Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Landarbeiterfrage

eini irgend eine unsrer zahlreichen sozialen Fragen spruchreif ist, so
ist es die Landarbeiterfrage. Das letzte Jahr allein schon hat eine
Reihe von Veröffentlichungen gebracht, in denen der Thatbestand
offen vor aller Augen daliegt, sodaß es sich nur uoch darum
handelt, die Folgerungen daraus zu ziehen. Mit Preußen allein,
und zwar mit dessen ältesten Provinzen, befaßt sich Dr. Theodor Freiherr
von der Goltz, o. v. Professor und Direktor der großherzoglich sächsischen
landwirtschaftlichen Lehranstalt an der Universität Jena, der schon vor sieb¬
zehn Jahren eine Schrift über diesen Gegenstand herausgegeben hat. Sein jetzt
soeben bei Gustav Fischer in Jena erschienenes Buch hat er betitelt: Die
ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat. Sodann hat der
Verein für Sozialpolitik eine ganz Deutschland umfassende Umfrage veran¬
staltet. Von einer besondern Kommission wurden zwei Fragebogeu ausgear¬
beitet. Der erste, ins einzelne gehende (49 Fragen mit vielen Unterabteilungen)
wurde in 3180 Exemplaren an "ländliche Arbeitgeber" verschickt, der zweite
bezog sich auf die Lebenshaltung, Führung und Lage der Arbeiter im all¬
gemeinen, z. B. auf Bildung, Sittlichkeit, Gelegenheiten zur Aussiedlung, Wan¬
derungen, und wurde in 562 Exemplare" an vertrauenswürdige Personen
versandt, die mit den ländlichen Verhältnisse" bekannt sind, wie Geistliche und
Ärzte. 2277 Fragebogen der erste" und 217 der zweiten Klasse kamen be¬
antwortet zurück. In die Bearbeitung der Antworte" teilten sich sechs Herren;
Dr. Karl Kaerger übernahm Nordwestdeutschland, Dr. H, Loses Württemberg,
Baden und Elsaß-Lothringen, or. Kuno Frankenstein Hohenzollern, die Re¬
gierungsbezirke Wiesbaden und Kassel, das Großherzvgtum Hessen, das König¬
reich Sachsen, Thüringen und Baiern, Friedrich Großmann Schleswig-Holstein,
die Provinz Sachsen, Braunschweig und Anhalt, Otto Auhagen die Rhein¬
provinz nebst Virkenfeld, Dr. Max Weber die alten Provinzen Preußens und
Mecklenburg; Dr. H. Grohmann lieferte eine ganz Deutschland umfassende
Ergänzung dazu. Diese Bearbeitungen füllen drei starke Bände: den 53.,
54. und 55. der Veröffentlichungen des Vereins; der 58. Band enthält die
Verhandlungen der am 20. und 21. März d. I. in Berlin abgehaltnen Ge¬
neralversammlung. Am ersten Tage wurde auf der Grundlage jener drei




Die Landarbeiterfrage

eini irgend eine unsrer zahlreichen sozialen Fragen spruchreif ist, so
ist es die Landarbeiterfrage. Das letzte Jahr allein schon hat eine
Reihe von Veröffentlichungen gebracht, in denen der Thatbestand
offen vor aller Augen daliegt, sodaß es sich nur uoch darum
handelt, die Folgerungen daraus zu ziehen. Mit Preußen allein,
und zwar mit dessen ältesten Provinzen, befaßt sich Dr. Theodor Freiherr
von der Goltz, o. v. Professor und Direktor der großherzoglich sächsischen
landwirtschaftlichen Lehranstalt an der Universität Jena, der schon vor sieb¬
zehn Jahren eine Schrift über diesen Gegenstand herausgegeben hat. Sein jetzt
soeben bei Gustav Fischer in Jena erschienenes Buch hat er betitelt: Die
ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat. Sodann hat der
Verein für Sozialpolitik eine ganz Deutschland umfassende Umfrage veran¬
staltet. Von einer besondern Kommission wurden zwei Fragebogeu ausgear¬
