Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Friedrich der Große und der Ursprung des sieben¬
jährigen Krieges
Julius Franz von(Schluß)

s war vorauszusehen, daß Lehmmms Buch, das mit so "großen
Ansprüchen" auftrat, unsre Kenntnis über eines der wichtigsten
und interessantesten Gebiete der vaterländischen Geschichte nach
vielen Richtungen bereicherte und die bisherige Auffassung eines
wichtigen Abschnittes der preußischen Geschichte umstürzte, in den
Kreisen des gebildeten Publikums großes Aufsehen erregen, in der wissenschaft¬
lichen Welt aber den lebhaftesten und entschiedensten Widerspruch finden würde.
In der That hat die geschichtliche Forschung die Beweisführung Lehmanns
fast durchweg abgelehnt und in einer Fülle von Gegenschriften die Methode
seiner Arbeit, seine schrankenlose Willkür in der Verwertung der Quellen aufs
schärfste verurteilt. Für ihn sind außer einigen seiner Schüler nur Delbrück
und der ultramontane Historiker Ouro Klopp eingetreten.

Für einen Mann von der Vergangenheit Klopps verstand sich das von
selbst, und es kann nicht überraschen, wenn sich der im Dienste der Cumber-
lands altersschwach gewordne Publizist am Schluß seiner Besprechung des
Lehmannschen Werkes zu dem Worte bekennt: I^s nouvss-u roi ä"z l^russ-z K8t
An eng,1-1i0QiM<z lioirims 6t AQ tourbö. Delbrück hat es in scharfsinnigen, geist¬
vollen Darstellungen unternommen, das, was Lehmann zu beweisen mi߬
lungen ist, auf neuen, wesentlich abweichenden Wegen zu beweisen. Während
man aus Lehmanns Schrift den Eindruck gewinnt: er kann den König nicht
leiden, erscheint Friedrich bei Delbrück "nun erst mit vollem Rechte" als
Staatsmann von überwältigender Größe. Während dort die Eroberung
Sachsens eine Verletzung des Völkerrechts einschließt, wird hier die völker¬
rechtliche Befugnis des Königs betont, dem drohenden Angriffe zuvorzukommen.
Außerdem wird hier -- im Gegensatz zu Lehmami, der es dem Könige
augenscheinlich übel nimmt, daß "sein Herz nur sür Preußen schlug" -- die
durch den siebenjährigen Krieg geschehene Schöpfung des "preußischen Vater¬
lands" rückhaltlos anerkannt. Von Delbrücks psychologischer Methode läßt sich


Grenzboten III 1896 "


Friedrich der Große und der Ursprung des sieben¬
jährigen Krieges
Julius Franz von(Schluß)

s war vorauszusehen, daß Lehmmms Buch, das mit so „großen
Ansprüchen" auftrat, unsre Kenntnis über eines der wichtigsten
und interessantesten Gebiete der vaterländischen Geschichte nach
vielen Richtungen bereicherte und die bisherige Auffassung eines
wichtigen Abschnittes der preußischen Geschichte umstürzte, in den
Kreisen des gebildeten Publikums großes Aufsehen erregen, in der wissenschaft¬
lichen Welt aber den lebhaftesten und entschiedensten Widerspruch finden würde.
In der That hat die geschichtliche Forschung die Beweisführung Lehmanns
fast durchweg abgelehnt und in einer Fülle von Gegenschriften die Methode
seiner Arbeit, seine schrankenlose Willkür in der Verwertung der Quellen aufs
schärfste verurteilt. Für ihn sind außer einigen seiner Schüler nur Delbrück
und der ultramontane Historiker Ouro Klopp eingetreten.

Für einen Mann von der Vergangenheit Klopps verstand sich das von
selbst, und es kann nicht überraschen, wenn sich der im Dienste der Cumber-
lands altersschwach gewordne Publizist am Schluß seiner Besprechung des
Lehmannschen Werkes zu dem Worte bekennt: I^s nouvss-u roi ä«z l^russ-z K8t
An eng,1-1i0QiM<z lioirims 6t AQ tourbö. Delbrück hat es in scharfsinnigen, geist¬
vollen Darstellungen unternommen, das, was Lehmann zu beweisen mi߬
lungen ist, auf neuen, wesentlich abweichenden Wegen zu beweisen. Während
man aus Lehmanns Schrift den Eindruck gewinnt: er kann den König nicht
leiden, erscheint Friedrich bei Delbrück „nun erst mit vollem Rechte" als
Staatsmann von überwältigender Größe. Während dort die Eroberung
Sachsens eine Verletzung des Völkerrechts einschließt, wird hier die völker¬
rechtliche Befugnis des Königs betont, dem drohenden Angriffe zuvorzukommen.
Außerdem wird hier — im Gegensatz zu Lehmami, der es dem Könige
augenscheinlich übel nimmt, daß „sein Herz nur sür Preußen schlug" — die
durch den siebenjährigen Krieg geschehene Schöpfung des „preußischen Vater¬
lands" rückhaltlos anerkannt. Von Delbrücks psychologischer Methode läßt sich


