Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Postzeitungstarif

Preußischen Obertribunals erinnern, die heute wohl niemand mehr für richtig
halten wird, durch die der Abgeordnete Tochter wegen seiner im Landtage
gegen die Justizverwaltung gethanen Äußerungen sür strafrechtlich verfolgbar
erklärt wurde, obwohl es im Artikel 84 der preußischen Verfassungsurkunde
lautet: Die Mitglieder der Kammern können für ihre darin ausgesprochnen
Meinungen nur innerhalb der Kammern auf Grund der Geschüftsorduuug
zur Rechenschaft gezogen werden.

Ob der Gesetzgeber selbst die Mitwirkung der Laien in der Strafrechts¬
pflege als eine Wohlthat oder als eine Plage ansieht, vermag niemand zu
durchschauen. Ist sie eine Wohlthat, dann sollte sie doch auch durchgängig
eingeführt und die Einrichtung der nur ans Berufsjuristen bestehenden Straf¬
kammern beseitigt werden, ist sie eine Plage, dann sollte man auch den Mut
und die Kraft haben, sie durchgängig abzustoßen.




Der postzeiwngstarif

ührend die Pvsttarise für Briefe, Packete und Wertseudnugen in
den letzten Jahrzehnten infolge der Vervollkommnung der Ver¬
kehrsmittel eine durchgreifende Umgestaltung erfahren haben,
wird der Postzeituugstarif, wenigstens hinsichtlich seiner grund¬
legenden Bestimmung, in kurzem das Jubiläum seines funfzig¬
jährigen Bestehens feiern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Tarif,
der zu einer Zeit geschaffen worden ist, wo die periodische Presse noch nicht
entfernt den Umfang hatte wie jetzt, nicht mehr die Bedingungen erfüllen kann,
die die zweckmäßige Gestaltung des staatlichen Gebührenwesens erfordert, daß
die heutzutage für den Postvcrtrieb der Zeitungen zu entrichtende Gebühr kein
Äquivalent mehr für die Leistungen der Post bildet. Es wird daher vom
Reichspostamt eine Umgestaltung des Zeitungstarifs beabsichtigt, und nach der
von den Vertretern der Regierung bei der zweiten Lesung des Postetats für
1896/97 im Reichstage abgegebnen Erklärung ist zu erwarte", daß ein Ge¬
setzentwurf über die Neuregelung des Zeitungstarifs den gesetzgebenden Körper¬
schaften demnächst zugehen wird.

Sobald die Absicht des Neichspostamts bekannt geworden war, sind in
der Presse verschiedne Vorschläge zur Reform des Zeituugsgebührenweseus
aufgetaucht. Einer Beurteilung dieser Vorschlüge enthalten wir uns, weil die
hierzu erforderliche!? umfassenden statistischen Grundlagen, die einzig und allein
von der PostVerwaltung geliefert werden könnten, nirgends veröffentlicht


Der Postzeitungstarif

Preußischen Obertribunals erinnern, die heute wohl niemand mehr für richtig
halten wird, durch die der Abgeordnete Tochter wegen seiner im Landtage
gegen die Justizverwaltung gethanen Äußerungen sür strafrechtlich verfolgbar
erklärt wurde, obwohl es im Artikel 84 der preußischen Verfassungsurkunde
lautet: Die Mitglieder der Kammern können für ihre darin ausgesprochnen
Meinungen nur innerhalb der Kammern auf Grund der Geschüftsorduuug
zur Rechenschaft gezogen werden.

Ob der Gesetzgeber selbst die Mitwirkung der Laien in der Strafrechts¬
pflege als eine Wohlthat oder als eine Plage ansieht, vermag niemand zu
durchschauen. Ist sie eine Wohlthat, dann sollte sie doch auch durchgängig
eingeführt und die Einrichtung der nur ans Berufsjuristen bestehenden Straf¬
kammern beseitigt werden, ist sie eine Plage, dann sollte man auch den Mut
und die Kraft haben, sie durchgängig abzustoßen.




