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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Zur Frauenfrage

aus baut es eine Eisenbahn dahin durch ein Terrain, das ungeheure Schwierig¬
keiten bietet. England hat also einen neuen Boden für seine nordostafrikanischen
Pläne: die Festlandsküste des Sultanats Sansibar und vor allem Sansibar
selbst. Ebenso wenig, wie es jetzt daran denken kann, auch nur ein wenig in
der Umklammerung des Sultanats nachzulassen, ebenso sehr wird es sich hüten,
durch eine voreilige Annexion Unruhen hervorzurufen, die auf Jahre hinaus
seine Operationen lahm legen könnten.

Auch Deutschland hat keinen Anlaß, eine Änderung der politischen Zu¬
stände dort zu wünschen. Der Araber hat sich an die deutsche Flagge gewöhnt,
er fühlt sich wohl unter ihr: das beweist vor allem, nach Wißmanus Mit¬
teilungen, das jetzt vorherrschende Streben der Araber, von Sansibar nach
dem deutschen Gebiet überzusiedeln, soweit es ihre Besitzverhältnisse zulassen.
Ist auch nur ein kleiner Teil des ehemaligen Sultanats Sansibar in deutschem
Besitz, so ist es doch der wertvollste Teil und ein gesicherter Besitz. Wir
Deutschen haben nur noch ein rein menschliches Interesse an den Schicksalen
der Sultane aus dem Hause Abu Saids. Daher haben auch die Vorgänge
in Sansibar in den letzten Augusttagen in Deutschland allgemeine Entrüstung
über das rücksichtslose Vorgehen der Engländer hervorgerufen. Said Khalid
ist ein unternehmungslustiger Mann, der unter Europäern wie Stammes¬
genossen die größten Sympathien genoß. Er schien daher den Briten zu ge¬
fährlich. Obwohl er nach arabischen Staatsgrundsätzen erbfolgeberechtigt war,
wurde ein willfähriges Werkzeug, Said ben Hamond, von den Engländern auf
den Thron von Sansibar gehoben. Said Khalids Haus aber wurde von den
englischen Kriegsschiffen in Grund und Boden geschossen und dabei einige
hundert wehrlose Menschen getötet, eine Kraftleistung, die dem "humanen"
England alle Ehre macht. Unser Mitgefühl hat wenigstens die Genugthuung
gehabt, daß der Vertreter des deutschen Reiches für die persönliche Sicherheit
Said Khalids gesorgt und ihn dem Hasse der Engländer entzogen hat.




Zur Frauenfrage
Julius Schiller von

s hängt mit deutscher Art zusammen, daß wir uns nur langsam
für etwas neues begeistern. Der Deutsche hat eine kritische und
konservative Natur. Den einmal gewonnenen, jahrhundertelang
festgehaltenen Standpunkt aufzugeben, dazu pflegt er sich nicht
so leicht zu entschließen. Thut er es dennoch, so geschieht es
erst nach reiflicher Überlegung. Das kann einen Vorzug vor andern Nationen


Zur Frauenfrage

aus baut es eine Eisenbahn dahin durch ein Terrain, das ungeheure Schwierig¬
keiten bietet. England hat also einen neuen Boden für seine nordostafrikanischen
Pläne: die Festlandsküste des Sultanats Sansibar und vor allem Sansibar
selbst. Ebenso wenig, wie es jetzt daran denken kann, auch nur ein wenig in
der Umklammerung des Sultanats nachzulassen, ebenso sehr wird es sich hüten,
durch eine voreilige Annexion Unruhen hervorzurufen, die auf Jahre hinaus
seine Operationen lahm legen könnten.

