Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.machte ihm unendliche Freude, neben diesem schlanken, vornehmen Mädchen Als mau sich nach einstündigem Spaziergange wieder dem Hause näherte. Maßgebliches und Unmaßgebliches Der menschliche und der unmenschliche Kampf uns Dasein. Spinozas machte ihm unendliche Freude, neben diesem schlanken, vornehmen Mädchen Als mau sich nach einstündigem Spaziergange wieder dem Hause näherte. Maßgebliches und Unmaßgebliches Der menschliche und der unmenschliche Kampf uns Dasein. Spinozas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219241"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690"> machte ihm unendliche Freude, neben diesem schlanken, vornehmen Mädchen<lb/> herzugehen und von der Liebe und dem Schicksal fremder Romaugestalteu zu<lb/> fabeln, sich Bücher empfehlen zu lassen und selbst auf dieses oder jenes auf¬<lb/> merksam zu macheu. Das Ganze war zwar harmlos, das Litteraturgespräch<lb/> müssig, aber sichtlich war es anregender als die Tischunterredung mit den vor¬<lb/> nehmen alten Damen, von denen die eine am besten in ihrem Wäscheschränke<lb/> Bescheid wußte, die andre nur in alte» Familienüberlieferungeu, alle aber in<lb/> einer Anschauung der Dinge lebten, die er wohl nicht ganz verstand, und die<lb/> ihn nicht anzog. Über sein Amt zu sprechen, religiöse Fragen zu berühren<lb/> und einen Standpunkt zu gewinnen, von dem ans sich diese ganze Marien-<lb/> zeller Welt schon in ein Gesamtbild eingeordnet hätte, fand sich kein Anlaß.<lb/> Pastor Klages war auch zu wenig an selbständiges Denken gewöhnt, als daß<lb/> er dem Gespräch einen tiefern Gehalt hätte geben können; es ging ihm wie so<lb/> vielen: die Studien, Menschen und Erlebnisse wirkten auf ihn ein, ohne kräf¬<lb/> tige und entscheidende Eindrücke zu hinterlassen. Gesehen und erlebt hatte er<lb/> auch noch wenig, und wie die meisten, verstand er es eigentlich auch nicht recht,<lb/> etwas zu erleben.</p><lb/> <p xml:id="ID_692"> Als mau sich nach einstündigem Spaziergange wieder dem Hause näherte.<lb/> sprang vor der Hausthür gerade der Rechtsanwalt von seinem Rade. Für<lb/> den Pastor Klages war damit plötzlich die schöne Stimmung dahin, und er<lb/> beschloß, nach Hause zu gehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Der menschliche und der unmenschliche Kampf uns Dasein.</head> <p xml:id="ID_693" next="#ID_694"> Spinozas<lb/> Wort: Homo Iwwiui nisus ist weit wahrer als das Homo iwmini lupus des ihm<lb/> im übrigen Seelenverwandten Hvvbes. Jedes Glück quillt dem Menschen aus dein<lb/> Menschen, und stammt es auch ursprünglich von droben, so wird es ihm doch<lb/> durch Menschen vermittelt. Sein Kampf ums Dasein ist ein Kampf mit der<lb/> Natur, ein Kampf, in dem der menschliche Genosse und Helfer gar nicht entbehrt<lb/> werden kann, und der, je mehr die Zahl der hilfreiche» Genossen wächst, desto<lb/> leichter und erfolgreicher wird. In den unmenschlichen Kampf des Menschen mit<lb/> dem Menschen wird der menschliche Kampf mit der Natur teils durch Schuld, teils<lb/> durch Not verwandelt; durch Schuld, wenn sich die einen auf Kosten der andern<lb/> mehr vom Arbeitserträge aneignen, als ihnen zukommt, oder wenn sie andre zwinge»,<lb/> den Kampf mit der Natur für sie auszufechten; durch Not, wenn besondrer Um¬<lb/> stünde wegen das der Natur nbgeruugne nicht zureicht. Daß der bei uns gegen¬<lb/> wärtig wütende unmenschliche Kampf ums Dasein mehr der Not als der Schuld<lb/> zu entspringen scheint, dafür haben wir in den letzten Tagen zwei merkwürdige</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
machte ihm unendliche Freude, neben diesem schlanken, vornehmen Mädchen
herzugehen und von der Liebe und dem Schicksal fremder Romaugestalteu zu
fabeln, sich Bücher empfehlen zu lassen und selbst auf dieses oder jenes auf¬
merksam zu macheu. Das Ganze war zwar harmlos, das Litteraturgespräch
müssig, aber sichtlich war es anregender als die Tischunterredung mit den vor¬
nehmen alten Damen, von denen die eine am besten in ihrem Wäscheschränke
Bescheid wußte, die andre nur in alte» Familienüberlieferungeu, alle aber in
einer Anschauung der Dinge lebten, die er wohl nicht ganz verstand, und die
ihn nicht anzog. Über sein Amt zu sprechen, religiöse Fragen zu berühren
und einen Standpunkt zu gewinnen, von dem ans sich diese ganze Marien-
zeller Welt schon in ein Gesamtbild eingeordnet hätte, fand sich kein Anlaß.
Pastor Klages war auch zu wenig an selbständiges Denken gewöhnt, als daß
er dem Gespräch einen tiefern Gehalt hätte geben können; es ging ihm wie so
vielen: die Studien, Menschen und Erlebnisse wirkten auf ihn ein, ohne kräf¬
tige und entscheidende Eindrücke zu hinterlassen. Gesehen und erlebt hatte er
auch noch wenig, und wie die meisten, verstand er es eigentlich auch nicht recht,
etwas zu erleben.
Als mau sich nach einstündigem Spaziergange wieder dem Hause näherte.
sprang vor der Hausthür gerade der Rechtsanwalt von seinem Rade. Für
den Pastor Klages war damit plötzlich die schöne Stimmung dahin, und er
beschloß, nach Hause zu gehen.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Der menschliche und der unmenschliche Kampf uns Dasein. Spinozas
Wort: Homo Iwwiui nisus ist weit wahrer als das Homo iwmini lupus des ihm
im übrigen Seelenverwandten Hvvbes. Jedes Glück quillt dem Menschen aus dein
Menschen, und stammt es auch ursprünglich von droben, so wird es ihm doch
durch Menschen vermittelt. Sein Kampf ums Dasein ist ein Kampf mit der
Natur, ein Kampf, in dem der menschliche Genosse und Helfer gar nicht entbehrt
werden kann, und der, je mehr die Zahl der hilfreiche» Genossen wächst, desto
leichter und erfolgreicher wird. In den unmenschlichen Kampf des Menschen mit
dem Menschen wird der menschliche Kampf mit der Natur teils durch Schuld, teils
durch Not verwandelt; durch Schuld, wenn sich die einen auf Kosten der andern
mehr vom Arbeitserträge aneignen, als ihnen zukommt, oder wenn sie andre zwinge»,
den Kampf mit der Natur für sie auszufechten; durch Not, wenn besondrer Um¬
stünde wegen das der Natur nbgeruugne nicht zureicht. Daß der bei uns gegen¬
wärtig wütende unmenschliche Kampf ums Dasein mehr der Not als der Schuld
zu entspringen scheint, dafür haben wir in den letzten Tagen zwei merkwürdige
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