Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Litteratur hätten wir gegen die Durchführung des Planes, wenn sie gelänge, nicht das mindeste Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunoiv in Leipzig, -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur hätten wir gegen die Durchführung des Planes, wenn sie gelänge, nicht das mindeste Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig Verlag von Fr. Will), Grunoiv in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223888"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_941" prev="#ID_940"> hätten wir gegen die Durchführung des Planes, wenn sie gelänge, nicht das mindeste<lb/> einzuwenden; wir sagen zu allen solchen Vorschlägen weiter nichts als: macht nur<lb/> die Sache, und wenn sie gelingt, so soll es uus freuen! Aber ein paar Bemer¬<lb/> kungen, die dem Unternehmen keinen Eintrag thun, wollen wir uns doch erlauben.<lb/> Zunächst die, daß der Verfasser die Preise, die seiner Ansicht nach an der Börse<lb/> willkürlich gemacht werden, doch im ganzen dem natürlichen Verhältnis von An¬<lb/> gebot und Nachfrage entsprechend finden muß, sonst würde er doch nicht den Durch¬<lb/> schnittspreis der letzten zehn Jahre als Normalpreis für die Zukunft wählen. Der<lb/> Vorwurf, der der Börse gemacht wird, beschränkt sich also darauf, daß sie die vom<lb/> wechselnden Eruteausfall erzeugten Preisschwankungen nicht verhüte oder sie wohl<lb/> gar verstärke. Nun sind aber diese Schwankungen vor der Entwicklung des heutigen<lb/> Weltverkehrs noch viel stärker gewesen, und es erscheint immerhin schon als eine<lb/> bedeutende Leistung, daß der heutige Welthandel ihr Maximum auf hundert Prozent<lb/> herabgesetzt hat. Gelingt es einer landwirtschaftlichen Organisation, den Wechsel<lb/> der Ernteergebnisse so vollkommen auszugleichen, daß die Preisschwankungen ganz<lb/> verschwinden, so wird sie etwas Großes, ja etwas Ungeheures geleistet habe»; aber<lb/> daß die beabsichtigte gewaltige Leistung ein entsprechend gewaltiges Wagnis erfordert,<lb/> das werden sich die Beteiligten hoffentlich nicht verheimlichen. Der Weg ist ja<lb/> dnrch Gründung von Getreidevcrknufs- und Silogenossenschaften schon beschritten<lb/> worden, und bei vorsichtigem Weiterschreiten könnte man mit der Zeit wohl zum<lb/> Ziele gelange». Aber mit der Erreichung dieses Zieles — das müßte den Geg¬<lb/> nern des Sozialismus doch eigentlich sehr bedenklich erscheinen — wäre ein gut<lb/> Stück Sozialismus verwirklicht; die Angehörigen von drei Berufen, die bisher auf<lb/> den Erwerb in freier Konkurrenz angewiesen waren, die Getrcidehändler, die Müller<lb/> und die Bäcker würden in besoldete Genossenschaftsbeamte umgewandelt, und die<lb/> Möglichkeit, sich dnrch Unternehmergewinn Vermögen zu erwerben, wäre ihnen ver¬<lb/> sperrt; weit mehr noch als heute schon wären also dann die „Umstürzler" zu der<lb/> Frage berechtigt: warum soll es dem und dem, warum soll es überhaupt noch<lb/> jemandem erlaubt sein, reich zu werden? Auch würden die Genossenschaften bei<lb/> weitem uicht alle die Unternehmer, die jetzt in den drei Berufszweigen thätig sind,<lb/> als Beamte brauchen. „Der Platz ist für die Menschen zu eng geworden," ruft<lb/> unser ostelbischer Konservativer, „über Bord die unnützen Fresser!" Ganz unsre<lb/> Ansicht! Nur leider sind die unnützen Fresser so zahlreich, und es giebt so ein¬<lb/> flußreiche darunter, daß sie sich Wohl wehren werden. Den kitzlichen Punkt, daß<lb/> die Ansichten über den Nutzwert der verschiednen Brot- und Kuchenesser sehr ver¬<lb/> schieden sind, wollen wir dabei noch ganz im Dunkeln lassen. Endlich aber: giebt<lb/> es denn vom agrarischen Standpunkte aus überhaupt „unnütze Fresser"? Ist nicht<lb/> für eine Klasse, der nichts in der Welt so sehr am Herzen liegt als die Hebung<lb/> der Getreidepreise, jeder Fresser ein nützlicher Mensch, bloß dadurch daß er frißt,<lb/> wobei es ganz gleichgiltig ist, was er sonst thut oder nicht thut? Es ist nur ein<lb/> altes kindliches Quartanersprüchel, aber trotzdem gnr nicht zu verachten: HuiäcMÄ<lb/> ug'is, xruclölltsr se rospieo linea.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Will), Grunoiv in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Litteratur
hätten wir gegen die Durchführung des Planes, wenn sie gelänge, nicht das mindeste
einzuwenden; wir sagen zu allen solchen Vorschlägen weiter nichts als: macht nur
die Sache, und wenn sie gelingt, so soll es uus freuen! Aber ein paar Bemer¬
kungen, die dem Unternehmen keinen Eintrag thun, wollen wir uns doch erlauben.
