Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches bald den besten Weg zur Lösung dieser Frage zeigen und die allgemeine Einrichtung Endlich dürften die Arbeitsnachweife eines bestimmten Bezirks einer Zentral¬ Wäre durch die angedeuteten Maßregeln der Wandertrieb der Handwerksgesellen Die Mennoniten und der Kriegsdienst. " In dem Aufsatz "Zur Duell¬ ") Ob es praktisch wäre, diesen Zwnng auch für die Arbeitgeber der Großindustrie ein¬ zuführen, ist zweifelhaft, weil deren Bedürfnisse vielfach die Verhältnisse eines lokalen Arbeits¬ nachweises weit übersteigen und sie daher auf andre Mittel (wie ZeitnngSinsernte in großen Blättern) zur Deckung des Bedürfnisses an Arbeiter,: angewiesen sind. Für den Kreis Grünberg in Schlesien ist im Anfang dieses JahreS der Versuch gemacht
worden, durch einen Verein und durch die erwähnten Maßregeln dein Vagabundentum entgegen¬ zutreten. Die Handwerksmeister in der Stadt haben den Meistergroschen abgeschafft. Hierdurch lst in der Stadt die Umschau unterbunden worden und damit die Hausbettelei ziemlich ver¬ schwunden. Die Bewohner des platten Landes haben vor den Vagabunden und vor Brand¬ stiftung durch sie so große Angst, daß sie sich vorläufig nicht dazu entschließen können, ihnen eme Gabe zu verweigern. Von den auf Kosten des Vereins in den ersten fleus Monaten seines Bestehens verpflegten' 1066 mittellosen Wandrern waren "23, also über 86 Prozent, Hand¬ werksgesellen. Ein großer Teck von ihnen war seit mehreren Monaten ohne Arbeit und auf "er Landstraße. Viele von ihnen weigerten sich, die angemeldete Arbeit aufzusuchen, ein Zeichen, o"ß ste nicht die ernstliche Absicht hatten, Arbeit zu erhalten. Wohl aber gaben viele ihrem Unmute darüber Ausdruck, daß sie von den Meistern nichts mehr erhielten. Einen durch¬ schlagenden Erfolg können aber die Bestrebungen des Vereins nur haben, wenn sie auf einen großem Bezirk ausgedehnt werden. Die Erfahrungen zeigen, wie notwendig die allgemeine Abschaffung der Umschau ist. Maßgebliches und Unmaßgebliches bald den besten Weg zur Lösung dieser Frage zeigen und die allgemeine Einrichtung Endlich dürften die Arbeitsnachweife eines bestimmten Bezirks einer Zentral¬ Wäre durch die angedeuteten Maßregeln der Wandertrieb der Handwerksgesellen Die Mennoniten und der Kriegsdienst. " In dem Aufsatz „Zur Duell¬ ") Ob es praktisch wäre, diesen Zwnng auch für die Arbeitgeber der Großindustrie ein¬ zuführen, ist zweifelhaft, weil deren Bedürfnisse vielfach die Verhältnisse eines lokalen Arbeits¬ nachweises weit übersteigen und sie daher auf andre Mittel (wie ZeitnngSinsernte in großen Blättern) zur Deckung des Bedürfnisses an Arbeiter,: angewiesen sind. Für den Kreis Grünberg in Schlesien ist im Anfang dieses JahreS der Versuch gemacht
