Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen herrschenden Kreisen noch christliche Gesinnung vorhanden sei. Wo die Nächsten¬ Indem wir solchergestalt die Bedeutung der christlichen Gesinnung aner¬ Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen cum sich ein geistig hochstehender Mann am Abend seines Lebens, Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen herrschenden Kreisen noch christliche Gesinnung vorhanden sei. Wo die Nächsten¬ Indem wir solchergestalt die Bedeutung der christlichen Gesinnung aner¬ Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen cum sich ein geistig hochstehender Mann am Abend seines Lebens, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0287" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223871"/> <fw type="header" place="top"> Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_902" prev="#ID_901"> herrschenden Kreisen noch christliche Gesinnung vorhanden sei. Wo die Nächsten¬<lb/> liebe von oben verpönt wird, da ist unten der Haß selbstverständlich und un¬<lb/> vermeidlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_903"> Indem wir solchergestalt die Bedeutung der christlichen Gesinnung aner¬<lb/> kennen, kommen wir zu guter letzt in der Hauptsache mit Nübling zusammen.<lb/> Er meint, die Juden zu bekämpfen, sei eigentlich nicht nötig; man möge nur<lb/> die Auswüchse des Großkapitals bekämpfen (wir würden statt dessen lieber<lb/> sagen, den Mißbrauch und den rücksichtslosen Gebrauch der Übermacht, die der<lb/> Besitz verleiht); ob es ausschließlich Juden oder auch Christen wären, die da¬<lb/> durch betroffen würden, sei gleichgiltig. Und dabei sei nun zu beachten, daß<lb/> die Wucherfragc vor allein eine sittliche Frage sei. Wenn die maßgebende Ge¬<lb/> sellschaft erst soweit versittlicht wäre, daß sie jedem, an dem der Makel un¬<lb/> anständiger Gesinnung und unanständigen Gewinns haftet, das eonuudium, und<lb/> das ooinllnzreiuin versagte, so würde sich auch das Volk wieder sittlich erheben<lb/> und der Wucher bald verschwinden. Alles vollkommen richtig! Nur fügen<lb/> wir hinzu: da eine durchaus anstündige, wahrhaft vornehme Gesinnung, wie<lb/> sie das Neue Testament fordert, nach der Erfahrung von zwei Jahrtausenden<lb/> leider immer nur ein Vorzug weniger bleibt, so darf man sich auf sie allein<lb/> nicht verlassen; es muß die Beseitigung von Zuständen angestrebt werden, die<lb/> den Nährboden für den Wucher und für andre Arten von Ausbeutung der<lb/> Arbeit abgeben. Welches diese Zustände sind, ist in den Grenzboten oft gesagt<lb/> und auch in diesem Aufsatze wieder mehrfach angedeutet worden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen</head><lb/> <p xml:id="ID_904" next="#ID_905"> cum sich ein geistig hochstehender Mann am Abend seines Lebens,<lb/> eines reichen, thätigen, bedeutenden Lebens, in Rückblick und<lb/> Umschau die Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen von siebzig<lb/> Jahren zurückruft und seine persönlichen Erinnerungen an den<lb/> öffentlichen Zuständen messend, zu der Überzeugung gelangt, daß<lb/> hin? Lebenslauf für andre wichtig und wirksam werden könne, so fordert er<lb/> damit nicht nur die lebendige Teilnahme, die jedem ernst geführten, treu und<lb/> wahr geschilderten Menschendasein zukommt, sondern auch die sorgfältigste<lb/> Prüfung, was sein Streben und Wirken in der Vergangenheit bedeutet habe<lb/> und für die Zukunft bedeuten kann und soll. Die Selbstbiographie des Hallischen<lb/> Theologen Willibald Beyschlag, die unter dem Titel: Aus meinem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0287]
Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen
herrschenden Kreisen noch christliche Gesinnung vorhanden sei. Wo die Nächsten¬
liebe von oben verpönt wird, da ist unten der Haß selbstverständlich und un¬
vermeidlich.
Indem wir solchergestalt die Bedeutung der christlichen Gesinnung aner¬
kennen, kommen wir zu guter letzt in der Hauptsache mit Nübling zusammen.
Er meint, die Juden zu bekämpfen, sei eigentlich nicht nötig; man möge nur
die Auswüchse des Großkapitals bekämpfen (wir würden statt dessen lieber
sagen, den Mißbrauch und den rücksichtslosen Gebrauch der Übermacht, die der
Besitz verleiht); ob es ausschließlich Juden oder auch Christen wären, die da¬
durch betroffen würden, sei gleichgiltig. Und dabei sei nun zu beachten, daß
die Wucherfragc vor allein eine sittliche Frage sei. Wenn die maßgebende Ge¬
sellschaft erst soweit versittlicht wäre, daß sie jedem, an dem der Makel un¬
anständiger Gesinnung und unanständigen Gewinns haftet, das eonuudium, und
das ooinllnzreiuin versagte, so würde sich auch das Volk wieder sittlich erheben
und der Wucher bald verschwinden. Alles vollkommen richtig! Nur fügen
wir hinzu: da eine durchaus anstündige, wahrhaft vornehme Gesinnung, wie
sie das Neue Testament fordert, nach der Erfahrung von zwei Jahrtausenden
leider immer nur ein Vorzug weniger bleibt, so darf man sich auf sie allein
nicht verlassen; es muß die Beseitigung von Zuständen angestrebt werden, die
den Nährboden für den Wucher und für andre Arten von Ausbeutung der
Arbeit abgeben. Welches diese Zustände sind, ist in den Grenzboten oft gesagt
und auch in diesem Aufsatze wieder mehrfach angedeutet worden.
Willibald Beyschlags Lebenserinnerungen
cum sich ein geistig hochstehender Mann am Abend seines Lebens,
eines reichen, thätigen, bedeutenden Lebens, in Rückblick und
Umschau die Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen von siebzig
Jahren zurückruft und seine persönlichen Erinnerungen an den
öffentlichen Zuständen messend, zu der Überzeugung gelangt, daß
hin? Lebenslauf für andre wichtig und wirksam werden könne, so fordert er
damit nicht nur die lebendige Teilnahme, die jedem ernst geführten, treu und
wahr geschilderten Menschendasein zukommt, sondern auch die sorgfältigste
Prüfung, was sein Streben und Wirken in der Vergangenheit bedeutet habe
und für die Zukunft bedeuten kann und soll. Die Selbstbiographie des Hallischen
Theologen Willibald Beyschlag, die unter dem Titel: Aus meinem
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