Der postzeiwngstarif

ührend die Pvsttarise für Briefe, Packete und Wertseudnugen in
den letzten Jahrzehnten infolge der Vervollkommnung der Ver¬
kehrsmittel eine durchgreifende Umgestaltung erfahren haben,
wird der Postzeituugstarif, wenigstens hinsichtlich seiner grund¬
legenden Bestimmung, in kurzem das Jubiläum seines funfzig¬
jährigen Bestehens feiern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Tarif,
der zu einer Zeit geschaffen worden ist, wo die periodische Presse noch nicht
entfernt den Umfang hatte wie jetzt, nicht mehr die Bedingungen erfüllen kann,
die die zweckmäßige Gestaltung des staatlichen Gebührenwesens erfordert, daß
die heutzutage für den Postvcrtrieb der Zeitungen zu entrichtende Gebühr kein
Äquivalent mehr für die Leistungen der Post bildet. Es wird daher vom
Reichspostamt eine Umgestaltung des Zeitungstarifs beabsichtigt, und nach der
von den Vertretern der Regierung bei der zweiten Lesung des Postetats für
1896/97 im Reichstage abgegebnen Erklärung ist zu erwarte», daß ein Ge¬
setzentwurf über die Neuregelung des Zeitungstarifs den gesetzgebenden Körper¬
schaften demnächst zugehen wird.

