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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Ein Buchdruckerstreik?

zeit und Lohnaufschläge ^) die zusammen fiir die Druckereibesitzer eine Erhöhung
der Betriebskosten um 25 bis 30 Prozent bedeuten würden. Der Reingewinn
einer Druckerei wird aber, den Kapitalzins eingeschlossen, im allgemeinen
10 bis 15 Prozent nicht übersteigen und in vielen Füllen sogar noch darunter
bleiben. Es ist also klar, daß bei den jetzigen Druckpreisen die verlangte
Lohnerhöhung, also bei den Preisen, die die Druckereien jetzt ihren Auftrag¬
gebern berechnen, außerhalb der Möglichkeit liegt, und die Frage ist, ob diese
Preise sich beliebig erhöhen lassen. Wären sie unveränderbar und bildete
ihre jetzige Höhe die natürliche Grenze, so stünde fest, daß das Verlangen
der Arbeiter eine Verrücktheit wäre; die Druckereien könnten es nicht erfüllen,
und sie könnten nicht einmal die Hälfte bewilligen, denn anch dann wären sie
schon brach gelegt: der kleine Vorteil des für die Arbeiter Erreichbaren fräße
schon den ganzen Unternehmergewinn. Die Prinzipale müßten die Arbeit ein¬
stellen, und die Arbeiter hätten überhaupt nichts mehr. Es wäre der Beweis
geliefert, wenigstens für dies eine Lebensgebiet, daß es mit dem schönen Traum
von dem Glück, das die allgemeine Teilung bringen müßte, nichts wäre, er
zerrönne vor der harten Wirklichkeit.

Ja, wenn die Voraussetzung zuträfe! wird eingeworfen- Freilich, es bleibt
zu untersuchen, ob es Grenzen für die Preisstellung der Prinzipale giebt, und
ob nicht der Lvhnaufschlcig, den die Gehilfen fordern, einfach von den Auftrag¬
gebern der Drucker und weiter vom Publikum, von den Bücherkäufern, Zeitungs¬
lesern usw. eingeholt werden kann. Bei dieser Untersuchung wird sich aber
ergeben, daß die Dinge nicht willkürlichen Einwirkungen, sondern innern Ge¬
setzen gehorchen, und daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen können,
nicht einmal in den ganz bescheidnen Himmel, den sich die Druckereiarbeiter
erwerben möchten. Es ist aber anch eine zweite Frage zu stellen: ob näm¬
lich die Forderung der Lohnerhöhung überhaupt berechtigt ist, und diese soll
vorweg beantwortet werden. Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert. Welcher
Lohn ist min aber der der Leistung eines Arbeiters des Druckereigewerbes
angemessene?

In einer normalen Durchschnittsdruckerei in den Mittelpunkten des Vuch-
drnckgewerbes mit Durchschuittsarbeit, die also nicht ganz besondre Kenntnisse
und Geschicklichkeit erfordert, bringt es der normale Arbeiter, der das nor¬
male Maß von Geschicklichkeit und Fleiß hat, auf einen Lohn von 1400 bis



*) Der Lohnberechimug der Buchdrucker liegt ein Tarif zu gründe, der die Preise für
die verschiednen Salzarten (nach der Art und Größe der Schriften und nach der Komvlizirt-
heit) regelt und den Gehalt der in festem Lohn stehenden Arbeiter und die Arbeitszeit be¬
stimmt. Die Grundpvsitivneu erhalten in einer Reihe von Städten einen Lokalzuschlag, der
je nach de" Platzverhttltnissen verschieden hoch ist, und für Überstunden wird eine für jede
Stunde steigende Vergütung gewährt. Die Arbeiter stehen in festem Wochen- oder Monats-
loli" oder in "berechnetem," wo das geleistete Arbeitsquantum nach den Tarifsätzen bezahlt wird.
Ein Buchdruckerstreik?

zeit und Lohnaufschläge ^) die zusammen fiir die Druckereibesitzer eine Erhöhung
der Betriebskosten um 25 bis 30 Prozent bedeuten würden. Der Reingewinn
einer Druckerei wird aber, den Kapitalzins eingeschlossen, im allgemeinen
10 bis 15 Prozent nicht übersteigen und in vielen Füllen sogar noch darunter
bleiben. Es ist also klar, daß bei den jetzigen Druckpreisen die verlangte
Lohnerhöhung, also bei den Preisen, die die Druckereien jetzt ihren Auftrag¬
gebern berechnen, außerhalb der Möglichkeit liegt, und die Frage ist, ob diese
Preise sich beliebig erhöhen lassen. Wären sie unveränderbar und bildete
ihre jetzige Höhe die natürliche Grenze, so stünde fest, daß das Verlangen
der Arbeiter eine Verrücktheit wäre; die Druckereien könnten es nicht erfüllen,
und sie könnten nicht einmal die Hälfte bewilligen, denn anch dann wären sie
schon brach gelegt: der kleine Vorteil des für die Arbeiter Erreichbaren fräße
schon den ganzen Unternehmergewinn. Die Prinzipale müßten die Arbeit ein¬
stellen, und die Arbeiter hätten überhaupt nichts mehr. Es wäre der Beweis
geliefert, wenigstens für dies eine Lebensgebiet, daß es mit dem schönen Traum
von dem Glück, das die allgemeine Teilung bringen müßte, nichts wäre, er
zerrönne vor der harten Wirklichkeit.