worden, durch einen Verein und durch die erwähnten Maßregeln dein Vagabundentum entgegen¬ zutreten. Die Handwerksmeister in der Stadt haben den Meistergroschen abgeschafft. Hierdurch lst in der Stadt die Umschau unterbunden worden und damit die Hausbettelei ziemlich ver¬ schwunden. Die Bewohner des platten Landes haben vor den Vagabunden und vor Brand¬ stiftung durch sie so große Angst, daß sie sich vorläufig nicht dazu entschließen können, ihnen eme Gabe zu verweigern. Von den auf Kosten des Vereins in den ersten fleus Monaten seines Bestehens verpflegten' 1066 mittellosen Wandrern waren »23, also über 86 Prozent, Hand¬ werksgesellen. Ein großer Teck von ihnen war seit mehreren Monaten ohne Arbeit und auf «er Landstraße. Viele von ihnen weigerten sich, die angemeldete Arbeit aufzusuchen, ein Zeichen, o«ß ste nicht die ernstliche Absicht hatten, Arbeit zu erhalten. Wohl aber gaben viele ihrem Unmute darüber Ausdruck, daß sie von den Meistern nichts mehr erhielten. Einen durch¬ schlagenden Erfolg können aber die Bestrebungen des Vereins nur haben, wenn sie auf einen großem Bezirk ausgedehnt werden. Die Erfahrungen zeigen, wie notwendig die allgemeine Abschaffung der Umschau ist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223429"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1372" prev="#ID_1371"> bald den besten Weg zur Lösung dieser Frage zeigen und die allgemeine Einrichtung<lb/> von Arbeitsuachweiseu herbeiführen. Im allgemeinen bemerken wir, daß sich der<lb/> Arbeitsnachweis nicht nur auf das Handwerk beschränken darf, sondern die Ver¬<lb/> mittlung von Arbeit jeder Art umfassen muß, damit dem Arbeitslosen auch außer¬<lb/> halb seines Faches Arbeit geboten werden kann. Auch wird das Bestreben, möglichst<lb/> feste Verhältnisse zu schaffen und die Gefahren der Freizügigkeit zu verringern,<lb/> dahin führen, bei angemeldeter Arbeit stets die am Orte oder im Bezirke wohn¬<lb/> haften Arbeiter zu bevorzugen und zugereiste Fremde nur aushilfsweise zu berück¬<lb/> sichtigen. Bei der vielfachen Abneigung der Arbeitgeber, sich dem Arbeitsnachweis<lb/> anzuschließen, wird ferner für diese ein Zwang zur Anmeldung von Arbeit einzu¬<lb/> führen fein.*)</p><lb/> <p xml:id="ID_1373"> Endlich dürften die Arbeitsnachweife eines bestimmten Bezirks einer Zentral¬<lb/> stelle unterzuordnen sein, von der aus uicht am Orte gedeckte Bedürfnisse von<lb/> Arbeitsangebot und Nachfrage ausgeglichen werden könnten. Selbstverständlich<lb/> dürften die Arbeitsnachweise für Arbeitgeber wie Arbeiter in keiner Weise einen<lb/> Zwang zur Annahme bestimmter Arbeiter oder bestimmter Arbeit ausüben, sondern<lb/> beiden Teilen müßte völlig freie Wahl gesichert bleiben/'*)</p><lb/> <p xml:id="ID_1374"> Wäre durch die angedeuteten Maßregeln der Wandertrieb der Handwerksgesellen<lb/> unterdrückt, so würde das jetzt oft sehr lose Band zwischen Meistern und Gesellen<lb/> wieder mehr befestigt werden. Der Geselle würde sich Wohl hüten, eine Arbeits¬<lb/> stelle aufzugeben, ehe er sich eine andre Stelle gesichert hatte, wenn die Zeit des<lb/> fröhlichen Wanderns mit dem Meistergroschen vorbei wäre. Erst dann aber werden<lb/> die Gemeinden in sachgemäßer Weise der durch Arbeitslosigkeit hervorgerufnen Not<lb/> entgegenwirken können.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Mennoniten und der Kriegsdienst.