Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.Sozialdemokratie und Antisemitismus ein - ° sagte der alte Hohns, wenn er abends ans dem kreise Es war damals in der Ära des um seine Rechte kämpfenden liberalen Abotcn IV 1893 76
Sozialdemokratie und Antisemitismus ein - ° sagte der alte Hohns, wenn er abends ans dem kreise Es war damals in der Ära des um seine Rechte kämpfenden liberalen Abotcn IV 1893 76
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0609" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216333"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_215723/figures/grenzboten_341857_215723_216333_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Sozialdemokratie und Antisemitismus</head><lb/> <p xml:id="ID_2388"> ein - ° sagte der alte Hohns, wenn er abends ans dem kreise<lb/> der Freunde schied und diese ihn zu weiteren Verweilen bewegen<lb/> wollten — nein, meine Zeit ist um, ich muß heute Abend noch<lb/> einen Artelorum schreiben. Wer Spielhagens Problematische<lb/> Naturen gelesen hat, weiß ungefähr Bescheid: der alte Hoyus,<lb/> der übrigens damals noch gar nicht so sehr viel Jahre zählte, war Anfang<lb/> sechziger Jahre in Hannover Redakteur an der später eingegangnen Zeitung<lb/> für Norddeutschland. Er besorgte den politischen Teil, und wer am andern<lb/> Morgen den in Aussicht gestellten „Artelorum" — er meinte damit einen<lb/> Leitartikel — las, der mußte sich, wenn er nur halbwegs zu den Gesinnungs¬<lb/> genossen der Norddeutschen gehörte, nach allen Seiten hin in hohem Maße<lb/> ^friedigt suhlen. Denn er hatte eine Arbeit vor sich, die ebenso sprachlich<lb/> korrekt wie stilgerecht war und in der Vertretung der liberalen Ideen wie in<lb/> ^er Bekämpfung der reaktionären hannoverschen Regierung soviel Gesinnnngs-<lb/> ^üchtigkeit und Mannesmnt bewies, wie man nnr irgend wünschen konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2389" next="#ID_2390"> Es war damals in der Ära des um seine Rechte kämpfenden liberalen<lb/> Bürgertums, die eigentlichste Zeit der Leitartikel. Niemals vorher und nie¬<lb/> mals nachher haben die Leitartikel so in Blüte gestanden. Keine Zeitung von<lb/> einiger Bedeutung durfte frühmorgens erscheinen, ohne mit dem Leitartikel<lb/> geziert zu sein. Es waren das Arbeite,, von ganz besondrer Art, häufig vou<lb/> schwerfälligem deutschem Ernst und deutscher Gründlichkeit, meistens von lang¬<lb/> atmigem Doktrinarismus, aber doch auch nicht ohne das Feuer, das seine<lb/> ^»hrung aus den Ideen zieht. Jetzt ist die Art zwar noch lange nicht cms-<lb/> Mtorben, aber sie ist doch in der Umbildung begriffen. Die vormals zum<lb/> Angriff bliesen, sind jetzt in der Verteidigungsstellnng. Das nationale Car-<lb/> ^co, würde vielleicht Carlyle sagen, steht nicht mehr in den Reihen einer<lb/> Greii</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Abotcn IV 1893 76</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0609]
[Abbildung]
Sozialdemokratie und Antisemitismus
ein - ° sagte der alte Hohns, wenn er abends ans dem kreise
der Freunde schied und diese ihn zu weiteren Verweilen bewegen
wollten — nein, meine Zeit ist um, ich muß heute Abend noch
einen Artelorum schreiben. Wer Spielhagens Problematische
Naturen gelesen hat, weiß ungefähr Bescheid: der alte Hoyus,
der übrigens damals noch gar nicht so sehr viel Jahre zählte, war Anfang
sechziger Jahre in Hannover Redakteur an der später eingegangnen Zeitung
für Norddeutschland. Er besorgte den politischen Teil, und wer am andern
Morgen den in Aussicht gestellten „Artelorum" — er meinte damit einen
Leitartikel — las, der mußte sich, wenn er nur halbwegs zu den Gesinnungs¬
genossen der Norddeutschen gehörte, nach allen Seiten hin in hohem Maße
^friedigt suhlen. Denn er hatte eine Arbeit vor sich, die ebenso sprachlich
korrekt wie stilgerecht war und in der Vertretung der liberalen Ideen wie in
^er Bekämpfung der reaktionären hannoverschen Regierung soviel Gesinnnngs-
^üchtigkeit und Mannesmnt bewies, wie man nnr irgend wünschen konnte.
Es war damals in der Ära des um seine Rechte kämpfenden liberalen
Bürgertums, die eigentlichste Zeit der Leitartikel. Niemals vorher und nie¬
mals nachher haben die Leitartikel so in Blüte gestanden. Keine Zeitung von
einiger Bedeutung durfte frühmorgens erscheinen, ohne mit dem Leitartikel
geziert zu sein. Es waren das Arbeite,, von ganz besondrer Art, häufig vou
schwerfälligem deutschem Ernst und deutscher Gründlichkeit, meistens von lang¬
atmigem Doktrinarismus, aber doch auch nicht ohne das Feuer, das seine
^»hrung aus den Ideen zieht. Jetzt ist die Art zwar noch lange nicht cms-
Mtorben, aber sie ist doch in der Umbildung begriffen. Die vormals zum
Angriff bliesen, sind jetzt in der Verteidigungsstellnng. Das nationale Car-
^co, würde vielleicht Carlyle sagen, steht nicht mehr in den Reihen einer
Greii
Abotcn IV 1893 76
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |