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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Eröffnung des Donaukanals

seines Vaterlandes geschädigt. Daß diese letzte Beschuldigung grundlos ist,
glauben wir soeben bewiesen zu haben, und dann hat diese Enthüllung eines
"Staatsgeheimnisses," nämlich eines Vertrages, der seit sechs Jahren nicht
mehr in Kraft steht, thatsächlich nicht viel auf sich; daß es eine Indiskretion
war, läßt sich nicht leugnen. Nur wird Fürst Bismarck fordern dürfe", daß
man ihm nicht niedrige Beweggründe, am allerwenigsten persönliche, zutraue,
sondern daß man ohne weiteres annehme, er habe eben jetzt die allerdringendste
Veranlassung dazu gehabt, das Wagnis einer solchen Indiskretion auf sich zu
nehmen, um des Vaterlandes willen. Welches diese Veranlassung gewesen ist,
darüber sind fernerstehenden nur Vermutungen möglich. Hat er der Reichs-
rcgiernng mit zwingenden Beweisen vor aller Welt klar machen wollen: ihr
selbst tragt die Hauptschuld an der verhängnisvollen Entfremdung zwischen
Deutschland und Rußland; jetzt seid ihr endlich auf dem richtigen Wege, beharrt
dabei? Glaubt er eine neue Wendung nach England hin fürchten zu müssen,
obwohl sie dem, was wir von den jetzigen Anschauungen des Kaisers mit ziemlicher
Bestimmtheit zu wissen glauben, durchaus widerspreche" würde? Oder zweifelt
er an der Festigkeit des Dreibundes in Bezug auf Italien (denn von Öster¬
reich kann gar keine Rede sein)? Wir wollen gewiß die Vertragstreue Italiens
nicht im mindesten in Zweifel ziehen, aber die Verhältnisse sind oft stärker
als die Menschen. Eine gewisse Annäherung an Frankreich verrät schon der
tunesische Vertrag, zu Rußland hat die Vermählung des Kronprinzen mit
Helene von Montenegro wenigstens mittelbare Beziehungen angebahnt, und
Italien hat vielleicht nur vou Rußlands Vermittlung die Befreiung seiner
befangnen in Abessynieu zu erwarten. Unter Umständen könnte also der Drei¬
bund für uns gegenüber Frankreich seinen Wert verlieren. Das sind alles Ver¬
mutungen, aber über allen Zweifel erhaben ist es für uns, daß Fürst Bismrck
jetzt wie immer im Interesse Deutschlands gehandelt hat.




Die Eröffnung des Donaukanals

üblich sind die Fesseln gesprengt, die den Schiffsverkehr auf der
untern Donau so außerordentlich hemmten! Schon die Römer
versuchten die Felsenbänke des Eisernen Thores zu beseitigen
und Ister und Danubins zu vereinen, aber der Meißel und die
^ Hacke versagten an den harten Porphyrmassen. Erst unsrer Zeit
es gelungen, durch ihre vielseitigen technischen Hilfsmittel die Sperre zu
^'tfernen und das Donanbett für alle Jahreszeiten fahrbar zu machen.


Die Eröffnung des Donaukanals

seines Vaterlandes geschädigt. Daß diese letzte Beschuldigung grundlos ist,
glauben wir soeben bewiesen zu haben, und dann hat diese Enthüllung eines
„Staatsgeheimnisses," nämlich eines Vertrages, der seit sechs Jahren nicht
mehr in Kraft steht, thatsächlich nicht viel auf sich; daß es eine Indiskretion
war, läßt sich nicht leugnen. Nur wird Fürst Bismarck fordern dürfe», daß
man ihm nicht niedrige Beweggründe, am allerwenigsten persönliche, zutraue,
sondern daß man ohne weiteres annehme, er habe eben jetzt die allerdringendste
Veranlassung dazu gehabt, das Wagnis einer solchen Indiskretion auf sich zu
nehmen, um des Vaterlandes willen. Welches diese Veranlassung gewesen ist,
darüber sind fernerstehenden nur Vermutungen möglich. Hat er der Reichs-
rcgiernng mit zwingenden Beweisen vor aller Welt klar machen wollen: ihr
selbst tragt die Hauptschuld an der verhängnisvollen Entfremdung zwischen
Deutschland und Rußland; jetzt seid ihr endlich auf dem richtigen Wege, beharrt
dabei? Glaubt er eine neue Wendung nach England hin fürchten zu müssen,
obwohl sie dem, was wir von den jetzigen Anschauungen des Kaisers mit ziemlicher
Bestimmtheit zu wissen glauben, durchaus widerspreche» würde? Oder zweifelt
er an der Festigkeit des Dreibundes in Bezug auf Italien (denn von Öster¬
reich kann gar keine Rede sein)? Wir wollen gewiß die Vertragstreue Italiens
nicht im mindesten in Zweifel ziehen, aber die Verhältnisse sind oft stärker
als die Menschen. Eine gewisse Annäherung an Frankreich verrät schon der
tunesische Vertrag, zu Rußland hat die Vermählung des Kronprinzen mit
Helene von Montenegro wenigstens mittelbare Beziehungen angebahnt, und
Italien hat vielleicht nur vou Rußlands Vermittlung die Befreiung seiner
befangnen in Abessynieu zu erwarten. Unter Umständen könnte also der Drei¬
bund für uns gegenüber Frankreich seinen Wert verlieren. Das sind alles Ver¬
mutungen, aber über allen Zweifel erhaben ist es für uns, daß Fürst Bismrck
jetzt wie immer im Interesse Deutschlands gehandelt hat.




