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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Die Wanderungen der ländlichen Bevölkerung in Preußen

sondern wegen ihrer persönlichen Vertrauenswürdigkeit, Einsicht und politischen
Parteistellung. Dann werden sie auch imstande sein, weitere Gebiete zu be¬
herrschen, und nicht nur uach dein engen Standesinteresse zu urteilen.

Ideale Forderungen! Ja wohl, aber wer hat keine? Und ich denke,
es ist immerhin nicht schlecht, wenn das Ideal eines Menschen auch etwas
Ideales an sich hat.




Die Wanderungen der ländlichen Bevölkerung
in Preußen
Lügen Leidig Von

le Wanderungen der ländlichen Bevölkerung von einem Bezirk
in den andern und von dein platten Land in die Städte haben
in Deutschland und Preußen in den letzten Jahrzehnten einen
solchen Umfang angenommen, daß sie nicht mehr bloß Gegenstand
des Studiums der Theoretiker, sondern anch ernster Erwägungen
unsrer Politiker geworden sind. Namentlich seit die Ergebnisse der Volkszäh¬
lung vom 1. Dezember 1890 gezeigt haben, daß gegenüber dem schnellen
Wachstum der Bevölkerung in den Großstädten und in den Industriebezirken
die landwirtschafttreibenden Provinzen des Ostens nnr eine geringe Zunahme,
ja sogar zum Teil eine Atmahme der Bevölkerung ausweisen, wurde der Abzug
der ländlichen Arbeiterbevölkerung des Ostens, seine Ursachen und die Mittel
dagegen in den Kreis der politischen Erörterung gezogen, und in Preußen
haben auch schon gesetzgeberische und Verwaltungsmaßregeln versucht, teils die
Ursachen dieser Bewegung zu beseitigen, teils ihre Folgen für den landwirt¬
schaftlichen Betrieb abzuschwächen.

Die Wanderbewegung der ländlichen Bevölkerung in Deutschland ist alten
Ursprungs. Schon seit dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert zieht in
immer wachsendem Umfange die Bevölkerung vom Lande in die rasch auf¬
blühenden Städte, und noch viel größere Massen wandern über die Grenzen
der heimatlichen Gaue hinweg in die den Slawen entrissenen neuerschlossenen
Marken. Das ganze Flachland zwischen Elbe und Riemen und darüber hinaus
bis zur Düua, tief nach Polen hinein und bis nach Ungarn, ist in den Jcchr-


Greuzboten IV 1895 9
Die Wanderungen der ländlichen Bevölkerung in Preußen

sondern wegen ihrer persönlichen Vertrauenswürdigkeit, Einsicht und politischen
Parteistellung. Dann werden sie auch imstande sein, weitere Gebiete zu be¬
herrschen, und nicht nur uach dein engen Standesinteresse zu urteilen.

Ideale Forderungen! Ja wohl, aber wer hat keine? Und ich denke,
es ist immerhin nicht schlecht, wenn das Ideal eines Menschen auch etwas
Ideales an sich hat.




Die Wanderungen der ländlichen Bevölkerung
in Preußen
Lügen Leidig Von

le Wanderungen der ländlichen Bevölkerung von einem Bezirk
in den andern und von dein platten Land in die Städte haben
in Deutschland und Preußen in den letzten Jahrzehnten einen
solchen Umfang angenommen, daß sie nicht mehr bloß Gegenstand
des Studiums der Theoretiker, sondern anch ernster Erwägungen
unsrer Politiker geworden sind. Namentlich seit die Ergebnisse der Volkszäh¬
lung vom 1. Dezember 1890 gezeigt haben, daß gegenüber dem schnellen
Wachstum der Bevölkerung in den Großstädten und in den Industriebezirken
die landwirtschafttreibenden Provinzen des Ostens nnr eine geringe Zunahme,
ja sogar zum Teil eine Atmahme der Bevölkerung ausweisen, wurde der Abzug
der ländlichen Arbeiterbevölkerung des Ostens, seine Ursachen und die Mittel
dagegen in den Kreis der politischen Erörterung gezogen, und in Preußen
haben auch schon gesetzgeberische und Verwaltungsmaßregeln versucht, teils die
Ursachen dieser Bewegung zu beseitigen, teils ihre Folgen für den landwirt¬
schaftlichen Betrieb abzuschwächen.

Die Wanderbewegung der ländlichen Bevölkerung in Deutschland ist alten
Ursprungs. Schon seit dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert zieht in
immer wachsendem Umfange die Bevölkerung vom Lande in die rasch auf¬
blühenden Städte, und noch viel größere Massen wandern über die Grenzen
der heimatlichen Gaue hinweg in die den Slawen entrissenen neuerschlossenen
Marken. Das ganze Flachland zwischen Elbe und Riemen und darüber hinaus
bis zur Düua, tief nach Polen hinein und bis nach Ungarn, ist in den Jcchr-


Greuzboten IV 1895 9
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[0073] Die Wanderungen der ländlichen Bevölkerung in Preußen sondern wegen ihrer persönlichen Vertrauenswürdigkeit, Einsicht und politischen Parteistellung. Dann werden sie auch imstande sein, weitere Gebiete zu be¬ herrschen, und nicht nur uach dein engen Standesinteresse zu urteilen. Ideale Forderungen! Ja wohl, aber wer hat keine? Und ich denke, es ist immerhin nicht schlecht, wenn das Ideal eines Menschen auch etwas Ideales an sich hat. Die Wanderungen der ländlichen Bevölkerung in Preußen Lügen Leidig Von le Wanderungen der ländlichen Bevölkerung von einem Bezirk in den andern und von dein platten Land in die Städte haben in Deutschland und Preußen in den letzten Jahrzehnten einen solchen Umfang angenommen, daß sie nicht mehr bloß Gegenstand des Studiums der Theoretiker, sondern anch ernster Erwägungen unsrer Politiker geworden sind. Namentlich seit die Ergebnisse der Volkszäh¬ lung vom 1. Dezember 1890 gezeigt haben, daß gegenüber dem schnellen Wachstum der Bevölkerung in den Großstädten und in den Industriebezirken die landwirtschafttreibenden Provinzen des Ostens nnr eine geringe Zunahme, ja sogar zum Teil eine Atmahme der Bevölkerung ausweisen, wurde der Abzug der ländlichen Arbeiterbevölkerung des Ostens, seine Ursachen und die Mittel dagegen in den Kreis der politischen Erörterung gezogen, und in Preußen haben auch schon gesetzgeberische und Verwaltungsmaßregeln versucht, teils die Ursachen dieser Bewegung zu beseitigen, teils ihre Folgen für den landwirt¬ schaftlichen Betrieb abzuschwächen. Die Wanderbewegung der ländlichen Bevölkerung in Deutschland ist alten Ursprungs. Schon seit dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert zieht in immer wachsendem Umfange die Bevölkerung vom Lande in die rasch auf¬ blühenden Städte, und noch viel größere Massen wandern über die Grenzen der heimatlichen Gaue hinweg in die den Slawen entrissenen neuerschlossenen Marken. Das ganze Flachland zwischen Elbe und Riemen und darüber hinaus bis zur Düua, tief nach Polen hinein und bis nach Ungarn, ist in den Jcchr- Greuzboten IV 1895 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/73>, abgerufen am 27.06.2024.