Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Lritz Anders Von Neue Folge 5. Wie sich einer zwischen zwei Stuhle setzte annuel Kraut und sein Pastor, der Pfarrer Schlehmil zu Gro߬ Das war nun nichts besondres; brachte doch jedes Jahr eine solche Aufgabe, Beim Dunkelwerden kamen Samuel Kraut und der Pastor in Großweizendorf Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Lritz Anders Von Neue Folge 5. Wie sich einer zwischen zwei Stuhle setzte annuel Kraut und sein Pastor, der Pfarrer Schlehmil zu Gro߬ Das war nun nichts besondres; brachte doch jedes Jahr eine solche Aufgabe, Beim Dunkelwerden kamen Samuel Kraut und der Pastor in Großweizendorf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223820"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_223583/figures/grenzboten_341863_223583_223820_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben<lb/><note type="byline"> Lritz Anders</note> Von<lb/> Neue Folge<lb/> 5. Wie sich einer zwischen zwei Stuhle setzte</head><lb/> <p xml:id="ID_684"> annuel Kraut und sein Pastor, der Pfarrer Schlehmil zu Gro߬<lb/> weizendorf, fuhren mit einander aus der Stadt zurück. Samuel<lb/> Kraut hatte an Friedheim und Kompagnie Hammel verkauft, und der<lb/> Herr Pastor kam aus einer Pastoralkonferenz. Kraut brachte die<lb/> Tasche voll Geld heim, und Pastor Schlehmil nußer einem heißen<lb/> Kopf und kalten Füßen eine neue Pastorale Aufgabe.</p><lb/> <p xml:id="ID_685"> Das war nun nichts besondres; brachte doch jedes Jahr eine solche Aufgabe,<lb/> die gründlich erörtert und in Thesen „festgelegt" wurde, worauf alles mehr oder<lb/> weniger beim alten blieb. Aber diesmal war die neue Aufgabe mit dringenderen An¬<lb/> spruch auf Beachtung gestellt worden. Bruder Nadecke aus Ladegast hatte gewaltig<lb/> geredet und tiefen Eindruck gemacht. Es hatte sich um die Frage gehandelt, wie<lb/> dem Eindringen der Sozialdcmvt'ratie auf dem Lande zu steuern sei. Bruder<lb/> Nadecke hatte die Trägen nnfgerüttelt, die Schlafenden geweckt und alle an die heilige<lb/> Pflicht gemahnt, ihre Herden mit Aufbietung aller Kraft vor dem Einbrüche der<lb/> Wölfe zu schützen. Da der Sozialismus seiue Kraft in der Organisation habe,<lb/> fo müsse mau sich ebeu auch organisiren. Man müsse Vereine gründen, mau<lb/> müsse die wohlgesinnten Arbeiter gegen die sozialistischen aufbieten, man müsse<lb/> agitiren und konspiriren, mau müsse klug sein wie die Schlangen, doch ohne Falsch<lb/> wie die Tauben. Bruder Radecke hatte auch allgemeine Zustimmung gefunden,<lb/> wenn auch einzelne der Meinung waren, daß die Frage nicht so brennend sei,<lb/> wie angenommen wurde. Zu diesen einzelnen gehörte auch Pastor Schlehmil, der<lb/> seiner Gemeinde sicher zu sein glaubte und von Sozialismus in ihr noch nie etwas<lb/> gespürt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_686" next="#ID_687"> Beim Dunkelwerden kamen Samuel Kraut und der Pastor in Großweizendorf<lb/> an. Gleich am Eingange des Dorfes steht der neue Gasthof. Hier hielt ein<lb/> Omnibus; eine Menge Menschen, besonders Weiber und Kinder, waren zusammen¬<lb/> gelaufen. Eben beförderte man eine halbe Mandel junger Kerle unter großem<lb/> Hallo auf die Straße. An den breiten Schlapphüten und den Ballonmützen, die sie<lb/> trugen, und an einem gewissen frechen Benehmen waren sie leicht zu erkennen: es<lb/> waren wirklich Sozialdemokraten, und zwar „zielbewußte," die eben eine Agitations¬<lb/> reise durch die Dörfer beendet und dabei mehr getrunken hatten, als sie vertragen<lb/> konnten. Im neuen Gasthof mußte natürlich noch einmal eingekehrt werden. Als<lb/> sie aber hier Lärm angefangen und ans Bismarck und das Heer geschimpft hatten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
[Abbildung]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
Lritz Anders Von
Neue Folge
5. Wie sich einer zwischen zwei Stuhle setzte
annuel Kraut und sein Pastor, der Pfarrer Schlehmil zu Gro߬
weizendorf, fuhren mit einander aus der Stadt zurück. Samuel
Kraut hatte an Friedheim und Kompagnie Hammel verkauft, und der
Herr Pastor kam aus einer Pastoralkonferenz. Kraut brachte die
Tasche voll Geld heim, und Pastor Schlehmil nußer einem heißen
Kopf und kalten Füßen eine neue Pastorale Aufgabe.
Das war nun nichts besondres; brachte doch jedes Jahr eine solche Aufgabe,
die gründlich erörtert und in Thesen „festgelegt" wurde, worauf alles mehr oder
weniger beim alten blieb. Aber diesmal war die neue Aufgabe mit dringenderen An¬
spruch auf Beachtung gestellt worden. Bruder Nadecke aus Ladegast hatte gewaltig
geredet und tiefen Eindruck gemacht. Es hatte sich um die Frage gehandelt, wie
dem Eindringen der Sozialdcmvt'ratie auf dem Lande zu steuern sei. Bruder
Nadecke hatte die Trägen nnfgerüttelt, die Schlafenden geweckt und alle an die heilige
Pflicht gemahnt, ihre Herden mit Aufbietung aller Kraft vor dem Einbrüche der
Wölfe zu schützen. Da der Sozialismus seiue Kraft in der Organisation habe,
fo müsse mau sich ebeu auch organisiren. Man müsse Vereine gründen, mau
müsse die wohlgesinnten Arbeiter gegen die sozialistischen aufbieten, man müsse
agitiren und konspiriren, mau müsse klug sein wie die Schlangen, doch ohne Falsch
wie die Tauben. Bruder Radecke hatte auch allgemeine Zustimmung gefunden,
wenn auch einzelne der Meinung waren, daß die Frage nicht so brennend sei,
wie angenommen wurde. Zu diesen einzelnen gehörte auch Pastor Schlehmil, der
seiner Gemeinde sicher zu sein glaubte und von Sozialismus in ihr noch nie etwas
gespürt hatte.
Beim Dunkelwerden kamen Samuel Kraut und der Pastor in Großweizendorf
an. Gleich am Eingange des Dorfes steht der neue Gasthof. Hier hielt ein
Omnibus; eine Menge Menschen, besonders Weiber und Kinder, waren zusammen¬
gelaufen. Eben beförderte man eine halbe Mandel junger Kerle unter großem
Hallo auf die Straße. An den breiten Schlapphüten und den Ballonmützen, die sie
trugen, und an einem gewissen frechen Benehmen waren sie leicht zu erkennen: es
waren wirklich Sozialdemokraten, und zwar „zielbewußte," die eben eine Agitations¬
reise durch die Dörfer beendet und dabei mehr getrunken hatten, als sie vertragen
konnten. Im neuen Gasthof mußte natürlich noch einmal eingekehrt werden. Als
sie aber hier Lärm angefangen und ans Bismarck und das Heer geschimpft hatten,
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