" überschriebene Zinssatz wird durch das Großherzoglich S. Staats-
Ministerium in Weimar dahin thatsächlich berichtigt:
'

Es ist unwahr, daß "die ^ribunAux ü^poläa" die Ehe des Herrn de Peyronny
und der Frau de Pehronny geborene Biard sür geschieden erklärt haben. Vor den
Gerichten des Großherzogtnms Sachsen-Weimar-Eisenach oder vor dem dem letzteren


nicht in gleicher Weiser interessant sein. Wilken war bei aller seiner Tüchtigkeit
als Gelehrter und seinen vielen schätzenswerten Persönlichen Gaben doch kein originell
angelegter Mensch. Wie er selbst in keinem der Kreise, mit denen uns das Buch
bekannt macht, der bestimmende Punkt gewesen ist, so besteht auch die Darstellung
mehr in der Anreihung äußerer Erlebnisse und vieler Namen, als daß der Versuch
gemacht würde, uur das für die Person des Dargestellten in Betracht kommende
zu anschaulichen Bildern zu verarbeiten.

Was sich aus solchen Stoffen machen läßt, zeigt ein Meister in littcratur-
geschichtlicher Forschung und Darstellung, Erwin Rohde, in einem dünnen Bändchen:
Friedrich Creuzer und Karoline von Günderode. Briefe und Dichtungen
(Heidelberg, Winter, 1896). So müssen solche Erlebnisse geschildert werden, deren
Träger doch nicht zu den ersten Menschen ihrer Zeit gehören: in den geschichtlichen
Bericht sind die Briefe und Gedichte verflochten, die Personen reden nur das
Nötigste, wo uus ihre Worte nicht mehr fesseln können, nimmt der Erzähler wieder
den Faden in die Hand, und daraus wird ein Bild der Zeit, die sich jeder ver¬
gegenwärtigen kann, der daran Interesse nimmt. Wer Goethes spätere Zeit und
Clemens Brentano kennt, der kennt auch die seine, kluge und zarte junge Stifts¬
dame aus Frankfurt, die sich im Juli 1806 am Ufer des Rheins bei Winkel er¬
dolchte, weil ihr Creuzer hatte abschreiben lassen. Er, ein damals berühmter Ge¬
lehrter, aber in seiner Art mehr ein Dichter, war 1304 von Marburg nach
Heidelberg berufen worden und hatte Karoline gleich darauf kennen gelernt. Seine
eigne Frau hatte ihm versprochen, auf ihn zu verzichten, und so beginnt der geistige
Verkehr zwischen ihm und Karoline im Austausch an wissenschaftlichen Gedanken
und Liedern, bis ihn eine Krankheit dem Tode nahe führt und er, kaum genesen,
auf Zureden seiner Freunde der Freundin schreiben läßt, daß sie nicht mehr auf
ihn zu hoffen habe. Eine „alte leidvolle Geschichte," sagt der Verfasser und meint,
man könnte sie vergessen sein lassen. Aber eine ganze Litteratur zeigt uns, daß
sich die Geschichte nicht vergessen lassen will. Die Fäden, aus denen sie zusammen¬
gesponnen ist, sind gar zart. Mau kaun nicht gut einzelnes aus dem hübschen
Buche herausheben. Es muß jemand lesend die Stimmung der Zeit und der fein¬
fühligen Menschen auf sich wirken lassen, und er wird dann außerdem, wenn er
dafür Sinn hat, noch einen Formgennß haben, nämlich den, den eine methodische
Untersuchung gewährt.




Gretna-Green

Das Großherzoglich Sächsische Staatsministerium in Weimar (Departement
des Innern und Departement der Justiz) sendet uns nachstehende

Berichtigung

Der in Ur. 4l des diesjährigen Jahrgangs der Zeitschrift „Die Grenzboten"
mit „Gretna-Green" überschriebene Zinssatz wird durch das Großherzoglich S. Staats-
Ministerium in Weimar dahin thatsächlich berichtigt:
'

Es ist unwahr, daß „die ^ribunAux ü^poläa" die Ehe des Herrn de Peyronny
und der Frau de Pehronny geborene Biard sür geschieden erklärt haben. Vor den
Gerichten des Großherzogtnms Sachsen-Weimar-Eisenach oder vor dem dem letzteren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/532>, abgerufen am 05.01.2025.