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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Konsumvereine

cum einer viel geschmäht wird, so versteht es sich eigentlich von
selbst, daß auch viel von ihm gesprochen wird, und man sollte
glauben, daß man dann auch von Freund und Feind, durch
Anklage wie durch Verteidigung, ein so vielseitiges Bild des
Geschmähten erhielte, daß man ihn genau kennte und wenn man
wollte, ein Urteil über ihn fällen könnte.

Das ist aber bei den vielgeschmühten Konsumvereinen nicht der Fall.
Weder Freund noch Feind ist gewöhnlich über die Konsumvereine wirklich
unterrichtet, obwohl sie in der Presse, in Versammlungen und Kongressen, im
Reichstag und in Landtagen in den letzten Jahren ein immer wiederkehrender
Gegenstand der Besprechung gewesen sind.

Die Angreifer sind meist Interessenten (oder deren Vertreter), die sich
durch die Konsumvereine geschädigt fühlen, benachteiligt wähnen, einen be¬
günstigten Nebenbuhler in ihnen sehen. Es sind Händler, besonders Kolonial¬
warenhändler und Händler mit Lebensbedürfnissen, aber auch vereinzelt In¬
haber von Schundwaren-, Kurzwaren-, Cigarren- und Branntweinhandlungen
^ud Handwerker, in manchen Städten die Bäcker und Fleischer, in andern
auch solche Handwerker, die eigentlich mehr Händler sind und solche Fabrik-
^'Mgmsse vertreiben, wie es auch zuweilen die Konsumvereine thun, die fertige
Neider, Schuhe, Sattlerwaren usw. für ihre Mitglieder auf Lager halten.

Höchst sonderbar erscheint es nun schon, daß uuter den Feinden der
^nsumvereiue Anhänger desselben Prinzips sind, das ihnen zu Grunde liegt,
sogar für dasselbe Prinzip streiten, das sie an andrer Stelle verurteilen,
^o es ihnen schadet oder ihren Freunden vermeintlich oder wirklich Nachteile
bringt. Es sind das zunächst Kaufleute und Handwerker, die selbst Einkaufs-
bcreinen angehören oder solche sogar ins Leben gerufen haben, um sich vom
"Wischenhandel unabhängig zu machen, um durch billigern gemeinsamen Ein-
^uf im Großen leistungsfähiger zu werden oder mehr Gewinn zu erzielen,
w wünschen den Schutz der Gesetzgebung für sich in vollem Maße und mög-
ichste Steuerfreiheit für ihre Vereinigungen; wenn aber der Konsument die¬
selben Grundsätze, nach denen sie handeln, für sich in einem Konsumvereine
"^"utzen will, dann ist es ein Unrecht, dem gesteuert werden muß, dem durch
besetze die Wege verlegt werden müssen.


Grenzbaten IV 1896


Die Konsumvereine

cum einer viel geschmäht wird, so versteht es sich eigentlich von
selbst, daß auch viel von ihm gesprochen wird, und man sollte
glauben, daß man dann auch von Freund und Feind, durch
Anklage wie durch Verteidigung, ein so vielseitiges Bild des
Geschmähten erhielte, daß man ihn genau kennte und wenn man
wollte, ein Urteil über ihn fällen könnte.

Das ist aber bei den vielgeschmühten Konsumvereinen nicht der Fall.
Weder Freund noch Feind ist gewöhnlich über die Konsumvereine wirklich
unterrichtet, obwohl sie in der Presse, in Versammlungen und Kongressen, im
Reichstag und in Landtagen in den letzten Jahren ein immer wiederkehrender
Gegenstand der Besprechung gewesen sind.

Die Angreifer sind meist Interessenten (oder deren Vertreter), die sich
durch die Konsumvereine geschädigt fühlen, benachteiligt wähnen, einen be¬
günstigten Nebenbuhler in ihnen sehen. Es sind Händler, besonders Kolonial¬
warenhändler und Händler mit Lebensbedürfnissen, aber auch vereinzelt In¬
haber von Schundwaren-, Kurzwaren-, Cigarren- und Branntweinhandlungen
^ud Handwerker, in manchen Städten die Bäcker und Fleischer, in andern
auch solche Handwerker, die eigentlich mehr Händler sind und solche Fabrik-
^'Mgmsse vertreiben, wie es auch zuweilen die Konsumvereine thun, die fertige
Neider, Schuhe, Sattlerwaren usw. für ihre Mitglieder auf Lager halten.

