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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Der Erfolg auf Aktien

in Konversationslexikon werden wir unter dem Artikel "Aktien
und Aktiengesellschaft" dahin belehrt, daß "die Aktie auch weniger
Bemittelten die Beteiligung an Geschäften gestatte, deren Renta¬
bilität eine unberechenbare ist," daß durch die Aktie "gefährliche
_! umfassende Risikos geteilt," das Kapital "gegen individuelle Ver-
zchrungsgelüste" geschützt werde" könne. Daneben erfahren wir freilich auch,
daß "die Beschränkung der Haftbarkeit die Neigung zu gewagten, ja leicht¬
sinnigen Geschäften fordre," und daß "in unternehmungslustigen Zeiten selbst
schwindelhafte Aktiengesellschaften wie Pilze aus der Erde schießen." Und
die Hauptsumme der Weisheit, die wir davontragen, ist, daß in der groß-
industriellen Welt, in der wir leben, zwar alles ans Aktien betrieben und
massenhafter hergestellt werden kann, daß wir aber dabei Gefahr laufen, die
Dinge wesentlich verschlechtert zu sehen, die ein- für allemal die Kraft, die
Tüchtigkeit, die Hingebung des Einzelnen erfordern. Brot und Bier kann man
auf Aktien liefern, vielleicht, wenn die Aktionäre gewissenhaft und nicht zu
heißhungrig nach fetten Dividenden sind, sogar gut liefern, aber Kunstmöbel
und optische Instrumente, die auf Aktien gebaut sind, werden notwendigerweise
erbärmlich ausfallen. Wenn ferner versucht wird, weit geistigere Dinge als
ein Stück Kunsthandwerk in den Bereich der Aktiengesellschaften zu ziehen, so
lacht wohl jeder zu der Vorstellung, Kriegsruhm oder Glauben, Kunst oder
Wissen auf Aktien zu vervielfältigen. Die Lacher übersehen nur, daß in
"unternehmungslustigen Zeiten" die höchsten Ehren, die Auszeichnungen, der
Ruhm, die sonst der Charaktergröße, dem Talent, der künstlerischen oder wissen¬
schaftlichen Leistung zufallen, Gegenstand des vermehrten Bedarfs, der Speku¬
lation werden, daß der "Erfolg auf Aktien" in seineu mannichfachen Gestalten,
anfangs verschämt, bald aber unverschämt, unser gesamtes litterarisches,


Grenzboten IV 1896 20


Der Erfolg auf Aktien

in Konversationslexikon werden wir unter dem Artikel „Aktien
und Aktiengesellschaft" dahin belehrt, daß „die Aktie auch weniger
Bemittelten die Beteiligung an Geschäften gestatte, deren Renta¬
bilität eine unberechenbare ist," daß durch die Aktie „gefährliche
_! umfassende Risikos geteilt," das Kapital „gegen individuelle Ver-
zchrungsgelüste" geschützt werde» könne. Daneben erfahren wir freilich auch,
daß „die Beschränkung der Haftbarkeit die Neigung zu gewagten, ja leicht¬
sinnigen Geschäften fordre," und daß „in unternehmungslustigen Zeiten selbst
schwindelhafte Aktiengesellschaften wie Pilze aus der Erde schießen." Und
die Hauptsumme der Weisheit, die wir davontragen, ist, daß in der groß-
industriellen Welt, in der wir leben, zwar alles ans Aktien betrieben und
massenhafter hergestellt werden kann, daß wir aber dabei Gefahr laufen, die
Dinge wesentlich verschlechtert zu sehen, die ein- für allemal die Kraft, die
Tüchtigkeit, die Hingebung des Einzelnen erfordern. Brot und Bier kann man
auf Aktien liefern, vielleicht, wenn die Aktionäre gewissenhaft und nicht zu
heißhungrig nach fetten Dividenden sind, sogar gut liefern, aber Kunstmöbel
und optische Instrumente, die auf Aktien gebaut sind, werden notwendigerweise
erbärmlich ausfallen. Wenn ferner versucht wird, weit geistigere Dinge als
ein Stück Kunsthandwerk in den Bereich der Aktiengesellschaften zu ziehen, so
lacht wohl jeder zu der Vorstellung, Kriegsruhm oder Glauben, Kunst oder
Wissen auf Aktien zu vervielfältigen. Die Lacher übersehen nur, daß in
„unternehmungslustigen Zeiten" die höchsten Ehren, die Auszeichnungen, der
Ruhm, die sonst der Charaktergröße, dem Talent, der künstlerischen oder wissen¬
schaftlichen Leistung zufallen, Gegenstand des vermehrten Bedarfs, der Speku¬
lation werden, daß der „Erfolg auf Aktien" in seineu mannichfachen Gestalten,
anfangs verschämt, bald aber unverschämt, unser gesamtes litterarisches,


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[0161] [Abbildung] Der Erfolg auf Aktien in Konversationslexikon werden wir unter dem Artikel „Aktien und Aktiengesellschaft" dahin belehrt, daß „die Aktie auch weniger Bemittelten die Beteiligung an Geschäften gestatte, deren Renta¬ bilität eine unberechenbare ist," daß durch die Aktie „gefährliche _! umfassende Risikos geteilt," das Kapital „gegen individuelle Ver- zchrungsgelüste" geschützt werde» könne. Daneben erfahren wir freilich auch, daß „die Beschränkung der Haftbarkeit die Neigung zu gewagten, ja leicht¬ sinnigen Geschäften fordre," und daß „in unternehmungslustigen Zeiten selbst schwindelhafte Aktiengesellschaften wie Pilze aus der Erde schießen." Und die Hauptsumme der Weisheit, die wir davontragen, ist, daß in der groß- industriellen Welt, in der wir leben, zwar alles ans Aktien betrieben und massenhafter hergestellt werden kann, daß wir aber dabei Gefahr laufen, die Dinge wesentlich verschlechtert zu sehen, die ein- für allemal die Kraft, die Tüchtigkeit, die Hingebung des Einzelnen erfordern. Brot und Bier kann man auf Aktien liefern, vielleicht, wenn die Aktionäre gewissenhaft und nicht zu heißhungrig nach fetten Dividenden sind, sogar gut liefern, aber Kunstmöbel und optische Instrumente, die auf Aktien gebaut sind, werden notwendigerweise erbärmlich ausfallen. Wenn ferner versucht wird, weit geistigere Dinge als ein Stück Kunsthandwerk in den Bereich der Aktiengesellschaften zu ziehen, so lacht wohl jeder zu der Vorstellung, Kriegsruhm oder Glauben, Kunst oder Wissen auf Aktien zu vervielfältigen. Die Lacher übersehen nur, daß in „unternehmungslustigen Zeiten" die höchsten Ehren, die Auszeichnungen, der Ruhm, die sonst der Charaktergröße, dem Talent, der künstlerischen oder wissen¬ schaftlichen Leistung zufallen, Gegenstand des vermehrten Bedarfs, der Speku¬ lation werden, daß der „Erfolg auf Aktien" in seineu mannichfachen Gestalten, anfangs verschämt, bald aber unverschämt, unser gesamtes litterarisches, Grenzboten IV 1896 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/161>, abgerufen am 05.01.2025.