beitet. Der erste, ins einzelne gehende (49 Fragen mit vielen Unterabteilungen)
wurde in 3180 Exemplaren an „ländliche Arbeitgeber" verschickt, der zweite
bezog sich auf die Lebenshaltung, Führung und Lage der Arbeiter im all¬
gemeinen, z. B. auf Bildung, Sittlichkeit, Gelegenheiten zur Aussiedlung, Wan¬
derungen, und wurde in 562 Exemplare» an vertrauenswürdige Personen
versandt, die mit den ländlichen Verhältnisse» bekannt sind, wie Geistliche und
Ärzte. 2277 Fragebogen der erste» und 217 der zweiten Klasse kamen be¬
antwortet zurück. In die Bearbeitung der Antworte» teilten sich sechs Herren;
Dr. Karl Kaerger übernahm Nordwestdeutschland, Dr. H, Loses Württemberg,
Baden und Elsaß-Lothringen, or. Kuno Frankenstein Hohenzollern, die Re¬
gierungsbezirke Wiesbaden und Kassel, das Großherzvgtum Hessen, das König¬
reich Sachsen, Thüringen und Baiern, Friedrich Großmann Schleswig-Holstein,
die Provinz Sachsen, Braunschweig und Anhalt, Otto Auhagen die Rhein¬
provinz nebst Virkenfeld, Dr. Max Weber die alten Provinzen Preußens und
Mecklenburg; Dr. H. Grohmann lieferte eine ganz Deutschland umfassende
Ergänzung dazu. Diese Bearbeitungen füllen drei starke Bände: den 53.,
54. und 55. der Veröffentlichungen des Vereins; der 58. Band enthält die
Verhandlungen der am 20. und 21. März d. I. in Berlin abgehaltnen Ge¬
neralversammlung. Am ersten Tage wurde auf der Grundlage jener drei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216081"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_215723/figures/grenzboten_341857_215723_216081_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Landarbeiterfrage</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1172" next="#ID_1173"> eini irgend eine unsrer zahlreichen sozialen Fragen spruchreif ist, so<lb/>
ist es die Landarbeiterfrage. Das letzte Jahr allein schon hat eine<lb/>
Reihe von Veröffentlichungen gebracht, in denen der Thatbestand<lb/>
offen vor aller Augen daliegt, sodaß es sich nur uoch darum<lb/>
handelt, die Folgerungen daraus zu ziehen. Mit Preußen allein,<lb/>
und zwar mit dessen ältesten Provinzen, befaßt sich Dr. Theodor Freiherr<lb/>
von der Goltz, o. v. Professor und Direktor der großherzoglich sächsischen<lb/>
landwirtschaftlichen Lehranstalt an der Universität Jena, der schon vor sieb¬<lb/>
zehn Jahren eine Schrift über diesen Gegenstand herausgegeben hat. Sein jetzt<lb/>
soeben bei Gustav Fischer in Jena erschienenes Buch hat er betitelt: Die<lb/>
ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat. Sodann hat der<lb/>
Verein für Sozialpolitik eine ganz Deutschland umfassende Umfrage veran¬<lb/>
staltet. Von einer besondern Kommission wurden zwei Fragebogeu ausgear¬<lb/>
beitet. Der erste, ins einzelne gehende (49 Fragen mit vielen Unterabteilungen)<lb/>
wurde in 3180 Exemplaren an &#x201E;ländliche Arbeitgeber" verschickt, der zweite<lb/>
bezog sich auf die Lebenshaltung, Führung und Lage der Arbeiter im all¬<lb/>
gemeinen, z. B. auf Bildung, Sittlichkeit, Gelegenheiten zur Aussiedlung, Wan¬<lb/>
derungen, und wurde in 562 Exemplare» an vertrauenswürdige Personen<lb/>
versandt, die mit den ländlichen Verhältnisse» bekannt sind, wie Geistliche und<lb/>
Ärzte. 2277 Fragebogen der erste» und 217 der zweiten Klasse kamen be¬<lb/>
antwortet zurück. In die Bearbeitung der Antworte» teilten sich sechs Herren;<lb/>