Auch Deutschland hat keinen Anlaß, eine Änderung der politischen Zu¬
stände dort zu wünschen. Der Araber hat sich an die deutsche Flagge gewöhnt,
er fühlt sich wohl unter ihr: das beweist vor allem, nach Wißmanus Mit¬
teilungen, das jetzt vorherrschende Streben der Araber, von Sansibar nach
dem deutschen Gebiet überzusiedeln, soweit es ihre Besitzverhältnisse zulassen.
Ist auch nur ein kleiner Teil des ehemaligen Sultanats Sansibar in deutschem
Besitz, so ist es doch der wertvollste Teil und ein gesicherter Besitz. Wir
Deutschen haben nur noch ein rein menschliches Interesse an den Schicksalen
der Sultane aus dem Hause Abu Saids. Daher haben auch die Vorgänge
in Sansibar in den letzten Augusttagen in Deutschland allgemeine Entrüstung
über das rücksichtslose Vorgehen der Engländer hervorgerufen. Said Khalid
ist ein unternehmungslustiger Mann, der unter Europäern wie Stammes¬
genossen die größten Sympathien genoß. Er schien daher den Briten zu ge¬
fährlich. Obwohl er nach arabischen Staatsgrundsätzen erbfolgeberechtigt war,
wurde ein willfähriges Werkzeug, Said ben Hamond, von den Engländern auf
den Thron von Sansibar gehoben. Said Khalids Haus aber wurde von den
englischen Kriegsschiffen in Grund und Boden geschossen und dabei einige
hundert wehrlose Menschen getötet, eine Kraftleistung, die dem „humanen"
England alle Ehre macht. Unser Mitgefühl hat wenigstens die Genugthuung
gehabt, daß der Vertreter des deutschen Reiches für die persönliche Sicherheit
Said Khalids gesorgt und ihn dem Hasse der Engländer entzogen hat.




Zur Frauenfrage
Julius Schiller von

s hängt mit deutscher Art zusammen, daß wir uns nur langsam
für etwas neues begeistern. Der Deutsche hat eine kritische und
konservative Natur. Den einmal gewonnenen, jahrhundertelang
festgehaltenen Standpunkt aufzugeben, dazu pflegt er sich nicht
so leicht zu entschließen. Thut er es dennoch, so geschieht es
erst nach reiflicher Überlegung. Das kann einen Vorzug vor andern Nationen


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[0374] Zur Frauenfrage aus baut es eine Eisenbahn dahin durch ein Terrain, das ungeheure Schwierig¬ keiten bietet. England hat also einen neuen Boden für seine nordostafrikanischen Pläne: die Festlandsküste des Sultanats Sansibar und vor allem Sansibar selbst. Ebenso wenig, wie es jetzt daran denken kann, auch nur ein wenig in der Umklammerung des Sultanats nachzulassen, ebenso sehr wird es sich hüten, durch eine voreilige Annexion Unruhen hervorzurufen, die auf Jahre hinaus seine Operationen lahm legen könnten. Auch Deutschland hat keinen Anlaß, eine Änderung der politischen Zu¬ stände dort zu wünschen. Der Araber hat sich an die deutsche Flagge gewöhnt, er fühlt sich wohl unter ihr: das beweist vor allem, nach Wißmanus Mit¬ teilungen, das jetzt vorherrschende Streben der Araber, von Sansibar nach dem deutschen Gebiet überzusiedeln, soweit es ihre Besitzverhältnisse zulassen. Ist auch nur ein kleiner Teil des ehemaligen Sultanats Sansibar in deutschem Besitz, so ist es doch der wertvollste Teil und ein gesicherter Besitz. Wir Deutschen haben nur noch ein rein menschliches Interesse an den Schicksalen der Sultane aus dem Hause Abu Saids. Daher haben auch die Vorgänge in Sansibar in den letzten Augusttagen in Deutschland allgemeine Entrüstung über das rücksichtslose Vorgehen der Engländer hervorgerufen. Said Khalid ist ein unternehmungslustiger Mann, der unter Europäern wie Stammes¬ genossen die größten Sympathien genoß. Er schien daher den Briten zu ge¬ fährlich. Obwohl er nach arabischen Staatsgrundsätzen erbfolgeberechtigt war, wurde ein willfähriges Werkzeug, Said ben Hamond, von den Engländern auf den Thron von Sansibar gehoben. Said Khalids Haus aber wurde von den englischen Kriegsschiffen in Grund und Boden geschossen und dabei einige hundert wehrlose Menschen getötet, eine Kraftleistung, die dem „humanen" England alle Ehre macht. Unser Mitgefühl hat wenigstens die Genugthuung gehabt, daß der Vertreter des deutschen Reiches für die persönliche Sicherheit Said Khalids gesorgt und ihn dem Hasse der Engländer entzogen hat. Zur Frauenfrage Julius Schiller von s hängt mit deutscher Art zusammen, daß wir uns nur langsam für etwas neues begeistern. Der Deutsche hat eine kritische und konservative Natur. Den einmal gewonnenen, jahrhundertelang festgehaltenen Standpunkt aufzugeben, dazu pflegt er sich nicht so leicht zu entschließen. Thut er es dennoch, so geschieht es erst nach reiflicher Überlegung. Das kann einen Vorzug vor andern Nationen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/374>, abgerufen am 05.01.2025.