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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Lin Bnchdruckerstreik?

Wie es England thut. Jedenfalls können wir und alle andern Völker, die mit
Englands Interessen in Widerstreit geraten, ruhig auf unserm Recht bestehen.
Möchte doch namentlich in Deutschland die Stimmung erhalten bleibe", die
die Depesche des Kaisers nach Transvaal und die bekannten Neichstags-
L. v. verhandlnngen zum Ausdruck gebracht haben!




Lin Vuchdruckerstreik?

BMA
5/V>"Uf">user verstorbner Freund, der berühmte Rechtsgelehrte Otto Bahr,
hat einmal nachgewiesen, daß sich das Durchschnittseinkommen
des Arbeiters, wenn das Gesamteinkommen aller Deutschen gleich¬
mäßig verteilt werden könnte, nur um wenig über hundert Mark
erhöhen würde.*) Selbstverständlich würde sich das aber praktisch
gar nicht einrichten lassen, den" wenn man wirklich durch eine kommunistische
Staatseinrichtung Gleichheit der Einkommen schaffen wollte, so würden sofort
unzählige Einkommen, z. B. alle, die ans der Herstellung von Luxusgegen¬
ständen entspringen, aber auch noch viele andre, die mit der Lebensführung
der obern Stände zusammenhängen, überhaupt wegfallen, und der kommu¬
nistische Staat könnte wohl in die Lage kommen, sich künstlich höhere Stände
schaffen zu müssen, für die die große Menge wieder zu arbeiten vermöchte.
Jedenfalls geht aus dem Bährschm Nachweis hervor, daß bei einer allgemeinen
Teilung das einzelne Durchschnittseinkommen nur eine geringe Steigerung er¬
fahren würde, unzählige Betriebe aber, die jetzt auf dem Unternehmergewinn
aufgebaut sind, sofort ruinirt werden müßten, und damit auch die Existenz der
Arbeiter, die ihren Unterhalt bei diesen Betrieben finden. Die "Teilung," d. h.
die Erhöhung des Arbeitereinkommens, wäre der Ruin der Betriebe, der Ruin
der Betriebe aber Vernichtung des Arbeitereinkommens. Diese einfache und
klar auf der Hand liegende Thatsache wird durch die Verhältnisse im Buch¬
druckgewerbe sehr deutlich illustrirt. Eine Darstellung der Sachlage und der
Folgen, zu denen der jetzt wieder drohende Streik führen könnte und unter
Umständen führen muß, wird für manchen unsrer Leser interessant und schon
aus dem Grunde nützlich sein, weil sie auch auf die Lage andrer Industrie¬
zweige Licht werfen kann.

Die Arbeiter des Druckereigewerbes verlangen eine Verkürzung der Arbeits-



*) Ein Gespräch über die soziale Frage. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow, 1885.
Grenzboten I 1396 70
Lin Bnchdruckerstreik?

Wie es England thut. Jedenfalls können wir und alle andern Völker, die mit
Englands Interessen in Widerstreit geraten, ruhig auf unserm Recht bestehen.
Möchte doch namentlich in Deutschland die Stimmung erhalten bleibe», die
die Depesche des Kaisers nach Transvaal und die bekannten Neichstags-
L. v. verhandlnngen zum Ausdruck gebracht haben!




Lin Vuchdruckerstreik?

