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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Dynastie der Saids in Sansibar

erst kürzlich treffend hervorgehoben hat, aus Ausländern. Daß man da
vom Staate verlangt, er solle mit allen Mitteln diesem ausländischen, auch
sonst lästigen Zudrange steuern, ist begreiflich und zum Teil berechtigt. Das
ist aber eine ganz andre Sache, als wenn man in Frankreich und Deutsch¬
land Franzosen oder Deutsche, die an sich durchaus zu der Arbeit befähigt
sind und den noch so geringen Arbeitsverdienst sehr nötig haben, durch Gesetz
von der Konsektionsarbeit mittelbar oder unmittelbar ausschließen wollte. In
Frankreich scheint man in den maßgebenden Kreisen auch nicht daran zu denken.
Es fragt sich, ob man in Deutschland mit seiner ungleich dichtern und un¬
gleich stärker wachsenden Bevölkerung daran denken kann. Wir unsrerseits stehen
nicht an, diese Frage entschieden mit nein zu beantworten. Handelte es sich
"in die Einschränkung des Angebots der Arbeit von russischen Juden, aus¬
ländischen Slawen oder Chinesen, so würden wir ebenso entschieden ja sagen.
Deutschen gegenüber ist eine solche Künstlerische Ausschließung ungerecht und
unmöglich. Kann aber auch der Staat, wie wir meinen, das Grund- und
Hauptübel durch Beseitigung seiner Ursachen mittels gesetzlicher Eingriffe auf
gewerberechtlichem Gebiete -- von allgemeinen politischen Maßnahmen gegen die
Übervölkerung ist hier nicht zu reden -- nicht aus der Welt schaffen, so ist
doch damit nicht gesagt, daß er nicht trotzdem recht viel thun könne und thun
uuisse, in diesem besondern Zweige unsers Erwerbslebens eine Reihe besondrer
Mißstände und Ausartungen zu unterdrücken oder abzuschwächen, wie wir weiter
darzulegen versuche" wollen.




Die Dynastie der Saids in Sansibar
v Hans Wagner on

le weiten Buchten der Ostküste Afrikas und ihre Anwohner haben
für Europa jahrhundertelang nicht bestanden. Sie lagen zu weit
ab vom Weltverkehr, und nur höchst selten kam ein Seefahrer
hin, wenn er auf der Reise nach Ostindien genötigt war, einen
Nothafen aufzusuchen. So blieb das Gebiet von Sansibar un¬
genannt und unbekannt bis in unser Jahrhundert herein. Erst da begann
man sich mit dem idyllischen Eiland am Westufer des Indischen Ozeans und
seinen Verhältnissen näher zu beschäftigen, denn die Humanitätsbestrebungen
Mer Zeiten hatten dort ein wirkungsreiches Feld ihrer Thätigkeit gefunden.
Als in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts die Westküste Afrikas


Die Dynastie der Saids in Sansibar

erst kürzlich treffend hervorgehoben hat, aus Ausländern. Daß man da
vom Staate verlangt, er solle mit allen Mitteln diesem ausländischen, auch
sonst lästigen Zudrange steuern, ist begreiflich und zum Teil berechtigt. Das
ist aber eine ganz andre Sache, als wenn man in Frankreich und Deutsch¬
land Franzosen oder Deutsche, die an sich durchaus zu der Arbeit befähigt
sind und den noch so geringen Arbeitsverdienst sehr nötig haben, durch Gesetz
von der Konsektionsarbeit mittelbar oder unmittelbar ausschließen wollte. In
Frankreich scheint man in den maßgebenden Kreisen auch nicht daran zu denken.
Es fragt sich, ob man in Deutschland mit seiner ungleich dichtern und un¬
gleich stärker wachsenden Bevölkerung daran denken kann. Wir unsrerseits stehen
nicht an, diese Frage entschieden mit nein zu beantworten. Handelte es sich
»in die Einschränkung des Angebots der Arbeit von russischen Juden, aus¬
ländischen Slawen oder Chinesen, so würden wir ebenso entschieden ja sagen.
Deutschen gegenüber ist eine solche Künstlerische Ausschließung ungerecht und
unmöglich. Kann aber auch der Staat, wie wir meinen, das Grund- und
Hauptübel durch Beseitigung seiner Ursachen mittels gesetzlicher Eingriffe auf
gewerberechtlichem Gebiete — von allgemeinen politischen Maßnahmen gegen die
Übervölkerung ist hier nicht zu reden — nicht aus der Welt schaffen, so ist
doch damit nicht gesagt, daß er nicht trotzdem recht viel thun könne und thun
uuisse, in diesem besondern Zweige unsers Erwerbslebens eine Reihe besondrer
Mißstände und Ausartungen zu unterdrücken oder abzuschwächen, wie wir weiter
darzulegen versuche» wollen.