Zunächst die, daß der Verfasser die Preise, die seiner Ansicht nach an der Börse
willkürlich gemacht werden, doch im ganzen dem natürlichen Verhältnis von An¬
gebot und Nachfrage entsprechend finden muß, sonst würde er doch nicht den Durch¬
schnittspreis der letzten zehn Jahre als Normalpreis für die Zukunft wählen. Der
Vorwurf, der der Börse gemacht wird, beschränkt sich also darauf, daß sie die vom
wechselnden Eruteausfall erzeugten Preisschwankungen nicht verhüte oder sie wohl
gar verstärke. Nun sind aber diese Schwankungen vor der Entwicklung des heutigen
Weltverkehrs noch viel stärker gewesen, und es erscheint immerhin schon als eine
bedeutende Leistung, daß der heutige Welthandel ihr Maximum auf hundert Prozent
herabgesetzt hat. Gelingt es einer landwirtschaftlichen Organisation, den Wechsel
der Ernteergebnisse so vollkommen auszugleichen, daß die Preisschwankungen ganz
verschwinden, so wird sie etwas Großes, ja etwas Ungeheures geleistet habe»; aber
daß die beabsichtigte gewaltige Leistung ein entsprechend gewaltiges Wagnis erfordert,
das werden sich die Beteiligten hoffentlich nicht verheimlichen. Der Weg ist ja
dnrch Gründung von Getreidevcrknufs- und Silogenossenschaften schon beschritten
worden, und bei vorsichtigem Weiterschreiten könnte man mit der Zeit wohl zum
Ziele gelange». Aber mit der Erreichung dieses Zieles — das müßte den Geg¬
nern des Sozialismus doch eigentlich sehr bedenklich erscheinen — wäre ein gut
Stück Sozialismus verwirklicht; die Angehörigen von drei Berufen, die bisher auf
den Erwerb in freier Konkurrenz angewiesen waren, die Getrcidehändler, die Müller
und die Bäcker würden in besoldete Genossenschaftsbeamte umgewandelt, und die
Möglichkeit, sich dnrch Unternehmergewinn Vermögen zu erwerben, wäre ihnen ver¬
sperrt; weit mehr noch als heute schon wären also dann die „Umstürzler" zu der
Frage berechtigt: warum soll es dem und dem, warum soll es überhaupt noch
jemandem erlaubt sein, reich zu werden? Auch würden die Genossenschaften bei
weitem uicht alle die Unternehmer, die jetzt in den drei Berufszweigen thätig sind,
als Beamte brauchen. „Der Platz ist für die Menschen zu eng geworden," ruft
unser ostelbischer Konservativer, „über Bord die unnützen Fresser!" Ganz unsre
Ansicht! Nur leider sind die unnützen Fresser so zahlreich, und es giebt so ein¬
flußreiche darunter, daß sie sich Wohl wehren werden. Den kitzlichen Punkt, daß
die Ansichten über den Nutzwert der verschiednen Brot- und Kuchenesser sehr ver¬
schieden sind, wollen wir dabei noch ganz im Dunkeln lassen. Endlich aber: giebt
es denn vom agrarischen Standpunkte aus überhaupt „unnütze Fresser"? Ist nicht
für eine Klasse, der nichts in der Welt so sehr am Herzen liegt als die Hebung
der Getreidepreise, jeder Fresser ein nützlicher Mensch, bloß dadurch daß er frißt,
wobei es ganz gleichgiltig ist, was er sonst thut oder nicht thut? Es ist nur ein
altes kindliches Quartanersprüchel, aber trotzdem gnr nicht zu verachten: HuiäcMÄ
ug'is, xruclölltsr se rospieo linea.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
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