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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze

Erstens sind es keineswegs immer die edelsten Eigenschaften, die zum Siege
verhelfen, und daher ist es oft Pflicht, dem Sieger die Beute wieder zu ent¬
reißen. Zweitens büßen die durch edle Eigenschaften und gemeinnützige
Leistungen emporgekommnen die Vorzüge, die sie zur Herrschaft berechtigen,
regelmäßig ein, wenn sie sich eine Zeit lang im Besitz der Macht befinden, wes¬
halb es notwendig ist, daß ihnen das Volk die Macht streitig mache, um ent¬
weder die Aristokratie zur Erneuerung aus sich selbst heraus zu zwingen oder
ihr von unten frisches Blut zuzuführen. Drittens legen die Herrschenden
-- und in diesem Sinne gehört sogar auch die englische Arbeiteraristokratie zu
den Herrschenden -- in so ausgedehntem Maße Beschlag auf das National¬
vermögen einschließlich aller Arbeitsmittel, daß der Arme nicht allein der
Waffen für den Daseinskampf, sondern oft genng sogar des Fußbreits Boden
beraubt ist, den er brauchen würde, um als Kämpfender darauf zu stehen, daß
Hunderttausende in eine Lage hineingeboren werden, in der jede Möglichkeit
des Kampfes für sie nnsgeschlvssen ist, daß also die Auslese in ihr Gegen¬
teil umschlägt, indem ein Proletariat erzeugt wird, das, zur körperlichen
und geistigen Verkümmerung vorherbestimmt und zu einem immer größern
Teile des Volkes anschwellend, die Rasse im großen und ganzen ver¬
schlechtert. Um diesen drei Übeln begegnen zu können, bedarf jedes Volk einer
kampffähigen Demokratie als des unentbehrlichen Gegengewichts der Aristokratie,
U.it indem ich dieses anerkenne -- nur in diesem Sinne allein -- bin ich
nicht bloß Sozialaristokrat, sondern zugleich Sozialdemokrat.




Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze
Lrich Sello von

Du nuche versteh".'
Aus eins mach zehn.


Und zehn ist keins;
Dus ist das Her.encinmaleins.

es Weiß nicht, ob man in den Kreisen derer, die es angeht, den
so lange voraus angekündigten Enthüllungen Fritz Friedmanns
über den Fall Kotze mit besondrer Spannung oder gar mit Herz¬
klopfen entgegengesehen hat. Sollte es geschehen sein, so würde
man sich, wie der Ausgang zeigt, ohne Grund aufgeregt haben.
Denn der kreißende Berg hat auch diesmal die Befürchtungen der einen, dieIM^MMl?


Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze

Erstens sind es keineswegs immer die edelsten Eigenschaften, die zum Siege
verhelfen, und daher ist es oft Pflicht, dem Sieger die Beute wieder zu ent¬
reißen. Zweitens büßen die durch edle Eigenschaften und gemeinnützige
Leistungen emporgekommnen die Vorzüge, die sie zur Herrschaft berechtigen,
regelmäßig ein, wenn sie sich eine Zeit lang im Besitz der Macht befinden, wes¬
halb es notwendig ist, daß ihnen das Volk die Macht streitig mache, um ent¬
weder die Aristokratie zur Erneuerung aus sich selbst heraus zu zwingen oder
ihr von unten frisches Blut zuzuführen. Drittens legen die Herrschenden
— und in diesem Sinne gehört sogar auch die englische Arbeiteraristokratie zu
den Herrschenden — in so ausgedehntem Maße Beschlag auf das National¬
vermögen einschließlich aller Arbeitsmittel, daß der Arme nicht allein der
Waffen für den Daseinskampf, sondern oft genng sogar des Fußbreits Boden
beraubt ist, den er brauchen würde, um als Kämpfender darauf zu stehen, daß
Hunderttausende in eine Lage hineingeboren werden, in der jede Möglichkeit
des Kampfes für sie nnsgeschlvssen ist, daß also die Auslese in ihr Gegen¬
teil umschlägt, indem ein Proletariat erzeugt wird, das, zur körperlichen
und geistigen Verkümmerung vorherbestimmt und zu einem immer größern
Teile des Volkes anschwellend, die Rasse im großen und ganzen ver¬
schlechtert. Um diesen drei Übeln begegnen zu können, bedarf jedes Volk einer
kampffähigen Demokratie als des unentbehrlichen Gegengewichts der Aristokratie,
U.it indem ich dieses anerkenne — nur in diesem Sinne allein — bin ich
nicht bloß Sozialaristokrat, sondern zugleich Sozialdemokrat.




Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze
Lrich Sello von

Du nuche versteh».'
Aus eins mach zehn.


Und zehn ist keins;
Dus ist das Her.encinmaleins.

es Weiß nicht, ob man in den Kreisen derer, die es angeht, den
so lange voraus angekündigten Enthüllungen Fritz Friedmanns
über den Fall Kotze mit besondrer Spannung oder gar mit Herz¬
klopfen entgegengesehen hat. Sollte es geschehen sein, so würde
man sich, wie der Ausgang zeigt, ohne Grund aufgeregt haben.
Denn der kreißende Berg hat auch diesmal die Befürchtungen der einen, dieIM^MMl?


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[0021] Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze Erstens sind es keineswegs immer die edelsten Eigenschaften, die zum Siege verhelfen, und daher ist es oft Pflicht, dem Sieger die Beute wieder zu ent¬ reißen. Zweitens büßen die durch edle Eigenschaften und gemeinnützige Leistungen emporgekommnen die Vorzüge, die sie zur Herrschaft berechtigen, regelmäßig ein, wenn sie sich eine Zeit lang im Besitz der Macht befinden, wes¬ halb es notwendig ist, daß ihnen das Volk die Macht streitig mache, um ent¬ weder die Aristokratie zur Erneuerung aus sich selbst heraus zu zwingen oder ihr von unten frisches Blut zuzuführen. Drittens legen die Herrschenden — und in diesem Sinne gehört sogar auch die englische Arbeiteraristokratie zu den Herrschenden — in so ausgedehntem Maße Beschlag auf das National¬ vermögen einschließlich aller Arbeitsmittel, daß der Arme nicht allein der Waffen für den Daseinskampf, sondern oft genng sogar des Fußbreits Boden beraubt ist, den er brauchen würde, um als Kämpfender darauf zu stehen, daß Hunderttausende in eine Lage hineingeboren werden, in der jede Möglichkeit des Kampfes für sie nnsgeschlvssen ist, daß also die Auslese in ihr Gegen¬ teil umschlägt, indem ein Proletariat erzeugt wird, das, zur körperlichen und geistigen Verkümmerung vorherbestimmt und zu einem immer größern Teile des Volkes anschwellend, die Rasse im großen und ganzen ver¬ schlechtert. Um diesen drei Übeln begegnen zu können, bedarf jedes Volk einer kampffähigen Demokratie als des unentbehrlichen Gegengewichts der Aristokratie, U.it indem ich dieses anerkenne — nur in diesem Sinne allein — bin ich nicht bloß Sozialaristokrat, sondern zugleich Sozialdemokrat. Juristische Randbemerkungen zum Fall Kotze Lrich Sello von Du nuche versteh».' Aus eins mach zehn. Und zehn ist keins; Dus ist das Her.encinmaleins. es Weiß nicht, ob man in den Kreisen derer, die es angeht, den so lange voraus angekündigten Enthüllungen Fritz Friedmanns über den Fall Kotze mit besondrer Spannung oder gar mit Herz¬ klopfen entgegengesehen hat. Sollte es geschehen sein, so würde man sich, wie der Ausgang zeigt, ohne Grund aufgeregt haben. Denn der kreißende Berg hat auch diesmal die Befürchtungen der einen, dieIM^MMl?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/21>, abgerufen am 05.01.2025.