BMA
5/V>«Uf»>user verstorbner Freund, der berühmte Rechtsgelehrte Otto Bahr,
hat einmal nachgewiesen, daß sich das Durchschnittseinkommen
des Arbeiters, wenn das Gesamteinkommen aller Deutschen gleich¬
mäßig verteilt werden könnte, nur um wenig über hundert Mark
erhöhen würde.*) Selbstverständlich würde sich das aber praktisch
gar nicht einrichten lassen, den» wenn man wirklich durch eine kommunistische
Staatseinrichtung Gleichheit der Einkommen schaffen wollte, so würden sofort
unzählige Einkommen, z. B. alle, die ans der Herstellung von Luxusgegen¬
ständen entspringen, aber auch noch viele andre, die mit der Lebensführung
der obern Stände zusammenhängen, überhaupt wegfallen, und der kommu¬
nistische Staat könnte wohl in die Lage kommen, sich künstlich höhere Stände
schaffen zu müssen, für die die große Menge wieder zu arbeiten vermöchte.
Jedenfalls geht aus dem Bährschm Nachweis hervor, daß bei einer allgemeinen
Teilung das einzelne Durchschnittseinkommen nur eine geringe Steigerung er¬
fahren würde, unzählige Betriebe aber, die jetzt auf dem Unternehmergewinn
aufgebaut sind, sofort ruinirt werden müßten, und damit auch die Existenz der
Arbeiter, die ihren Unterhalt bei diesen Betrieben finden. Die „Teilung," d. h.
die Erhöhung des Arbeitereinkommens, wäre der Ruin der Betriebe, der Ruin
der Betriebe aber Vernichtung des Arbeitereinkommens. Diese einfache und
klar auf der Hand liegende Thatsache wird durch die Verhältnisse im Buch¬
druckgewerbe sehr deutlich illustrirt. Eine Darstellung der Sachlage und der
Folgen, zu denen der jetzt wieder drohende Streik führen könnte und unter
Umständen führen muß, wird für manchen unsrer Leser interessant und schon
aus dem Grunde nützlich sein, weil sie auch auf die Lage andrer Industrie¬
zweige Licht werfen kann.

Die Arbeiter des Druckereigewerbes verlangen eine Verkürzung der Arbeits-



*) Ein Gespräch über die soziale Frage. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow, 1885.
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[0561] Lin Bnchdruckerstreik? Wie es England thut. Jedenfalls können wir und alle andern Völker, die mit Englands Interessen in Widerstreit geraten, ruhig auf unserm Recht bestehen. Möchte doch namentlich in Deutschland die Stimmung erhalten bleibe», die die Depesche des Kaisers nach Transvaal und die bekannten Neichstags- L. v. verhandlnngen zum Ausdruck gebracht haben! Lin Vuchdruckerstreik? BMA 5/V>«Uf»>user verstorbner Freund, der berühmte Rechtsgelehrte Otto Bahr, hat einmal nachgewiesen, daß sich das Durchschnittseinkommen des Arbeiters, wenn das Gesamteinkommen aller Deutschen gleich¬ mäßig verteilt werden könnte, nur um wenig über hundert Mark erhöhen würde.*) Selbstverständlich würde sich das aber praktisch gar nicht einrichten lassen, den» wenn man wirklich durch eine kommunistische Staatseinrichtung Gleichheit der Einkommen schaffen wollte, so würden sofort unzählige Einkommen, z. B. alle, die ans der Herstellung von Luxusgegen¬ ständen entspringen, aber auch noch viele andre, die mit der Lebensführung der obern Stände zusammenhängen, überhaupt wegfallen, und der kommu¬ nistische Staat könnte wohl in die Lage kommen, sich künstlich höhere Stände schaffen zu müssen, für die die große Menge wieder zu arbeiten vermöchte. Jedenfalls geht aus dem Bährschm Nachweis hervor, daß bei einer allgemeinen Teilung das einzelne Durchschnittseinkommen nur eine geringe Steigerung er¬ fahren würde, unzählige Betriebe aber, die jetzt auf dem Unternehmergewinn aufgebaut sind, sofort ruinirt werden müßten, und damit auch die Existenz der Arbeiter, die ihren Unterhalt bei diesen Betrieben finden. Die „Teilung," d. h. die Erhöhung des Arbeitereinkommens, wäre der Ruin der Betriebe, der Ruin der Betriebe aber Vernichtung des Arbeitereinkommens. Diese einfache und klar auf der Hand liegende Thatsache wird durch die Verhältnisse im Buch¬ druckgewerbe sehr deutlich illustrirt. Eine Darstellung der Sachlage und der Folgen, zu denen der jetzt wieder drohende Streik führen könnte und unter Umständen führen muß, wird für manchen unsrer Leser interessant und schon aus dem Grunde nützlich sein, weil sie auch auf die Lage andrer Industrie¬ zweige Licht werfen kann. Die Arbeiter des Druckereigewerbes verlangen eine Verkürzung der Arbeits- *) Ein Gespräch über die soziale Frage. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow, 1885. Grenzboten I 1396 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/561>, abgerufen am 01.09.2024.