Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches So wird auch die "Hilfe" des Pfarrers Naumann in jenem Beschluß der Gro߬ Die Frage des Auskunfts- und Rechtsbüreans ist auch noch uach einer andern Die Ausschließung von N eichstagsab geordneten. Wenn sich das Maßgebliches und Unmaßgebliches So wird auch die „Hilfe" des Pfarrers Naumann in jenem Beschluß der Gro߬ Die Frage des Auskunfts- und Rechtsbüreans ist auch noch uach einer andern Die Ausschließung von N eichstagsab geordneten. Wenn sich das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219248"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_711" prev="#ID_710"> So wird auch die „Hilfe" des Pfarrers Naumann in jenem Beschluß der Gro߬<lb/> industriellen als sozialdemokratisch bezeichnet und soll ebenfalls boykottirt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_712"> Die Frage des Auskunfts- und Rechtsbüreans ist auch noch uach einer andern<lb/> Richtung hin bedeutungsvoll. Einer der Hauptgründe, die den evangelischen Geist¬<lb/> lichen hiesiger Gegend die Einrichtung des Bureaus nahelegten, war das jetzt etwa<lb/> anderthalbjährige Bestehen des hiesigen katholischen Bolksbüreaus, das für eine Mark<lb/> jährlichen Beitrag den Arbeitern kostenfrei Rechtsbeistand gewährt, und zwar in<lb/> noch größerm Maße, als es das Bureau der evangelischen Arbeitervereine beab¬<lb/> sichtigt. Es konnte bei der regen Thätigkeit und den Erfolgen des katholischen<lb/> Bolksbüreaus nicht ausbleibe», daß ihm auch viele evangelische Arbeiter beitraten.<lb/> War es dn nicht geradezu die Pflicht der evangelischen Geistlichen, dem so deutlich<lb/> hervortretenden Bedürfnis ihrer Gemeindemitglieder entgegenzukommen und ihnen<lb/> zu zeigen, daß sie nicht gezwungen seien, sich zur Vertretung ihrer Interessen an<lb/> die andre Konfession zu wenden? Warum aber blieb das katholische Volksbüreau<lb/> bei den Industriellen unangefochten? Einer von ihnen hat die Antwort darauf<lb/> gegeben: „Mit diesen Leuten ist ja doch nichts zu machen." Das heißt: Greifen<lb/> wir das katholische Volksbüreau an, so bekommen wir mit der ganzen Zentrums¬<lb/> presse zu thun. Man sieht, wohin es führt, wenn Rechtsfragen zu Machtfragen<lb/> gemacht werden.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Ausschließung von N eichstagsab geordneten.</head> <p xml:id="ID_713" next="#ID_714"> Wenn sich das<lb/> Zentrum in seiner Gesamtheit zu der Auffassung bekennt, die am 14. Januar sein<lb/> Wortführer in der Geschäftsvrdnungskommission zum besten gegeben hat, so ist zu<lb/> befürchten, daß die wirksamste Waffe, womit Herr vou Levetzow die ihm anver¬<lb/> traute Würde des deutscheu Reichstags verteidigen möchte, unbenutzt in die Rüst¬<lb/> kammer zurückkehrt. Wie steht es nun um das Bedenke», hinter dem die Parteien,<lb/> die einer schärfern Handhabung des Hausrechts im Reichstag widerstreben, ihr<lb/> Nein zu verschanzen suchen? Zunächst ist festzustellen, daß die Verfassung selbst<lb/> über die angeregte Frage schweigt. Der ans Anlaß der bekannten sozialdemo¬<lb/> kratischen Ungezogenheit in letzter Zeit oft genannte H ZV, worin gesagt wird,<lb/> daß kein Mitglied wegen seiner Abstimmung oder der in Ausübung seines Berufs<lb/> gethanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb<lb/> der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden dürfe, läßt sich natürlich<lb/> nicht heranziehen, weil darin nur von einem Disziplinarverfahren außerhalb des<lb/> Hanfes, d. h. gegen Beamte, die dem Reichstag angehören, die Rede ist. Aber<lb/> das Schweigen der Verfassung wird beredt durch eine richterliche Auslegung des<lb/> 8 27. Hier heißt es nämlich, daß der Reichstag seinen Geschäftsgang und seine<lb/> Disziplin durch eine Geschäftsordnung zu regeln habe. In Zweifel zu ziehen,<lb/> was an dieser Stelle mit dem Wort Disziplin gemeint ist, blieb dem Scharfsinn<lb/> der Herren Bachem, Singer und Träger vorbehalten, während bis vor kurzem<lb/> alle Welt darüber einig war, daß die gegenwärtig für, bestimmte Fälle beantragte<lb/> zeitweilige Ausschließung eines Abgeordneten zu jenen Mitteln der Disziplin gehört,<lb/> über die uach § 27 der Reichstag auf dem Wege der Geschäftsordnung zu be¬<lb/> stimmen hat. Die hie und da geäußerte Ansicht, daß durch den Ausschluß eines<lb/> Abgeordneten die verfassungsmnßigeu Rechte seiner Wähler geschmälert würden,<lb/> wird, abgesehen von andern Gründen, schon hinfällig durch den Inhalt des §29,<lb/> wonach ein Abgeordneter als Vertreter des gesamten Volks, nicht etwa bloß als<lb/> Vertreter seiner Wähler oder seines Wahlkreises betrachtet werden muß. Daß<lb/> thatsächlich von gewisser Seite bei diesem Anlaß nichts andres versucht wird, als</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
So wird auch die „Hilfe" des Pfarrers Naumann in jenem Beschluß der Gro߬
industriellen als sozialdemokratisch bezeichnet und soll ebenfalls boykottirt werden.