Die Dynastie der Saids in Sansibar
v Hans Wagner on

le weiten Buchten der Ostküste Afrikas und ihre Anwohner haben
für Europa jahrhundertelang nicht bestanden. Sie lagen zu weit
ab vom Weltverkehr, und nur höchst selten kam ein Seefahrer
hin, wenn er auf der Reise nach Ostindien genötigt war, einen
Nothafen aufzusuchen. So blieb das Gebiet von Sansibar un¬
genannt und unbekannt bis in unser Jahrhundert herein. Erst da begann
man sich mit dem idyllischen Eiland am Westufer des Indischen Ozeans und
seinen Verhältnissen näher zu beschäftigen, denn die Humanitätsbestrebungen
Mer Zeiten hatten dort ein wirkungsreiches Feld ihrer Thätigkeit gefunden.
Als in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts die Westküste Afrikas


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[0365] Die Dynastie der Saids in Sansibar erst kürzlich treffend hervorgehoben hat, aus Ausländern. Daß man da vom Staate verlangt, er solle mit allen Mitteln diesem ausländischen, auch sonst lästigen Zudrange steuern, ist begreiflich und zum Teil berechtigt. Das ist aber eine ganz andre Sache, als wenn man in Frankreich und Deutsch¬ land Franzosen oder Deutsche, die an sich durchaus zu der Arbeit befähigt sind und den noch so geringen Arbeitsverdienst sehr nötig haben, durch Gesetz von der Konsektionsarbeit mittelbar oder unmittelbar ausschließen wollte. In Frankreich scheint man in den maßgebenden Kreisen auch nicht daran zu denken. Es fragt sich, ob man in Deutschland mit seiner ungleich dichtern und un¬ gleich stärker wachsenden Bevölkerung daran denken kann. Wir unsrerseits stehen nicht an, diese Frage entschieden mit nein zu beantworten. Handelte es sich »in die Einschränkung des Angebots der Arbeit von russischen Juden, aus¬ ländischen Slawen oder Chinesen, so würden wir ebenso entschieden ja sagen. Deutschen gegenüber ist eine solche Künstlerische Ausschließung ungerecht und unmöglich. Kann aber auch der Staat, wie wir meinen, das Grund- und Hauptübel durch Beseitigung seiner Ursachen mittels gesetzlicher Eingriffe auf gewerberechtlichem Gebiete — von allgemeinen politischen Maßnahmen gegen die Übervölkerung ist hier nicht zu reden — nicht aus der Welt schaffen, so ist doch damit nicht gesagt, daß er nicht trotzdem recht viel thun könne und thun uuisse, in diesem besondern Zweige unsers Erwerbslebens eine Reihe besondrer Mißstände und Ausartungen zu unterdrücken oder abzuschwächen, wie wir weiter darzulegen versuche» wollen. Die Dynastie der Saids in Sansibar v Hans Wagner on le weiten Buchten der Ostküste Afrikas und ihre Anwohner haben für Europa jahrhundertelang nicht bestanden. Sie lagen zu weit ab vom Weltverkehr, und nur höchst selten kam ein Seefahrer hin, wenn er auf der Reise nach Ostindien genötigt war, einen Nothafen aufzusuchen. So blieb das Gebiet von Sansibar un¬ genannt und unbekannt bis in unser Jahrhundert herein. Erst da begann man sich mit dem idyllischen Eiland am Westufer des Indischen Ozeans und seinen Verhältnissen näher zu beschäftigen, denn die Humanitätsbestrebungen Mer Zeiten hatten dort ein wirkungsreiches Feld ihrer Thätigkeit gefunden. Als in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts die Westküste Afrikas

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/365>, abgerufen am 05.01.2025.