Höchst sonderbar erscheint es nun schon, daß uuter den Feinden der
^nsumvereiue Anhänger desselben Prinzips sind, das ihnen zu Grunde liegt,
sogar für dasselbe Prinzip streiten, das sie an andrer Stelle verurteilen,
^o es ihnen schadet oder ihren Freunden vermeintlich oder wirklich Nachteile
bringt. Es sind das zunächst Kaufleute und Handwerker, die selbst Einkaufs-
bcreinen angehören oder solche sogar ins Leben gerufen haben, um sich vom
«Wischenhandel unabhängig zu machen, um durch billigern gemeinsamen Ein-
^uf im Großen leistungsfähiger zu werden oder mehr Gewinn zu erzielen,
w wünschen den Schutz der Gesetzgebung für sich in vollem Maße und mög-
ichste Steuerfreiheit für ihre Vereinigungen; wenn aber der Konsument die¬
selben Grundsätze, nach denen sie handeln, für sich in einem Konsumvereine
"^"utzen will, dann ist es ein Unrecht, dem gesteuert werden muß, dem durch
besetze die Wege verlegt werden müssen.


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[0273] [Abbildung] Die Konsumvereine cum einer viel geschmäht wird, so versteht es sich eigentlich von selbst, daß auch viel von ihm gesprochen wird, und man sollte glauben, daß man dann auch von Freund und Feind, durch Anklage wie durch Verteidigung, ein so vielseitiges Bild des Geschmähten erhielte, daß man ihn genau kennte und wenn man wollte, ein Urteil über ihn fällen könnte. Das ist aber bei den vielgeschmühten Konsumvereinen nicht der Fall. Weder Freund noch Feind ist gewöhnlich über die Konsumvereine wirklich unterrichtet, obwohl sie in der Presse, in Versammlungen und Kongressen, im Reichstag und in Landtagen in den letzten Jahren ein immer wiederkehrender Gegenstand der Besprechung gewesen sind. Die Angreifer sind meist Interessenten (oder deren Vertreter), die sich durch die Konsumvereine geschädigt fühlen, benachteiligt wähnen, einen be¬ günstigten Nebenbuhler in ihnen sehen. Es sind Händler, besonders Kolonial¬ warenhändler und Händler mit Lebensbedürfnissen, aber auch vereinzelt In¬ haber von Schundwaren-, Kurzwaren-, Cigarren- und Branntweinhandlungen ^ud Handwerker, in manchen Städten die Bäcker und Fleischer, in andern auch solche Handwerker, die eigentlich mehr Händler sind und solche Fabrik- ^'Mgmsse vertreiben, wie es auch zuweilen die Konsumvereine thun, die fertige Neider, Schuhe, Sattlerwaren usw. für ihre Mitglieder auf Lager halten. Höchst sonderbar erscheint es nun schon, daß uuter den Feinden der ^nsumvereiue Anhänger desselben Prinzips sind, das ihnen zu Grunde liegt, sogar für dasselbe Prinzip streiten, das sie an andrer Stelle verurteilen, ^o es ihnen schadet oder ihren Freunden vermeintlich oder wirklich Nachteile bringt. Es sind das zunächst Kaufleute und Handwerker, die selbst Einkaufs- bcreinen angehören oder solche sogar ins Leben gerufen haben, um sich vom «Wischenhandel unabhängig zu machen, um durch billigern gemeinsamen Ein- ^uf im Großen leistungsfähiger zu werden oder mehr Gewinn zu erzielen, w wünschen den Schutz der Gesetzgebung für sich in vollem Maße und mög- ichste Steuerfreiheit für ihre Vereinigungen; wenn aber der Konsument die¬ selben Grundsätze, nach denen sie handeln, für sich in einem Konsumvereine "^"utzen will, dann ist es ein Unrecht, dem gesteuert werden muß, dem durch besetze die Wege verlegt werden müssen. Grenzbaten IV 1896

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/273>, abgerufen am 05.01.2025.