Sobald die Absicht des Neichspostamts bekannt geworden war, sind in
der Presse verschiedne Vorschläge zur Reform des Zeituugsgebührenweseus
aufgetaucht. Einer Beurteilung dieser Vorschlüge enthalten wir uns, weil die
hierzu erforderliche!? umfassenden statistischen Grundlagen, die einzig und allein
von der PostVerwaltung geliefert werden könnten, nirgends veröffentlicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223907"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Postzeitungstarif</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_980" prev="#ID_979"> Preußischen Obertribunals erinnern, die heute wohl niemand mehr für richtig<lb/>
halten wird, durch die der Abgeordnete Tochter wegen seiner im Landtage<lb/>
gegen die Justizverwaltung gethanen Äußerungen sür strafrechtlich verfolgbar<lb/>
erklärt wurde, obwohl es im Artikel 84 der preußischen Verfassungsurkunde<lb/>
lautet: Die Mitglieder der Kammern können für ihre darin ausgesprochnen<lb/>
Meinungen nur innerhalb der Kammern auf Grund der Geschüftsorduuug<lb/>
zur Rechenschaft gezogen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_981"> Ob der Gesetzgeber selbst die Mitwirkung der Laien in der Strafrechts¬<lb/>
pflege als eine Wohlthat oder als eine Plage ansieht, vermag niemand zu<lb/>
durchschauen. Ist sie eine Wohlthat, dann sollte sie doch auch durchgängig<lb/>
eingeführt und die Einrichtung der nur ans Berufsjuristen bestehenden Straf¬<lb/>
kammern beseitigt werden, ist sie eine Plage, dann sollte man auch den Mut<lb/>
und die Kraft haben, sie durchgängig abzustoßen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der postzeiwngstarif</head><lb/>
          <p xml:id="ID_982"> ührend die Pvsttarise für Briefe, Packete und Wertseudnugen in<lb/>
den letzten Jahrzehnten infolge der Vervollkommnung der Ver¬<lb/>
kehrsmittel eine durchgreifende Umgestaltung erfahren haben,<lb/>
wird der Postzeituugstarif, wenigstens hinsichtlich seiner grund¬<lb/>
legenden Bestimmung, in kurzem das Jubiläum seines funfzig¬<lb/>
jährigen Bestehens feiern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Tarif,<lb/>
der zu einer Zeit geschaffen worden ist, wo die periodische Presse noch nicht<lb/>
entfernt den Umfang hatte wie jetzt, nicht mehr die Bedingungen erfüllen kann,<lb/>
die die zweckmäßige Gestaltung des staatlichen Gebührenwesens erfordert, daß<lb/>
die heutzutage für den Postvcrtrieb der Zeitungen zu entrichtende Gebühr kein<lb/>
Äquivalent mehr für die Leistungen der Post bildet. Es wird daher vom<lb/>
Reichspostamt eine Umgestaltung des Zeitungstarifs beabsichtigt, und nach der<lb/>
von den Vertretern der Regierung bei der zweiten Lesung des Postetats für<lb/>
1896/97 im Reichstage abgegebnen Erklärung ist zu erwarte», daß ein Ge¬<lb/>
setzentwurf über die Neuregelung des Zeitungstarifs den gesetzgebenden Körper¬<lb/>
schaften demnächst zugehen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_983" next="#ID_984"> Sobald die Absicht des Neichspostamts bekannt geworden war, sind in<lb/>
der Presse verschiedne Vorschläge zur Reform des Zeituugsgebührenweseus<lb/>
aufgetaucht. Einer Beurteilung dieser Vorschlüge enthalten wir uns, weil die<lb/>
hierzu erforderliche!? umfassenden statistischen Grundlagen, die einzig und allein<lb/>
von der PostVerwaltung geliefert werden könnten, nirgends veröffentlicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0323] Der Postzeitungstarif Preußischen Obertribunals erinnern, die heute wohl niemand mehr für richtig halten wird, durch die der Abgeordnete Tochter wegen seiner im Landtage gegen die Justizverwaltung gethanen Äußerungen sür strafrechtlich verfolgbar erklärt wurde, obwohl es im Artikel 84 der preußischen Verfassungsurkunde lautet: Die Mitglieder der Kammern können für ihre darin ausgesprochnen Meinungen nur innerhalb der Kammern auf Grund der Geschüftsorduuug zur Rechenschaft gezogen werden. Ob der Gesetzgeber selbst die Mitwirkung der Laien in der Strafrechts¬ pflege als eine Wohlthat oder als eine Plage ansieht, vermag niemand zu durchschauen. Ist sie eine Wohlthat, dann sollte sie doch auch durchgängig eingeführt und die Einrichtung der nur ans Berufsjuristen bestehenden Straf¬ kammern beseitigt werden, ist sie eine Plage, dann sollte man auch den Mut und die Kraft haben, sie durchgängig abzustoßen. Der postzeiwngstarif ührend die Pvsttarise für Briefe, Packete und Wertseudnugen in den letzten Jahrzehnten infolge der Vervollkommnung der Ver¬ kehrsmittel eine durchgreifende Umgestaltung erfahren haben, wird der Postzeituugstarif, wenigstens hinsichtlich seiner grund¬ legenden Bestimmung, in kurzem das Jubiläum seines funfzig¬ jährigen Bestehens feiern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Tarif, der zu einer Zeit geschaffen worden ist, wo die periodische Presse noch nicht entfernt den Umfang hatte wie jetzt, nicht mehr die Bedingungen erfüllen kann, die die zweckmäßige Gestaltung des staatlichen Gebührenwesens erfordert, daß die heutzutage für den Postvcrtrieb der Zeitungen zu entrichtende Gebühr kein Äquivalent mehr für die Leistungen der Post bildet. Es wird daher vom Reichspostamt eine Umgestaltung des Zeitungstarifs beabsichtigt, und nach der von den Vertretern der Regierung bei der zweiten Lesung des Postetats für 1896/97 im Reichstage abgegebnen Erklärung ist zu erwarte», daß ein Ge¬ setzentwurf über die Neuregelung des Zeitungstarifs den gesetzgebenden Körper¬ schaften demnächst zugehen wird. Sobald die Absicht des Neichspostamts bekannt geworden war, sind in der Presse verschiedne Vorschläge zur Reform des Zeituugsgebührenweseus aufgetaucht. Einer Beurteilung dieser Vorschlüge enthalten wir uns, weil die hierzu erforderliche!? umfassenden statistischen Grundlagen, die einzig und allein von der PostVerwaltung geliefert werden könnten, nirgends veröffentlicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/323
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/323>, abgerufen am 05.01.2025.