Grenzboten III 1896 »
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223007"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_222941/figures/grenzboten_341863_222941_223007_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Friedrich der Große und der Ursprung des sieben¬<lb/>
jährigen Krieges<lb/><note type="byline"> Julius Franz</note> von(Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_170"> s war vorauszusehen, daß Lehmmms Buch, das mit so &#x201E;großen<lb/>
Ansprüchen" auftrat, unsre Kenntnis über eines der wichtigsten<lb/>
und interessantesten Gebiete der vaterländischen Geschichte nach<lb/>
vielen Richtungen bereicherte und die bisherige Auffassung eines<lb/>
wichtigen Abschnittes der preußischen Geschichte umstürzte, in den<lb/>
Kreisen des gebildeten Publikums großes Aufsehen erregen, in der wissenschaft¬<lb/>
lichen Welt aber den lebhaftesten und entschiedensten Widerspruch finden würde.<lb/>
In der That hat die geschichtliche Forschung die Beweisführung Lehmanns<lb/>
fast durchweg abgelehnt und in einer Fülle von Gegenschriften die Methode<lb/>
seiner Arbeit, seine schrankenlose Willkür in der Verwertung der Quellen aufs<lb/>
schärfste verurteilt. Für ihn sind außer einigen seiner Schüler nur Delbrück<lb/>
und der ultramontane Historiker Ouro Klopp eingetreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_171" next="#ID_172"> Für einen Mann von der Vergangenheit Klopps verstand sich das von<lb/>
selbst, und es kann nicht überraschen, wenn sich der im Dienste der Cumber-<lb/>
lands altersschwach gewordne Publizist am Schluß seiner Besprechung des<lb/>
Lehmannschen Werkes zu dem Worte bekennt: I^s nouvss-u roi ä«z l^russ-z K8t<lb/>
An eng,1-1i0QiM&lt;z lioirims 6t AQ tourbö. Delbrück hat es in scharfsinnigen, geist¬<lb/>
vollen Darstellungen unternommen, das, was Lehmann zu beweisen mi߬<lb/>
lungen ist, auf neuen, wesentlich abweichenden Wegen zu beweisen. Während<lb/>
man aus Lehmanns Schrift den Eindruck gewinnt: er kann den König nicht<lb/>
leiden, erscheint Friedrich bei Delbrück &#x201E;nun erst mit vollem Rechte" als<lb/>
Staatsmann von überwältigender Größe. Während dort die Eroberung<lb/>
Sachsens eine Verletzung des Völkerrechts einschließt, wird hier die völker¬<lb/>
rechtliche Befugnis des Königs betont, dem drohenden Angriffe zuvorzukommen.<lb/>
Außerdem wird hier &#x2014; im Gegensatz zu Lehmami, der es dem Könige<lb/>
augenscheinlich übel nimmt, daß &#x201E;sein Herz nur sür Preußen schlug" &#x2014; die<lb/>
durch den siebenjährigen Krieg geschehene Schöpfung des &#x201E;preußischen Vater¬<lb/>
lands" rückhaltlos anerkannt. Von Delbrücks psychologischer Methode läßt sich</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1896 »</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] [Abbildung] Friedrich der Große und der Ursprung des sieben¬ jährigen Krieges Julius Franz von(Schluß) s war vorauszusehen, daß Lehmmms Buch, das mit so „großen Ansprüchen" auftrat, unsre Kenntnis über eines der wichtigsten und interessantesten Gebiete der vaterländischen Geschichte nach vielen Richtungen bereicherte und die bisherige Auffassung eines wichtigen Abschnittes der preußischen Geschichte umstürzte, in den Kreisen des gebildeten Publikums großes Aufsehen erregen, in der wissenschaft¬ lichen Welt aber den lebhaftesten und entschiedensten Widerspruch finden würde. In der That hat die geschichtliche Forschung die Beweisführung Lehmanns fast durchweg abgelehnt und in einer Fülle von Gegenschriften die Methode seiner Arbeit, seine schrankenlose Willkür in der Verwertung der Quellen aufs schärfste verurteilt. Für ihn sind außer einigen seiner Schüler nur Delbrück und der ultramontane Historiker Ouro Klopp eingetreten. Für einen Mann von der Vergangenheit Klopps verstand sich das von selbst, und es kann nicht überraschen, wenn sich der im Dienste der Cumber- lands altersschwach gewordne Publizist am Schluß seiner Besprechung des Lehmannschen Werkes zu dem Worte bekennt: I^s nouvss-u roi ä«z l^russ-z K8t An eng,1-1i0QiM<z lioirims 6t AQ tourbö. Delbrück hat es in scharfsinnigen, geist¬ vollen Darstellungen unternommen, das, was Lehmann zu beweisen mi߬ lungen ist, auf neuen, wesentlich abweichenden Wegen zu beweisen. Während man aus Lehmanns Schrift den Eindruck gewinnt: er kann den König nicht leiden, erscheint Friedrich bei Delbrück „nun erst mit vollem Rechte" als Staatsmann von überwältigender Größe. Während dort die Eroberung Sachsens eine Verletzung des Völkerrechts einschließt, wird hier die völker¬ rechtliche Befugnis des Königs betont, dem drohenden Angriffe zuvorzukommen. Außerdem wird hier — im Gegensatz zu Lehmami, der es dem Könige augenscheinlich übel nimmt, daß „sein Herz nur sür Preußen schlug" — die durch den siebenjährigen Krieg geschehene Schöpfung des „preußischen Vater¬ lands" rückhaltlos anerkannt. Von Delbrücks psychologischer Methode läßt sich Grenzboten III 1896 »

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/65>, abgerufen am 01.09.2024.