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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Lcmdarbeiterfrago

Die schädliche" Zeitgeschäfte in Spiritus, meist reine Glücksspiele, bei denen die
Brenner, insbesondre die Landwirte, jetzt abgeschlachtet werden, würden weg¬
fallen. Der Branntwein würde dann von vollkommen gereinigtem, fnselfreiem
Spiritus hergestellt werden, während jetzt die fürchterliche, noch die folgenden
Generationen mit treffende Alkohvlpest so ungeheuer groß ist hauptsächlich
infolge des Fusels, der wegen ungenügender Reinigung des Spiritus vielfach
in diesem gelassen wird. Endlich ist zu bedenken, daß, wenn irgend ein Ver¬
brauchsartikel zum Gegenstande eines Monopols gemacht werden soll, sich kaum
irgend ein andrer so dazu eignet, wie der Spiritus, weil es da keinerlei Ge¬
schmacksunterschiede giebt, und weil sich Güte und Wert beim Einkauf und beim
Verkauf immer unbestreitbar feststellen lassen.

Wenn unsre Vorschläge Annahme fänden, so würden die neuen Steuern
in bedeutender Höhe leicht zu tragen sein, und die Verhandlungen zur Fest¬
stellung der Steuergesetze würden sich viel weniger aufregend abspielen, als
wenn die jetzt zu erwartenden Vorlagen den Gegenstand der Reichstagsver-
ymidlungen zu bilden hätten.




Die Landarbeiterfrage
(Schluß)

nun ein so ungeheures Gebiet, wie die Zustände der ländlichen
Arbeiter Deutschlands und ihr Verhältnis zu den Gutsbesitzern,
ein Gebiet, das nicht allein von Landschaft zu Landschaft, son¬
dern von Kreis zu Kreis, ja von Dorf zu Dorf und von Hof
zu Hof die größten Verschiedenheiten aufweist, wenn ein solches
Gebiet auf wenigen Seiten skizzirt wird, so kann selbstverständlich jeder ein¬
zelne Zug der Skizze auf Grund der vielen Ausnahmen für falsch erklärt
werden. Und wie viel verschiedne Bilder des deutschen Laudarbciters können
gemalt werden, je nachdem man den Wasserpolaken, den holsteinischen Knecht
oder den kleinen rheinischen Rebbaner, der gelegentlich tagelöhnert, als Typus
nimmt! Und was könnte ein Tendenzstatistiker alles herausrechnen! Wenn
er bei Loses findet, daß es mancher Rebarbeiter im Oberelsaß fast auf
1800 Mark Familieneiukommen bringt, so ist es eine Kleinigkeit, für den
deutschen Landarbeiter ein Durchschnittseiukonlmen von 1100 Mark herauszu¬
bringen; denn uiuunt man das Mindesteinkommen zu 400 Mark an, so hat


Grenzboten IV 1893 51
Die Lcmdarbeiterfrago

Die schädliche» Zeitgeschäfte in Spiritus, meist reine Glücksspiele, bei denen die
Brenner, insbesondre die Landwirte, jetzt abgeschlachtet werden, würden weg¬
fallen. Der Branntwein würde dann von vollkommen gereinigtem, fnselfreiem
Spiritus hergestellt werden, während jetzt die fürchterliche, noch die folgenden
Generationen mit treffende Alkohvlpest so ungeheuer groß ist hauptsächlich
infolge des Fusels, der wegen ungenügender Reinigung des Spiritus vielfach
in diesem gelassen wird. Endlich ist zu bedenken, daß, wenn irgend ein Ver¬
brauchsartikel zum Gegenstande eines Monopols gemacht werden soll, sich kaum
irgend ein andrer so dazu eignet, wie der Spiritus, weil es da keinerlei Ge¬
schmacksunterschiede giebt, und weil sich Güte und Wert beim Einkauf und beim
Verkauf immer unbestreitbar feststellen lassen.

Wenn unsre Vorschläge Annahme fänden, so würden die neuen Steuern
in bedeutender Höhe leicht zu tragen sein, und die Verhandlungen zur Fest¬
stellung der Steuergesetze würden sich viel weniger aufregend abspielen, als
wenn die jetzt zu erwartenden Vorlagen den Gegenstand der Reichstagsver-
ymidlungen zu bilden hätten.