Die Frage des Auskunfts- und Rechtsbüreans ist auch noch uach einer andern
Richtung hin bedeutungsvoll. Einer der Hauptgründe, die den evangelischen Geist¬
lichen hiesiger Gegend die Einrichtung des Bureaus nahelegten, war das jetzt etwa
anderthalbjährige Bestehen des hiesigen katholischen Bolksbüreaus, das für eine Mark
jährlichen Beitrag den Arbeitern kostenfrei Rechtsbeistand gewährt, und zwar in
noch größerm Maße, als es das Bureau der evangelischen Arbeitervereine beab¬
sichtigt. Es konnte bei der regen Thätigkeit und den Erfolgen des katholischen
Bolksbüreaus nicht ausbleibe», daß ihm auch viele evangelische Arbeiter beitraten.
War es dn nicht geradezu die Pflicht der evangelischen Geistlichen, dem so deutlich
hervortretenden Bedürfnis ihrer Gemeindemitglieder entgegenzukommen und ihnen
zu zeigen, daß sie nicht gezwungen seien, sich zur Vertretung ihrer Interessen an
die andre Konfession zu wenden? Warum aber blieb das katholische Volksbüreau
bei den Industriellen unangefochten? Einer von ihnen hat die Antwort darauf
gegeben: „Mit diesen Leuten ist ja doch nichts zu machen." Das heißt: Greifen
wir das katholische Volksbüreau an, so bekommen wir mit der ganzen Zentrums¬
presse zu thun. Man sieht, wohin es führt, wenn Rechtsfragen zu Machtfragen
gemacht werden.
Die Ausschließung von N eichstagsab geordneten. Wenn sich das
Zentrum in seiner Gesamtheit zu der Auffassung bekennt, die am 14. Januar sein
Wortführer in der Geschäftsvrdnungskommission zum besten gegeben hat, so ist zu
befürchten, daß die wirksamste Waffe, womit Herr vou Levetzow die ihm anver¬
traute Würde des deutscheu Reichstags verteidigen möchte, unbenutzt in die Rüst¬
kammer zurückkehrt. Wie steht es nun um das Bedenke», hinter dem die Parteien,
die einer schärfern Handhabung des Hausrechts im Reichstag widerstreben, ihr
Nein zu verschanzen suchen? Zunächst ist festzustellen, daß die Verfassung selbst
über die angeregte Frage schweigt. Der ans Anlaß der bekannten sozialdemo¬
kratischen Ungezogenheit in letzter Zeit oft genannte H ZV, worin gesagt wird,
daß kein Mitglied wegen seiner Abstimmung oder der in Ausübung seines Berufs
gethanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb
der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden dürfe, läßt sich natürlich
nicht heranziehen, weil darin nur von einem Disziplinarverfahren außerhalb des
Hanfes, d. h. gegen Beamte, die dem Reichstag angehören, die Rede ist. Aber
das Schweigen der Verfassung wird beredt durch eine richterliche Auslegung des
8 27. Hier heißt es nämlich, daß der Reichstag seinen Geschäftsgang und seine
Disziplin durch eine Geschäftsordnung zu regeln habe. In Zweifel zu ziehen,
was an dieser Stelle mit dem Wort Disziplin gemeint ist, blieb dem Scharfsinn
der Herren Bachem, Singer und Träger vorbehalten, während bis vor kurzem
alle Welt darüber einig war, daß die gegenwärtig für, bestimmte Fälle beantragte
zeitweilige Ausschließung eines Abgeordneten zu jenen Mitteln der Disziplin gehört,
über die uach § 27 der Reichstag auf dem Wege der Geschäftsordnung zu be¬
stimmen hat. Die hie und da geäußerte Ansicht, daß durch den Ausschluß eines
Abgeordneten die verfassungsmnßigeu Rechte seiner Wähler geschmälert würden,
wird, abgesehen von andern Gründen, schon hinfällig durch den Inhalt des §29,
wonach ein Abgeordneter als Vertreter des gesamten Volks, nicht etwa bloß als
Vertreter seiner Wähler oder seines Wahlkreises betrachtet werden muß. Daß
thatsächlich von gewisser Seite bei diesem Anlaß nichts andres versucht wird, als
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