Ja, wenn die Voraussetzung zuträfe! wird eingeworfen- Freilich, es bleibt
zu untersuchen, ob es Grenzen für die Preisstellung der Prinzipale giebt, und
ob nicht der Lvhnaufschlcig, den die Gehilfen fordern, einfach von den Auftrag¬
gebern der Drucker und weiter vom Publikum, von den Bücherkäufern, Zeitungs¬
lesern usw. eingeholt werden kann. Bei dieser Untersuchung wird sich aber
ergeben, daß die Dinge nicht willkürlichen Einwirkungen, sondern innern Ge¬
setzen gehorchen, und daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen können,
nicht einmal in den ganz bescheidnen Himmel, den sich die Druckereiarbeiter
erwerben möchten. Es ist aber anch eine zweite Frage zu stellen: ob näm¬
lich die Forderung der Lohnerhöhung überhaupt berechtigt ist, und diese soll
vorweg beantwortet werden. Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert. Welcher
Lohn ist min aber der der Leistung eines Arbeiters des Druckereigewerbes
angemessene?

In einer normalen Durchschnittsdruckerei in den Mittelpunkten des Vuch-
drnckgewerbes mit Durchschuittsarbeit, die also nicht ganz besondre Kenntnisse
und Geschicklichkeit erfordert, bringt es der normale Arbeiter, der das nor¬
male Maß von Geschicklichkeit und Fleiß hat, auf einen Lohn von 1400 bis



*) Der Lohnberechimug der Buchdrucker liegt ein Tarif zu gründe, der die Preise für
die verschiednen Salzarten (nach der Art und Größe der Schriften und nach der Komvlizirt-
heit) regelt und den Gehalt der in festem Lohn stehenden Arbeiter und die Arbeitszeit be¬
stimmt. Die Grundpvsitivneu erhalten in einer Reihe von Städten einen Lokalzuschlag, der
je nach de» Platzverhttltnissen verschieden hoch ist, und für Überstunden wird eine für jede
Stunde steigende Vergütung gewährt. Die Arbeiter stehen in festem Wochen- oder Monats-
loli» oder in „berechnetem," wo das geleistete Arbeitsquantum nach den Tarifsätzen bezahlt wird.
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[0562] Ein Buchdruckerstreik? zeit und Lohnaufschläge ^) die zusammen fiir die Druckereibesitzer eine Erhöhung der Betriebskosten um 25 bis 30 Prozent bedeuten würden. Der Reingewinn einer Druckerei wird aber, den Kapitalzins eingeschlossen, im allgemeinen 10 bis 15 Prozent nicht übersteigen und in vielen Füllen sogar noch darunter bleiben. Es ist also klar, daß bei den jetzigen Druckpreisen die verlangte Lohnerhöhung, also bei den Preisen, die die Druckereien jetzt ihren Auftrag¬ gebern berechnen, außerhalb der Möglichkeit liegt, und die Frage ist, ob diese Preise sich beliebig erhöhen lassen. Wären sie unveränderbar und bildete ihre jetzige Höhe die natürliche Grenze, so stünde fest, daß das Verlangen der Arbeiter eine Verrücktheit wäre; die Druckereien könnten es nicht erfüllen, und sie könnten nicht einmal die Hälfte bewilligen, denn anch dann wären sie schon brach gelegt: der kleine Vorteil des für die Arbeiter Erreichbaren fräße schon den ganzen Unternehmergewinn. Die Prinzipale müßten die Arbeit ein¬ stellen, und die Arbeiter hätten überhaupt nichts mehr. Es wäre der Beweis geliefert, wenigstens für dies eine Lebensgebiet, daß es mit dem schönen Traum von dem Glück, das die allgemeine Teilung bringen müßte, nichts wäre, er zerrönne vor der harten Wirklichkeit. Ja, wenn die Voraussetzung zuträfe! wird eingeworfen- Freilich, es bleibt zu untersuchen, ob es Grenzen für die Preisstellung der Prinzipale giebt, und ob nicht der Lvhnaufschlcig, den die Gehilfen fordern, einfach von den Auftrag¬ gebern der Drucker und weiter vom Publikum, von den Bücherkäufern, Zeitungs¬ lesern usw. eingeholt werden kann. Bei dieser Untersuchung wird sich aber ergeben, daß die Dinge nicht willkürlichen Einwirkungen, sondern innern Ge¬ setzen gehorchen, und daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen können, nicht einmal in den ganz bescheidnen Himmel, den sich die Druckereiarbeiter erwerben möchten. Es ist aber anch eine zweite Frage zu stellen: ob näm¬ lich die Forderung der Lohnerhöhung überhaupt berechtigt ist, und diese soll vorweg beantwortet werden. Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert. Welcher Lohn ist min aber der der Leistung eines Arbeiters des Druckereigewerbes angemessene? In einer normalen Durchschnittsdruckerei in den Mittelpunkten des Vuch- drnckgewerbes mit Durchschuittsarbeit, die also nicht ganz besondre Kenntnisse und Geschicklichkeit erfordert, bringt es der normale Arbeiter, der das nor¬ male Maß von Geschicklichkeit und Fleiß hat, auf einen Lohn von 1400 bis *) Der Lohnberechimug der Buchdrucker liegt ein Tarif zu gründe, der die Preise für die verschiednen Salzarten (nach der Art und Größe der Schriften und nach der Komvlizirt- heit) regelt und den Gehalt der in festem Lohn stehenden Arbeiter und die Arbeitszeit be¬ stimmt. Die Grundpvsitivneu erhalten in einer Reihe von Städten einen Lokalzuschlag, der je nach de» Platzverhttltnissen verschieden hoch ist, und für Überstunden wird eine für jede Stunde steigende Vergütung gewährt. Die Arbeiter stehen in festem Wochen- oder Monats- loli» oder in „berechnetem," wo das geleistete Arbeitsquantum nach den Tarifsätzen bezahlt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/562>, abgerufen am 27.11.2024.