Die Eröffnung des Donaukanals

üblich sind die Fesseln gesprengt, die den Schiffsverkehr auf der
untern Donau so außerordentlich hemmten! Schon die Römer
versuchten die Felsenbänke des Eisernen Thores zu beseitigen
und Ister und Danubins zu vereinen, aber der Meißel und die
^ Hacke versagten an den harten Porphyrmassen. Erst unsrer Zeit
es gelungen, durch ihre vielseitigen technischen Hilfsmittel die Sperre zu
^'tfernen und das Donanbett für alle Jahreszeiten fahrbar zu machen.


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[0261] Die Eröffnung des Donaukanals seines Vaterlandes geschädigt. Daß diese letzte Beschuldigung grundlos ist, glauben wir soeben bewiesen zu haben, und dann hat diese Enthüllung eines „Staatsgeheimnisses," nämlich eines Vertrages, der seit sechs Jahren nicht mehr in Kraft steht, thatsächlich nicht viel auf sich; daß es eine Indiskretion war, läßt sich nicht leugnen. Nur wird Fürst Bismarck fordern dürfe», daß man ihm nicht niedrige Beweggründe, am allerwenigsten persönliche, zutraue, sondern daß man ohne weiteres annehme, er habe eben jetzt die allerdringendste Veranlassung dazu gehabt, das Wagnis einer solchen Indiskretion auf sich zu nehmen, um des Vaterlandes willen. Welches diese Veranlassung gewesen ist, darüber sind fernerstehenden nur Vermutungen möglich. Hat er der Reichs- rcgiernng mit zwingenden Beweisen vor aller Welt klar machen wollen: ihr selbst tragt die Hauptschuld an der verhängnisvollen Entfremdung zwischen Deutschland und Rußland; jetzt seid ihr endlich auf dem richtigen Wege, beharrt dabei? Glaubt er eine neue Wendung nach England hin fürchten zu müssen, obwohl sie dem, was wir von den jetzigen Anschauungen des Kaisers mit ziemlicher Bestimmtheit zu wissen glauben, durchaus widerspreche» würde? Oder zweifelt er an der Festigkeit des Dreibundes in Bezug auf Italien (denn von Öster¬ reich kann gar keine Rede sein)? Wir wollen gewiß die Vertragstreue Italiens nicht im mindesten in Zweifel ziehen, aber die Verhältnisse sind oft stärker als die Menschen. Eine gewisse Annäherung an Frankreich verrät schon der tunesische Vertrag, zu Rußland hat die Vermählung des Kronprinzen mit Helene von Montenegro wenigstens mittelbare Beziehungen angebahnt, und Italien hat vielleicht nur vou Rußlands Vermittlung die Befreiung seiner befangnen in Abessynieu zu erwarten. Unter Umständen könnte also der Drei¬ bund für uns gegenüber Frankreich seinen Wert verlieren. Das sind alles Ver¬ mutungen, aber über allen Zweifel erhaben ist es für uns, daß Fürst Bismrck jetzt wie immer im Interesse Deutschlands gehandelt hat. Die Eröffnung des Donaukanals üblich sind die Fesseln gesprengt, die den Schiffsverkehr auf der untern Donau so außerordentlich hemmten! Schon die Römer versuchten die Felsenbänke des Eisernen Thores zu beseitigen und Ister und Danubins zu vereinen, aber der Meißel und die ^ Hacke versagten an den harten Porphyrmassen. Erst unsrer Zeit es gelungen, durch ihre vielseitigen technischen Hilfsmittel die Sperre zu ^'tfernen und das Donanbett für alle Jahreszeiten fahrbar zu machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/261>, abgerufen am 05.01.2025.