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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Abfluß des zur Erhaltung des Gutes notwendigen Kapitalstocks, und der
Erwerber, sei er Teilcrbe oder Käufer, der mit zu schwachen Mitteln den Besitz
antritt und diese Mittel nicht durch hervorragende eigne Kraft oder durch
Heirat ergänzen kann, muß stets der Ablösung gewärtig sein, sie kommt mit
Sicherheit früher oder später, je nach dem Wechsel in der Weltwirtschaft.

Was wir hier ausgeführt haben, gilt in erster Reihe für den Großgrund¬
besitz, die alten Rittergüter, aber auch für die Bauern. Es bilden sich auch
neue Bauern aus dem Stande der ländlichen Aufseher, Kutscher, Gärtner und
Handwerker, namentlich der Landmaurer, selbst aus Fleischern und Vieh¬
händlern.

Erschweren wir unsern Landwirten, den großen wie den kleinen, ihr hartes
Brot nicht mit Gesetzesexperimenten und plötzlichen, drückenden Geldauflcigeu,
lassen wir uns aber auch nicht durch Geschrei kopfscheu macheu. Die Land¬
wirtschaft geht in Deutschland noch nicht zu Gründe, auch wenn zeitweise
billigere Getreidepreise einen scheinbar schnellern und schmerzhaften Wechsel in
dem Personalbestände der Landwirte herbeiführt. Sie geht nicht zu Grunde,
dafür sorgt der Kreislauf des Goldes und der Einfluß der Scholle.




Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik
5. Australien

in 29. Januar ist in Hobart-Towu, der Hauptstadt Tasmaniens,
eine Konferenz der leitenden Minister und zugleich eine Ver¬
sammlung von Vertretern der sieben australischen Kolonien zu¬
sammengetreten, um deu Weg zu einem politischen und wirt¬
schaftlichen Bunde zu finden, der seit Jahren gesucht wird. Vor
vier Jahren hatte ihn eine ähnliche Vereinigung in Melbourne schon ziemlich
klar gewiesen. Dazwischen kam die unheilvolle Handelskrise, die wie ein Wirbel¬
sturm über Australien und Neuseeland hingebraust ist und nur noch an das
Nächste, vor allem an Rettung denken ließ. Aber sobald die Ruhe zurückgekehrt
war, drängte sich der alte Wunsch wieder an die Oberfläche, und die Konferenz
erklärte in ihrer ersten Sitzung die Föderation als die wichtigste Frage des
Tages. Dem jünger" Geschlecht der Australier ist das Bedürfnis nach einer
politischen Form ihrer wachsenden Selbständigkeit offenbar dringend geworden.
Natürlich denkt kaum einer, der dafür eintritt, an Losreißung vom Mutter¬
lande; daß aber die Föderation einen Schritt zu diesem Ziele bedeutet, ist klar.
Das Ziel mag sehr fern sein, die Föderation bleibt doch eine Fortbewegung auf


Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Abfluß des zur Erhaltung des Gutes notwendigen Kapitalstocks, und der
Erwerber, sei er Teilcrbe oder Käufer, der mit zu schwachen Mitteln den Besitz
antritt und diese Mittel nicht durch hervorragende eigne Kraft oder durch
Heirat ergänzen kann, muß stets der Ablösung gewärtig sein, sie kommt mit
Sicherheit früher oder später, je nach dem Wechsel in der Weltwirtschaft.

Was wir hier ausgeführt haben, gilt in erster Reihe für den Großgrund¬
besitz, die alten Rittergüter, aber auch für die Bauern. Es bilden sich auch
neue Bauern aus dem Stande der ländlichen Aufseher, Kutscher, Gärtner und
Handwerker, namentlich der Landmaurer, selbst aus Fleischern und Vieh¬
händlern.

Erschweren wir unsern Landwirten, den großen wie den kleinen, ihr hartes
Brot nicht mit Gesetzesexperimenten und plötzlichen, drückenden Geldauflcigeu,
lassen wir uns aber auch nicht durch Geschrei kopfscheu macheu. Die Land¬
wirtschaft geht in Deutschland noch nicht zu Gründe, auch wenn zeitweise
billigere Getreidepreise einen scheinbar schnellern und schmerzhaften Wechsel in
dem Personalbestände der Landwirte herbeiführt. Sie geht nicht zu Grunde,
dafür sorgt der Kreislauf des Goldes und der Einfluß der Scholle.




Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik
5. Australien

in 29. Januar ist in Hobart-Towu, der Hauptstadt Tasmaniens,
eine Konferenz der leitenden Minister und zugleich eine Ver¬
sammlung von Vertretern der sieben australischen Kolonien zu¬
sammengetreten, um deu Weg zu einem politischen und wirt¬
schaftlichen Bunde zu finden, der seit Jahren gesucht wird. Vor
vier Jahren hatte ihn eine ähnliche Vereinigung in Melbourne schon ziemlich
klar gewiesen. Dazwischen kam die unheilvolle Handelskrise, die wie ein Wirbel¬
sturm über Australien und Neuseeland hingebraust ist und nur noch an das
Nächste, vor allem an Rettung denken ließ. Aber sobald die Ruhe zurückgekehrt
war, drängte sich der alte Wunsch wieder an die Oberfläche, und die Konferenz
erklärte in ihrer ersten Sitzung die Föderation als die wichtigste Frage des
Tages. Dem jünger» Geschlecht der Australier ist das Bedürfnis nach einer
politischen Form ihrer wachsenden Selbständigkeit offenbar dringend geworden.
Natürlich denkt kaum einer, der dafür eintritt, an Losreißung vom Mutter¬
lande; daß aber die Föderation einen Schritt zu diesem Ziele bedeutet, ist klar.
Das Ziel mag sehr fern sein, die Föderation bleibt doch eine Fortbewegung auf


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[0310] Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik Abfluß des zur Erhaltung des Gutes notwendigen Kapitalstocks, und der Erwerber, sei er Teilcrbe oder Käufer, der mit zu schwachen Mitteln den Besitz antritt und diese Mittel nicht durch hervorragende eigne Kraft oder durch Heirat ergänzen kann, muß stets der Ablösung gewärtig sein, sie kommt mit Sicherheit früher oder später, je nach dem Wechsel in der Weltwirtschaft. Was wir hier ausgeführt haben, gilt in erster Reihe für den Großgrund¬ besitz, die alten Rittergüter, aber auch für die Bauern. Es bilden sich auch neue Bauern aus dem Stande der ländlichen Aufseher, Kutscher, Gärtner und Handwerker, namentlich der Landmaurer, selbst aus Fleischern und Vieh¬ händlern. Erschweren wir unsern Landwirten, den großen wie den kleinen, ihr hartes Brot nicht mit Gesetzesexperimenten und plötzlichen, drückenden Geldauflcigeu, lassen wir uns aber auch nicht durch Geschrei kopfscheu macheu. Die Land¬ wirtschaft geht in Deutschland noch nicht zu Gründe, auch wenn zeitweise billigere Getreidepreise einen scheinbar schnellern und schmerzhaften Wechsel in dem Personalbestände der Landwirte herbeiführt. Sie geht nicht zu Grunde, dafür sorgt der Kreislauf des Goldes und der Einfluß der Scholle. Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik 5. Australien in 29. Januar ist in Hobart-Towu, der Hauptstadt Tasmaniens, eine Konferenz der leitenden Minister und zugleich eine Ver¬ sammlung von Vertretern der sieben australischen Kolonien zu¬ sammengetreten, um deu Weg zu einem politischen und wirt¬ schaftlichen Bunde zu finden, der seit Jahren gesucht wird. Vor vier Jahren hatte ihn eine ähnliche Vereinigung in Melbourne schon ziemlich klar gewiesen. Dazwischen kam die unheilvolle Handelskrise, die wie ein Wirbel¬ sturm über Australien und Neuseeland hingebraust ist und nur noch an das Nächste, vor allem an Rettung denken ließ. Aber sobald die Ruhe zurückgekehrt war, drängte sich der alte Wunsch wieder an die Oberfläche, und die Konferenz erklärte in ihrer ersten Sitzung die Föderation als die wichtigste Frage des Tages. Dem jünger» Geschlecht der Australier ist das Bedürfnis nach einer politischen Form ihrer wachsenden Selbständigkeit offenbar dringend geworden. Natürlich denkt kaum einer, der dafür eintritt, an Losreißung vom Mutter¬ lande; daß aber die Föderation einen Schritt zu diesem Ziele bedeutet, ist klar. Das Ziel mag sehr fern sein, die Föderation bleibt doch eine Fortbewegung auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/310>, abgerufen am 24.08.2024.