<lb/> "</head> <p xml:id="ID_1375" next="#ID_1376"> In dem Aufsatz „Zur Duell¬<lb/> srage im 30. Heft sagt Herr C. v. H. an einer Stelle: „Wäre es anders, dann<lb/> müßten wir die Lehre der Mennoniten annehmen und uus auch dem Kriegsdienst<lb/> gänzlich versagen." Diese Äußerung entspricht den Anschauungen weiter Kreise,<lb/> die von der „Lehre" der Mennoniten weiter nichts wissen, als was sie durch<lb/> Wildenbruchs „Meuonit" dnvou erfahren haben. Nun giebt aber Wildenbruch<lb/> keineswegs eine genaue Schilderung der mennonitischen Verhältnisse; gerade von</p><lb/> <note xml:id="FID_40" place="foot"> ") Ob es praktisch wäre, diesen Zwnng auch für die Arbeitgeber der Großindustrie ein¬<lb/> zuführen, ist zweifelhaft, weil deren Bedürfnisse vielfach die Verhältnisse eines lokalen Arbeits¬<lb/> nachweises weit übersteigen und sie daher auf andre Mittel (wie ZeitnngSinsernte in großen<lb/> Blättern) zur Deckung des Bedürfnisses an Arbeiter,: angewiesen sind.</note><lb/> <note xml:id="FID_41" place="foot"> Für den Kreis Grünberg in Schlesien ist im Anfang dieses JahreS der Versuch gemacht<lb/> worden, durch einen Verein und durch die erwähnten Maßregeln dein Vagabundentum entgegen¬<lb/> zutreten. Die Handwerksmeister in der Stadt haben den Meistergroschen abgeschafft. Hierdurch<lb/> lst in der Stadt die Umschau unterbunden worden und damit die Hausbettelei ziemlich ver¬<lb/> schwunden. Die Bewohner des platten Landes haben vor den Vagabunden und vor Brand¬<lb/> stiftung durch sie so große Angst, daß sie sich vorläufig nicht dazu entschließen können, ihnen<lb/> eme Gabe zu verweigern. Von den auf Kosten des Vereins in den ersten fleus Monaten seines<lb/> Bestehens verpflegten' 1066 mittellosen Wandrern waren »23, also über 86 Prozent, Hand¬<lb/> werksgesellen. Ein großer Teck von ihnen war seit mehreren Monaten ohne Arbeit und auf<lb/> «er Landstraße. Viele von ihnen weigerten sich, die angemeldete Arbeit aufzusuchen, ein Zeichen,<lb/> o«ß ste nicht die ernstliche Absicht hatten, Arbeit zu erhalten. Wohl aber gaben viele ihrem<lb/> Unmute darüber Ausdruck, daß sie von den Meistern nichts mehr erhielten. Einen durch¬<lb/> schlagenden Erfolg können aber die Bestrebungen des Vereins nur haben, wenn sie auf einen<lb/> großem Bezirk ausgedehnt werden. Die Erfahrungen zeigen, wie notwendig die allgemeine<lb/> Abschaffung der Umschau ist.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
bald den besten Weg zur Lösung dieser Frage zeigen und die allgemeine Einrichtung
von Arbeitsuachweiseu herbeiführen. Im allgemeinen bemerken wir, daß sich der
Arbeitsnachweis nicht nur auf das Handwerk beschränken darf, sondern die Ver¬
mittlung von Arbeit jeder Art umfassen muß, damit dem Arbeitslosen auch außer¬
halb seines Faches Arbeit geboten werden kann. Auch wird das Bestreben, möglichst
feste Verhältnisse zu schaffen und die Gefahren der Freizügigkeit zu verringern,
dahin führen, bei angemeldeter Arbeit stets die am Orte oder im Bezirke wohn¬
haften Arbeiter zu bevorzugen und zugereiste Fremde nur aushilfsweise zu berück¬
sichtigen. Bei der vielfachen Abneigung der Arbeitgeber, sich dem Arbeitsnachweis
anzuschließen, wird ferner für diese ein Zwang zur Anmeldung von Arbeit einzu¬
führen fein.*)
