Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Andre Gegner finden wir in den Kreisen, die warm eintreten für die Freunde und Verteidiger der Konsumvereine müßten nun eigentlich alle Der Konsument läßt sich den Aufschlag auf alles mögliche still gefallen, Die Feindseligkeit gegen die Konsumvereine ist so alt wie die Vereine Andre Gegner finden wir in den Kreisen, die warm eintreten für die Freunde und Verteidiger der Konsumvereine müßten nun eigentlich alle Der Konsument läßt sich den Aufschlag auf alles mögliche still gefallen, Die Feindseligkeit gegen die Konsumvereine ist so alt wie die Vereine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223858"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_863"> Andre Gegner finden wir in den Kreisen, die warm eintreten für die<lb/> ländlichen und landwirtschaftlichen Vereinigungen, sich mit dem Einkauf und<lb/> dem Vertrieb von Bedürfnissen für den Landwirt befassen und ihn besser und<lb/> billiger bedienen und bedienen wollen, als es bisher die Händler gethan haben,<lb/> die Düngemittel, Saatgut, Maschinen und Geräte für den Landwirt anschaffen,<lb/> prüfen lassen und verkaufen. Inwiefern aber und weshalb der Landwirt<lb/> und die erwähnten Waren einen Vorzug verdienen, und weshalb dem Händler<lb/> bei diesen Waren ein Abbruch geschehen darf, ohne daß es eine Schädigung<lb/> des Mittelstandes bedeutet, während der Hausvater im allgemeinen und der<lb/> Vertrieb der Haushaltungsbedürfnisse keinen Schutz, sondern nur Beschränkungen<lb/> erfahren sollen, hat sich wohl noch keiner jener widerspruchsvollen Konsum¬<lb/> vereinsgegner klar gemacht. Ausgesprochen hat sich wenigstens noch niemand<lb/> so, daß man es vermuten könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_864"> Freunde und Verteidiger der Konsumvereine müßten nun eigentlich alle<lb/> Konsumenten sein. Der Konsumverein und sein Schutz ist im Grunde eine<lb/> Sache aller, denn Konsumenten sind wir ja alle und können als solche sehr<lb/> wohl in die Lage kommen, solcher Einrichtungen zu bedürfen, wie sie die<lb/> Konsumvereine bilden. Ist es doch auch schon beobachtet worden, daß Kolonial-<lb/> warenhändler, die sich zur Ruhe setzten, sofort Mitglieder von Konsumvereinen<lb/> wurden, während sie früher zu ihren scharfen Gegnern gehörten. Dennoch ist<lb/> der Konsument ein schlechter Verteidiger. Wenn sich nicht der Konsumvereine<lb/> andre Beschützer angenommen hätten, die wenig oder kein Interesse an dem<lb/> unmittelbaren Vorteil der Vereine hatten, es stünde schlecht um sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_865"> Der Konsument läßt sich den Aufschlag auf alles mögliche still gefallen,<lb/> läßt sich Brot und Fleisch verteuern, läßt sich den Preis von Petroleum und<lb/> Zucker bedeutend erhöhen, schweigt zu allem. Höchstens dann regt er sich<lb/> einmal, wenn ihm sein Glas Bier von 10 Pfennigen auf 12 Pfennige, von<lb/> 12 Pfennigen auf 14 Pfennige gebracht werden soll, oder wenn ein Gesetz<lb/> droht, nach dessen Erlaß er seine 5-Pfennigeigarre mit 6 Pfennigen bezahlen<lb/> müßte. Noch weit mehr Vorwürfe verdienen freilich die Mitglieder eines<lb/> Konsumvereins, die alle Stürme über ihre» Lebensmittellieferanten hereinbrechen<lb/> lassen, ohne für ihn einzutreten. Selbst sie sind meist ganz unzureichend<lb/> unterrichtet und deshalb nicht imstande, die unberechtigten oder übertriebnen<lb/> Vorwürfe, die man den Konsumvereinen macht, zurückzuweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_866" next="#ID_867"> Die Feindseligkeit gegen die Konsumvereine ist so alt