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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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kluges Vorgehen, nur Opferwilligkeit und Selbstverleugung können zum Ziele
führen. Durch Übertreibungen und Überspanntheiten wird die Sache der
Frauen nur geschädigt. Wir wünschen und hoffen, daß die Bewegung in
ein Geleise kommt, daß die ganze Frauenwelt den hochwichtigen Fragen die
lebhafteste Teilnahme entgegenbringt, und daß auch die Männerwelt ihre
zurückhaltende Stellung aufgiebt und mit Zustimmung und Beifall einen
wirklichen Fortschritt begrüßt.




j)an in Berlin

as erste Heft des neuen Jahrgangs des Pan bringt entsprechend
einer geänderten Einrichtung die Kunst Berlins, die folgenden
werden München, Dresden und den kleinern Mittelpunkten ge¬
widmet sein. Wir erhalten zunächst einige selbständige Aufsätze
über künstlerische Fragen, worunter der interessanteste der über
Adolf Menzel von Tschudi sein dürfte. Noch interessanter wäre es freilich, zu
wiffen, was für Reflexlichter von dem wirklichen Antlitz des "kleinen Mannes"
ausgegangen sein mögen, als dieser zuerst sein künstlerisches in eine so scharfe
Beleuchtung gebracht sah. Wir halten diese selbst für zutreffend, das Urteil
stimmt wohl im wesentlichen mit der Meinung vieler nachdenkenden Menschen
überein, nur hat es noch niemand so kurz und scharf ausgedrückt, wie der
neue Leiter der Nationalgalerie. Er wird allen Verdiensten des großen
Malers gerecht und hebt kurz hervor, was wir alle wissen, seine einzigartige
Wiedererweckung des fridericianischen Zeitalters, eine Art von Vergegen¬
wärtigung des Vergangnen durch die Kunst, wozu sich kein zweites gleich¬
wertiges Beispiel finden möchte, sodann seine großartige Sicherheit im Zeichnen,
dessen also, was bei den Künstlern der modernen Richtungen so vielfach in
die Brüche geht. Dann kommt er auf das für Menzel Charakteristische und
setzt es in die geringe Wahrheit der Gesamterscheinung bei aller scharfen Er¬
fassung der Einzelheiten, weswegen denn auch beim Porträt wohl die äußer¬
liche Wahrheit des Einzelnen in ihrer von dem Künstler gewollten Auswahl
und Besonderheit, nicht aber das wirkliche, ganze geistige Wesen des Dar¬
gestellten ausgedrückt wird. Besser hat Menzel den Eindruck des Massen¬
haften in großen Versammlungen, worin die einzelne Individualität untergeht,
auszudrücken verstanden, obwohl sein Hang zum Karikiren doch auch auf solchen
Bildern wieder genug Einzelpersonen, allerdings nach seiner Art, anbringt.
Menzel ist nicht Poet, oder wenigstens selten und nur, wo uns seine Blätter


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kluges Vorgehen, nur Opferwilligkeit und Selbstverleugung können zum Ziele
führen. Durch Übertreibungen und Überspanntheiten wird die Sache der
Frauen nur geschädigt. Wir wünschen und hoffen, daß die Bewegung in
ein Geleise kommt, daß die ganze Frauenwelt den hochwichtigen Fragen die
lebhafteste Teilnahme entgegenbringt, und daß auch die Männerwelt ihre
zurückhaltende Stellung aufgiebt und mit Zustimmung und Beifall einen
wirklichen Fortschritt begrüßt.




j)an in Berlin

as erste Heft des neuen Jahrgangs des Pan bringt entsprechend
einer geänderten Einrichtung die Kunst Berlins, die folgenden
werden München, Dresden und den kleinern Mittelpunkten ge¬
widmet sein. Wir erhalten zunächst einige selbständige Aufsätze
über künstlerische Fragen, worunter der interessanteste der über
Adolf Menzel von Tschudi sein dürfte. Noch interessanter wäre es freilich, zu
wiffen, was für Reflexlichter von dem wirklichen Antlitz des „kleinen Mannes"
ausgegangen sein mögen, als dieser zuerst sein künstlerisches in eine so scharfe
Beleuchtung gebracht sah. Wir halten diese selbst für zutreffend, das Urteil
stimmt wohl im wesentlichen mit der Meinung vieler nachdenkenden Menschen
überein, nur hat es noch niemand so kurz und scharf ausgedrückt, wie der
neue Leiter der Nationalgalerie. Er wird allen Verdiensten des großen
Malers gerecht und hebt kurz hervor, was wir alle wissen, seine einzigartige
Wiedererweckung des fridericianischen Zeitalters, eine Art von Vergegen¬
wärtigung des Vergangnen durch die Kunst, wozu sich kein zweites gleich¬
wertiges Beispiel finden möchte, sodann seine großartige Sicherheit im Zeichnen,
dessen also, was bei den Künstlern der modernen Richtungen so vielfach in
die Brüche geht. Dann kommt er auf das für Menzel Charakteristische und
setzt es in die geringe Wahrheit der Gesamterscheinung bei aller scharfen Er¬
fassung der Einzelheiten, weswegen denn auch beim Porträt wohl die äußer¬
liche Wahrheit des Einzelnen in ihrer von dem Künstler gewollten Auswahl
und Besonderheit, nicht aber das wirkliche, ganze geistige Wesen des Dar¬
gestellten ausgedrückt wird. Besser hat Menzel den Eindruck des Massen¬
haften in großen Versammlungen, worin die einzelne Individualität untergeht,
auszudrücken verstanden, obwohl sein Hang zum Karikiren doch auch auf solchen
Bildern wieder genug Einzelpersonen, allerdings nach seiner Art, anbringt.
Menzel ist nicht Poet, oder wenigstens selten und nur, wo uns seine Blätter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/386>, abgerufen am 05.01.2025.