Dr. Karl Kaerger übernahm Nordwestdeutschland, Dr. H, Loses Württemberg,<lb/>
Baden und Elsaß-Lothringen, or. Kuno Frankenstein Hohenzollern, die Re¬<lb/>
gierungsbezirke Wiesbaden und Kassel, das Großherzvgtum Hessen, das König¬<lb/>
reich Sachsen, Thüringen und Baiern, Friedrich Großmann Schleswig-Holstein,<lb/>
die Provinz Sachsen, Braunschweig und Anhalt, Otto Auhagen die Rhein¬<lb/>
provinz nebst Virkenfeld, Dr. Max Weber die alten Provinzen Preußens und<lb/>
Mecklenburg; Dr. H. Grohmann lieferte eine ganz Deutschland umfassende<lb/>
Ergänzung dazu. Diese Bearbeitungen füllen drei starke Bände: den 53.,<lb/>
54. und 55. der Veröffentlichungen des Vereins; der 58. Band enthält die<lb/>
Verhandlungen der am 20. und 21. März d. I. in Berlin abgehaltnen Ge¬<lb/>
neralversammlung.  Am ersten Tage wurde auf der Grundlage jener drei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0357] [Abbildung] Die Landarbeiterfrage eini irgend eine unsrer zahlreichen sozialen Fragen spruchreif ist, so ist es die Landarbeiterfrage. Das letzte Jahr allein schon hat eine Reihe von Veröffentlichungen gebracht, in denen der Thatbestand offen vor aller Augen daliegt, sodaß es sich nur uoch darum handelt, die Folgerungen daraus zu ziehen. Mit Preußen allein, und zwar mit dessen ältesten Provinzen, befaßt sich Dr. Theodor Freiherr von der Goltz, o. v. Professor und Direktor der großherzoglich sächsischen landwirtschaftlichen Lehranstalt an der Universität Jena, der schon vor sieb¬ zehn Jahren eine Schrift über diesen Gegenstand herausgegeben hat. Sein jetzt soeben bei Gustav Fischer in Jena erschienenes Buch hat er betitelt: Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat. Sodann hat der Verein für Sozialpolitik eine ganz Deutschland umfassende Umfrage veran¬ staltet. Von einer besondern Kommission wurden zwei Fragebogeu ausgear¬ beitet. Der erste, ins einzelne gehende (49 Fragen mit vielen Unterabteilungen) wurde in 3180 Exemplaren an „ländliche Arbeitgeber" verschickt, der zweite bezog sich auf die Lebenshaltung, Führung und Lage der Arbeiter im all¬ gemeinen, z. B. auf Bildung, Sittlichkeit, Gelegenheiten zur Aussiedlung, Wan¬ derungen, und wurde in 562 Exemplare» an vertrauenswürdige Personen versandt, die mit den ländlichen Verhältnisse» bekannt sind, wie Geistliche und Ärzte. 2277 Fragebogen der erste» und 217 der zweiten Klasse kamen be¬ antwortet zurück. In die Bearbeitung der Antworte» teilten sich sechs Herren; Dr. Karl Kaerger übernahm Nordwestdeutschland, Dr. H, Loses Württemberg, Baden und Elsaß-Lothringen, or. Kuno Frankenstein Hohenzollern, die Re¬ gierungsbezirke Wiesbaden und Kassel, das Großherzvgtum Hessen, das König¬ reich Sachsen, Thüringen und Baiern, Friedrich Großmann Schleswig-Holstein, die Provinz Sachsen, Braunschweig und Anhalt, Otto Auhagen die Rhein¬ provinz nebst Virkenfeld, Dr. Max Weber die alten Provinzen Preußens und Mecklenburg; Dr. H. Grohmann lieferte eine ganz Deutschland umfassende Ergänzung dazu. Diese Bearbeitungen füllen drei starke Bände: den 53., 54. und 55. der Veröffentlichungen des Vereins; der 58. Band enthält die Verhandlungen der am 20. und 21. März d. I. in Berlin abgehaltnen Ge¬ neralversammlung. Am ersten Tage wurde auf der Grundlage jener drei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/357
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/357>, abgerufen am 22.07.2024.