wie die Vereine<lb/> selbst. Gleichviel ob ein Konsumverein entstand, weil mau zu hohe Preise, zu<lb/> hohen Gewinn an die Kaufleute und Händler zahlen mußte, weil entweder ein<lb/> Ring oder der Einfluß und die Macht einzelner Großen gegen die Kleinen alle<lb/> Geschäfte in Fesseln legte, sodaß von Preisbildung durch Konkurrenz keine<lb/> Rede mehr war, oder ob er im wirtschaftlichen und sittlichen Interesse der<lb/> Wenigbemittelten, der Arbeiter entstand, denen man das Borgen abgewöhnen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
Andre Gegner finden wir in den Kreisen, die warm eintreten für die
ländlichen und landwirtschaftlichen Vereinigungen, sich mit dem Einkauf und
dem Vertrieb von Bedürfnissen für den Landwirt befassen und ihn besser und
billiger bedienen und bedienen wollen, als es bisher die Händler gethan haben,
die Düngemittel, Saatgut, Maschinen und Geräte für den Landwirt anschaffen,
prüfen lassen und verkaufen. Inwiefern aber und weshalb der Landwirt
und die erwähnten Waren einen Vorzug verdienen, und weshalb dem Händler
bei diesen Waren ein Abbruch geschehen darf, ohne daß es eine Schädigung
des Mittelstandes bedeutet, während der Hausvater im allgemeinen und der
Vertrieb der Haushaltungsbedürfnisse keinen Schutz, sondern nur Beschränkungen
erfahren sollen, hat sich wohl noch keiner jener widerspruchsvollen Konsum¬
vereinsgegner klar gemacht. Ausgesprochen hat sich wenigstens noch niemand
so, daß man es vermuten könnte.
Freunde und Verteidiger der Konsumvereine müßten nun eigentlich alle
Konsumenten sein. Der Konsumverein und sein Schutz ist im Grunde eine
Sache aller, denn Konsumenten sind wir ja alle und können als solche sehr
wohl in die Lage kommen, solcher Einrichtungen zu bedürfen, wie sie die
Konsumvereine bilden. Ist es doch auch schon beobachtet worden, daß Kolonial-
warenhändler, die sich zur Ruhe setzten, sofort Mitglieder von Konsumvereinen
wurden, während sie früher zu ihren scharfen Gegnern gehörten. Dennoch ist
der Konsument ein schlechter Verteidiger. Wenn sich nicht der Konsumvereine
andre Beschützer angenommen hätten, die wenig oder kein Interesse an dem
unmittelbaren Vorteil der Vereine hatten, es stünde schlecht um sie.
Der Konsument läßt sich den Aufschlag auf alles mögliche still gefallen,
läßt sich Brot und Fleisch verteuern, läßt sich den Preis von Petroleum und
Zucker bedeutend erhöhen, schweigt zu allem. Höchstens dann regt er sich
einmal, wenn ihm sein Glas Bier von 10 Pfennigen auf 12 Pfennige, von
12 Pfennigen auf 14 Pfennige gebracht werden soll, oder wenn ein Gesetz
droht, nach dessen Erlaß er seine 5-Pfennigeigarre mit 6 Pfennigen bezahlen
müßte. Noch weit mehr Vorwürfe verdienen freilich die Mitglieder eines
Konsumvereins, die alle Stürme über ihre» Lebensmittellieferanten hereinbrechen
lassen, ohne für ihn einzutreten. Selbst sie sind meist ganz unzureichend
unterrichtet und deshalb nicht imstande, die unberechtigten oder übertriebnen
Vorwürfe, die man den Konsumvereinen macht, zurückzuweisen.
Die Feindseligkeit gegen die Konsumvereine ist so alt wie die Vereine
selbst. Gleichviel ob ein Konsumverein entstand, weil mau zu hohe Preise, zu
hohen Gewinn an die Kaufleute und Händler zahlen mußte, weil entweder ein
Ring oder der Einfluß und die Macht einzelner Großen gegen die Kleinen alle
Geschäfte in Fesseln legte, sodaß von Preisbildung durch Konkurrenz keine
Rede mehr war, oder ob er im wirtschaftlichen und sittlichen Interesse der
Wenigbemittelten, der Arbeiter entstand, denen man das Borgen abgewöhnen,
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