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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Gerechte Urteile über den landwirtschaftlichen Notstand

ührend es die preußische Regierung bisher unterlassen hat, mit
der nötigen Entschiedenheit den agrarischen Agitationen und ihrem
verhängnisvollen Einfluß auf die landwirtschaftlichen Grund¬
besitzer im östlichen Deutschland entgegenzutreten, hat leider der
kürzlich abgehaltene uationalliberale Parteitag aufs neue dazu
beigetragen, die Gefolgschaft des Herrn von Plötz in ihrem unverständigen
Treiben zu bestärken. Jeder, der die große wirtschaftliche, soziale und politische
Bedeutung des Standes der Landwirte in unserm Volksleben richtig würdigt
und namentlich auch die Bedeutung der größern Grundbesitzer in den Ost¬
provinzen nicht unterschätzt, muß es tief beklagen, daß sich gerade dieser Stand
durch die agrarische Bewegung, zum Teil ganz unbewußt, in eine Stellung
Zum Staate hineinlebt, die mit gesund konservativer Gesinnung wie mit auf¬
richtiger Vaterlandsliebe immer unverträglicher wird. Dabei wirken die "grä¬
tschen Agitationen auch insofern schädlich, als sie den naturgemäßen Ge-
Ittndungsprozeß in der wirtschaftlichen Lage unsrer Gutsbesitzer stören und
t^fcihrden. Trotz der theoretischen Schwarzseherei mancher Volkswirte scheinen
^e Bedingungen, unter denen sich die heutige Agrarkrisis vollzieht, bedeutend
ÜUnstiger zu sein, als die, unter denen sich die ostdeutschen Landwirte durch
, ^ Krisis der zwanziger und dreißiger Jahre durchkämpfen mußten. Der seit
teuer Zeit bedeutend gestiegne Nationalreichtum kommt sichtlich der notleidenden
Landwirtschaft sehr zu statten, ganz abgesehen von den vielleicht fünfzigfach
)obern Summen, die der Staat aus der Steuerkraft der Gesamtheit unmittelbar
turtle Überwindung der gegenwärtigen Krisis aufgewendet hat und glücklicherweise
aufwende" konnte. Bis jetzt ist nicht annähernd ein solcher Masseuzuscunmen-
'was "im Wirtschaften auf dem Lande zu beklagen gewesen, wie er damals
wttgefunden hat. und verschiedne Anzeichen lassen hoffen, daß die Masse auch


^"nzboten IV 1896 ^


Gerechte Urteile über den landwirtschaftlichen Notstand

ührend es die preußische Regierung bisher unterlassen hat, mit
der nötigen Entschiedenheit den agrarischen Agitationen und ihrem
verhängnisvollen Einfluß auf die landwirtschaftlichen Grund¬
besitzer im östlichen Deutschland entgegenzutreten, hat leider der
kürzlich abgehaltene uationalliberale Parteitag aufs neue dazu
beigetragen, die Gefolgschaft des Herrn von Plötz in ihrem unverständigen
Treiben zu bestärken. Jeder, der die große wirtschaftliche, soziale und politische
Bedeutung des Standes der Landwirte in unserm Volksleben richtig würdigt
und namentlich auch die Bedeutung der größern Grundbesitzer in den Ost¬
provinzen nicht unterschätzt, muß es tief beklagen, daß sich gerade dieser Stand
durch die agrarische Bewegung, zum Teil ganz unbewußt, in eine Stellung
Zum Staate hineinlebt, die mit gesund konservativer Gesinnung wie mit auf¬
richtiger Vaterlandsliebe immer unverträglicher wird. Dabei wirken die «grä¬
tschen Agitationen auch insofern schädlich, als sie den naturgemäßen Ge-
Ittndungsprozeß in der wirtschaftlichen Lage unsrer Gutsbesitzer stören und
t^fcihrden. Trotz der theoretischen Schwarzseherei mancher Volkswirte scheinen
^e Bedingungen, unter denen sich die heutige Agrarkrisis vollzieht, bedeutend
ÜUnstiger zu sein, als die, unter denen sich die ostdeutschen Landwirte durch
, ^ Krisis der zwanziger und dreißiger Jahre durchkämpfen mußten. Der seit
teuer Zeit bedeutend gestiegne Nationalreichtum kommt sichtlich der notleidenden
Landwirtschaft sehr zu statten, ganz abgesehen von den vielleicht fünfzigfach
)obern Summen, die der Staat aus der Steuerkraft der Gesamtheit unmittelbar
turtle Überwindung der gegenwärtigen Krisis aufgewendet hat und glücklicherweise
aufwende» konnte. Bis jetzt ist nicht annähernd ein solcher Masseuzuscunmen-
'was »im Wirtschaften auf dem Lande zu beklagen gewesen, wie er damals
wttgefunden hat. und verschiedne Anzeichen lassen hoffen, daß die Masse auch


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[0305] [Abbildung] Gerechte Urteile über den landwirtschaftlichen Notstand ührend es die preußische Regierung bisher unterlassen hat, mit der nötigen Entschiedenheit den agrarischen Agitationen und ihrem verhängnisvollen Einfluß auf die landwirtschaftlichen Grund¬ besitzer im östlichen Deutschland entgegenzutreten, hat leider der kürzlich abgehaltene uationalliberale Parteitag aufs neue dazu beigetragen, die Gefolgschaft des Herrn von Plötz in ihrem unverständigen Treiben zu bestärken. Jeder, der die große wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung des Standes der Landwirte in unserm Volksleben richtig würdigt und namentlich auch die Bedeutung der größern Grundbesitzer in den Ost¬ provinzen nicht unterschätzt, muß es tief beklagen, daß sich gerade dieser Stand durch die agrarische Bewegung, zum Teil ganz unbewußt, in eine Stellung Zum Staate hineinlebt, die mit gesund konservativer Gesinnung wie mit auf¬ richtiger Vaterlandsliebe immer unverträglicher wird. Dabei wirken die «grä¬ tschen Agitationen auch insofern schädlich, als sie den naturgemäßen Ge- Ittndungsprozeß in der wirtschaftlichen Lage unsrer Gutsbesitzer stören und t^fcihrden. Trotz der theoretischen Schwarzseherei mancher Volkswirte scheinen ^e Bedingungen, unter denen sich die heutige Agrarkrisis vollzieht, bedeutend ÜUnstiger zu sein, als die, unter denen sich die ostdeutschen Landwirte durch , ^ Krisis der zwanziger und dreißiger Jahre durchkämpfen mußten. Der seit teuer Zeit bedeutend gestiegne Nationalreichtum kommt sichtlich der notleidenden Landwirtschaft sehr zu statten, ganz abgesehen von den vielleicht fünfzigfach )obern Summen, die der Staat aus der Steuerkraft der Gesamtheit unmittelbar turtle Überwindung der gegenwärtigen Krisis aufgewendet hat und glücklicherweise aufwende» konnte. Bis jetzt ist nicht annähernd ein solcher Masseuzuscunmen- 'was »im Wirtschaften auf dem Lande zu beklagen gewesen, wie er damals wttgefunden hat. und verschiedne Anzeichen lassen hoffen, daß die Masse auch ^«nzboten IV 1896 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/305>, abgerufen am 05.01.2025.