Endlich dürften die Arbeitsnachweife eines bestimmten Bezirks einer Zentral¬
stelle unterzuordnen sein, von der aus uicht am Orte gedeckte Bedürfnisse von
Arbeitsangebot und Nachfrage ausgeglichen werden könnten. Selbstverständlich
dürften die Arbeitsnachweise für Arbeitgeber wie Arbeiter in keiner Weise einen
Zwang zur Annahme bestimmter Arbeiter oder bestimmter Arbeit ausüben, sondern
beiden Teilen müßte völlig freie Wahl gesichert bleiben/'*)
Wäre durch die angedeuteten Maßregeln der Wandertrieb der Handwerksgesellen
unterdrückt, so würde das jetzt oft sehr lose Band zwischen Meistern und Gesellen
wieder mehr befestigt werden. Der Geselle würde sich Wohl hüten, eine Arbeits¬
stelle aufzugeben, ehe er sich eine andre Stelle gesichert hatte, wenn die Zeit des
fröhlichen Wanderns mit dem Meistergroschen vorbei wäre. Erst dann aber werden
die Gemeinden in sachgemäßer Weise der durch Arbeitslosigkeit hervorgerufnen Not
entgegenwirken können.
Die Mennoniten und der Kriegsdienst.
" In dem Aufsatz „Zur Duell¬
srage im 30. Heft sagt Herr C. v. H. an einer Stelle: „Wäre es anders, dann
müßten wir die Lehre der Mennoniten annehmen und uus auch dem Kriegsdienst
gänzlich versagen." Diese Äußerung entspricht den Anschauungen weiter Kreise,
die von der „Lehre" der Mennoniten weiter nichts wissen, als was sie durch
Wildenbruchs „Meuonit" dnvou erfahren haben. Nun giebt aber Wildenbruch
keineswegs eine genaue Schilderung der mennonitischen Verhältnisse; gerade von
") Ob es praktisch wäre, diesen Zwnng auch für die Arbeitgeber der Großindustrie ein¬
zuführen, ist zweifelhaft, weil deren Bedürfnisse vielfach die Verhältnisse eines lokalen Arbeits¬
nachweises weit übersteigen und sie daher auf andre Mittel (wie ZeitnngSinsernte in großen
Blättern) zur Deckung des Bedürfnisses an Arbeiter,: angewiesen sind.
Für den Kreis Grünberg in Schlesien ist im Anfang dieses JahreS der Versuch gemacht
worden, durch einen Verein und durch die erwähnten Maßregeln dein Vagabundentum entgegen¬
zutreten. Die Handwerksmeister in der Stadt haben den Meistergroschen abgeschafft. Hierdurch
lst in der Stadt die Umschau unterbunden worden und damit die Hausbettelei ziemlich ver¬
schwunden. Die Bewohner des platten Landes haben vor den Vagabunden und vor Brand¬
stiftung durch sie so große Angst, daß sie sich vorläufig nicht dazu entschließen können, ihnen
eme Gabe zu verweigern. Von den auf Kosten des Vereins in den ersten fleus Monaten seines
Bestehens verpflegten' 1066 mittellosen Wandrern waren »23, also über 86 Prozent, Hand¬
werksgesellen. Ein großer Teck von ihnen war seit mehreren Monaten ohne Arbeit und auf
«er Landstraße. Viele von ihnen weigerten sich, die angemeldete Arbeit aufzusuchen, ein Zeichen,
o«ß ste nicht die ernstliche Absicht hatten, Arbeit zu erhalten. Wohl aber gaben viele ihrem
Unmute darüber Ausdruck, daß sie von den Meistern nichts mehr erhielten. Einen durch¬
schlagenden Erfolg können aber die Bestrebungen des Vereins nur haben, wenn sie auf einen
großem Bezirk ausgedehnt werden. Die Erfahrungen zeigen, wie notwendig die allgemeine
Abschaffung der Umschau ist.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |