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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Die Lage des Handwerks
(Schluß)

le Schlüsse, die die Mitarbeiter der "Untersuchungen" aus der
gegenwärtigen Lage des Handwerks auf seine Zukunft ziehen,
fallen natürlich sehr verschieden ans unes den Eindrücken, die sie
in ihren verschiednen Veobachtnngsgebieten empfangen haben, und
ohne Zweifel sind sie auch hie und da von dem Optimismus
oder Pessimismus der Beobachter und ihrer Gewährsmänner beeinflußt worden.
Während Plenge die Schlußbetrachtung über die Zustünde der Leipziger Bött¬
cherei mit dem Satze beginnt: "Wir haben in der Böttcherei ein Gewerbe
kennen gelernt, das den Boden, auf dem alles Handwerk seiner Natur nach
steht, unter den Füßen verloren hat," schreibt Dr. Voigt über die Karlsruher
Küfer,*) nachdem er die Vorteile und Nachteile des Handbetriebs und des
fabrikmäßigen Maschinenbetriebs gegen einander abgewogen hat: "Jedenfalls
besteht einstweilen noch die Thatsache, daß der Handbetrieb weiter produzirt
und sich anscheinend wohl dabei befindet." Dann fährt er fort: "Wesentlich
andre Verhältnisse als in der Küserei bestehen in der einheimischen Küblerei.
Obgleich auf diesem Gebiet die Maschine der Handarbeit technisch vielleicht
noch mehr überlegen ist als bei der Faßfabrikation, hat sie doch bis jetzt noch
nicht Boden gewinnen können." Und die Schlußbetrachtung über das Gesamt¬
ergebnis seiner zwcinndzwnnzig Karlsruher Kleingewerbe umfassenden Unter¬
suchungen leitet er mit dem Satze ein: "Vorläufig macht das Karlsruher
Handwerk, trotz aller Misere im einzelnen, noch nicht den Eindruck einer unter¬
gehenden Welt." Dieser Unterschied wird wohl daher rühren, daß Leipzig als
Großstadt für den Sieg der Großindustrie und des Handels über das Klein¬
gewerbe günstigere Bedingungen schafft als das badische Laud mit seiner noch
ziemlich gesunden Besitzverteiluug und seiner nur 78000 Einwohner zählenden
Hauptstadt. Nicht alle Mitarbeiter drücken sich so vorsichtig und genau aus
wie Heckscher, der von den Schuhmachern Altonas sagt: "Ein kleiner Kern
tüchtiger, selbständiger Handwerker ist zu erhalten; für die Masse giebt es keine



In Süddentschlmid hat sich die Böttcherei von jeher in zwei Zweige geschieden, die
Knserei, die Fässer bindet und die Kellerei betreibt, und die Knblerei, die Kübel und
Zuber liefert.
Grenzlwlen IV l"95 Zi


Die Lage des Handwerks
(Schluß)

le Schlüsse, die die Mitarbeiter der „Untersuchungen" aus der
gegenwärtigen Lage des Handwerks auf seine Zukunft ziehen,
fallen natürlich sehr verschieden ans unes den Eindrücken, die sie
in ihren verschiednen Veobachtnngsgebieten empfangen haben, und
ohne Zweifel sind sie auch hie und da von dem Optimismus
oder Pessimismus der Beobachter und ihrer Gewährsmänner beeinflußt worden.
Während Plenge die Schlußbetrachtung über die Zustünde der Leipziger Bött¬
cherei mit dem Satze beginnt: „Wir haben in der Böttcherei ein Gewerbe
kennen gelernt, das den Boden, auf dem alles Handwerk seiner Natur nach
steht, unter den Füßen verloren hat," schreibt Dr. Voigt über die Karlsruher
Küfer,*) nachdem er die Vorteile und Nachteile des Handbetriebs und des
fabrikmäßigen Maschinenbetriebs gegen einander abgewogen hat: „Jedenfalls
besteht einstweilen noch die Thatsache, daß der Handbetrieb weiter produzirt
und sich anscheinend wohl dabei befindet." Dann fährt er fort: „Wesentlich
andre Verhältnisse als in der Küserei bestehen in der einheimischen Küblerei.
Obgleich auf diesem Gebiet die Maschine der Handarbeit technisch vielleicht
noch mehr überlegen ist als bei der Faßfabrikation, hat sie doch bis jetzt noch
nicht Boden gewinnen können." Und die Schlußbetrachtung über das Gesamt¬
ergebnis seiner zwcinndzwnnzig Karlsruher Kleingewerbe umfassenden Unter¬
suchungen leitet er mit dem Satze ein: „Vorläufig macht das Karlsruher
Handwerk, trotz aller Misere im einzelnen, noch nicht den Eindruck einer unter¬
gehenden Welt." Dieser Unterschied wird wohl daher rühren, daß Leipzig als
Großstadt für den Sieg der Großindustrie und des Handels über das Klein¬
gewerbe günstigere Bedingungen schafft als das badische Laud mit seiner noch
ziemlich gesunden Besitzverteiluug und seiner nur 78000 Einwohner zählenden
Hauptstadt. Nicht alle Mitarbeiter drücken sich so vorsichtig und genau aus
wie Heckscher, der von den Schuhmachern Altonas sagt: „Ein kleiner Kern
tüchtiger, selbständiger Handwerker ist zu erhalten; für die Masse giebt es keine



In Süddentschlmid hat sich die Böttcherei von jeher in zwei Zweige geschieden, die
Knserei, die Fässer bindet und die Kellerei betreibt, und die Knblerei, die Kübel und
Zuber liefert.
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[0169] [Abbildung] Die Lage des Handwerks (Schluß) le Schlüsse, die die Mitarbeiter der „Untersuchungen" aus der gegenwärtigen Lage des Handwerks auf seine Zukunft ziehen, fallen natürlich sehr verschieden ans unes den Eindrücken, die sie in ihren verschiednen Veobachtnngsgebieten empfangen haben, und ohne Zweifel sind sie auch hie und da von dem Optimismus oder Pessimismus der Beobachter und ihrer Gewährsmänner beeinflußt worden. Während Plenge die Schlußbetrachtung über die Zustünde der Leipziger Bött¬ cherei mit dem Satze beginnt: „Wir haben in der Böttcherei ein Gewerbe kennen gelernt, das den Boden, auf dem alles Handwerk seiner Natur nach steht, unter den Füßen verloren hat," schreibt Dr. Voigt über die Karlsruher Küfer,*) nachdem er die Vorteile und Nachteile des Handbetriebs und des fabrikmäßigen Maschinenbetriebs gegen einander abgewogen hat: „Jedenfalls besteht einstweilen noch die Thatsache, daß der Handbetrieb weiter produzirt und sich anscheinend wohl dabei befindet." Dann fährt er fort: „Wesentlich andre Verhältnisse als in der Küserei bestehen in der einheimischen Küblerei. Obgleich auf diesem Gebiet die Maschine der Handarbeit technisch vielleicht noch mehr überlegen ist als bei der Faßfabrikation, hat sie doch bis jetzt noch nicht Boden gewinnen können." Und die Schlußbetrachtung über das Gesamt¬ ergebnis seiner zwcinndzwnnzig Karlsruher Kleingewerbe umfassenden Unter¬ suchungen leitet er mit dem Satze ein: „Vorläufig macht das Karlsruher Handwerk, trotz aller Misere im einzelnen, noch nicht den Eindruck einer unter¬ gehenden Welt." Dieser Unterschied wird wohl daher rühren, daß Leipzig als Großstadt für den Sieg der Großindustrie und des Handels über das Klein¬ gewerbe günstigere Bedingungen schafft als das badische Laud mit seiner noch ziemlich gesunden Besitzverteiluug und seiner nur 78000 Einwohner zählenden Hauptstadt. Nicht alle Mitarbeiter drücken sich so vorsichtig und genau aus wie Heckscher, der von den Schuhmachern Altonas sagt: „Ein kleiner Kern tüchtiger, selbständiger Handwerker ist zu erhalten; für die Masse giebt es keine In Süddentschlmid hat sich die Böttcherei von jeher in zwei Zweige geschieden, die Knserei, die Fässer bindet und die Kellerei betreibt, und die Knblerei, die Kübel und Zuber liefert. Grenzlwlen IV l»95 Zi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/169>, abgerufen am 27.06.2024.