Die Landarbeiterfrage
(Schluß)

nun ein so ungeheures Gebiet, wie die Zustände der ländlichen
Arbeiter Deutschlands und ihr Verhältnis zu den Gutsbesitzern,
ein Gebiet, das nicht allein von Landschaft zu Landschaft, son¬
dern von Kreis zu Kreis, ja von Dorf zu Dorf und von Hof
zu Hof die größten Verschiedenheiten aufweist, wenn ein solches
Gebiet auf wenigen Seiten skizzirt wird, so kann selbstverständlich jeder ein¬
zelne Zug der Skizze auf Grund der vielen Ausnahmen für falsch erklärt
werden. Und wie viel verschiedne Bilder des deutschen Laudarbciters können
gemalt werden, je nachdem man den Wasserpolaken, den holsteinischen Knecht
oder den kleinen rheinischen Rebbaner, der gelegentlich tagelöhnert, als Typus
nimmt! Und was könnte ein Tendenzstatistiker alles herausrechnen! Wenn
er bei Loses findet, daß es mancher Rebarbeiter im Oberelsaß fast auf
1800 Mark Familieneiukommen bringt, so ist es eine Kleinigkeit, für den
deutschen Landarbeiter ein Durchschnittseiukonlmen von 1100 Mark herauszu¬
bringen; denn uiuunt man das Mindesteinkommen zu 400 Mark an, so hat


Grenzboten IV 1893 51
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[0409] Die Lcmdarbeiterfrago Die schädliche» Zeitgeschäfte in Spiritus, meist reine Glücksspiele, bei denen die Brenner, insbesondre die Landwirte, jetzt abgeschlachtet werden, würden weg¬ fallen. Der Branntwein würde dann von vollkommen gereinigtem, fnselfreiem Spiritus hergestellt werden, während jetzt die fürchterliche, noch die folgenden Generationen mit treffende Alkohvlpest so ungeheuer groß ist hauptsächlich infolge des Fusels, der wegen ungenügender Reinigung des Spiritus vielfach in diesem gelassen wird. Endlich ist zu bedenken, daß, wenn irgend ein Ver¬ brauchsartikel zum Gegenstande eines Monopols gemacht werden soll, sich kaum irgend ein andrer so dazu eignet, wie der Spiritus, weil es da keinerlei Ge¬ schmacksunterschiede giebt, und weil sich Güte und Wert beim Einkauf und beim Verkauf immer unbestreitbar feststellen lassen. Wenn unsre Vorschläge Annahme fänden, so würden die neuen Steuern in bedeutender Höhe leicht zu tragen sein, und die Verhandlungen zur Fest¬ stellung der Steuergesetze würden sich viel weniger aufregend abspielen, als wenn die jetzt zu erwartenden Vorlagen den Gegenstand der Reichstagsver- ymidlungen zu bilden hätten. Die Landarbeiterfrage (Schluß) nun ein so ungeheures Gebiet, wie die Zustände der ländlichen Arbeiter Deutschlands und ihr Verhältnis zu den Gutsbesitzern, ein Gebiet, das nicht allein von Landschaft zu Landschaft, son¬ dern von Kreis zu Kreis, ja von Dorf zu Dorf und von Hof zu Hof die größten Verschiedenheiten aufweist, wenn ein solches Gebiet auf wenigen Seiten skizzirt wird, so kann selbstverständlich jeder ein¬ zelne Zug der Skizze auf Grund der vielen Ausnahmen für falsch erklärt werden. Und wie viel verschiedne Bilder des deutschen Laudarbciters können gemalt werden, je nachdem man den Wasserpolaken, den holsteinischen Knecht oder den kleinen rheinischen Rebbaner, der gelegentlich tagelöhnert, als Typus nimmt! Und was könnte ein Tendenzstatistiker alles herausrechnen! Wenn er bei Loses findet, daß es mancher Rebarbeiter im Oberelsaß fast auf 1800 Mark Familieneiukommen bringt, so ist es eine Kleinigkeit, für den deutschen Landarbeiter ein Durchschnittseiukonlmen von 1100 Mark herauszu¬ bringen; denn uiuunt man das Mindesteinkommen zu 400 Mark an, so hat Grenzboten IV 1893 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/409>, abgerufen am 22.07.2024.