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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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der grünen Blätter ihre Hemd bieten werden, indem sie der Allgemeinen deutschen
Bühnengescllschaft beitreten; der Jahresbeitrag ist auf zehn Mark festgesetzt werden.
Der Verein will zunächst versuchen, bestehende Bühnen durch Gewährung vou Zu¬
schüssen für seine Zwecke zu gewinnen, er hat aber für die Zukunft die Erbauung
eines eignen deutschen Bühnenhauses in oder bei einer mitteldeutschen, für den Reise¬
verkehr günstig gelegnen Stadt (etwa bei Eisenach) ins Auge gefaßt, wo einen Teil
des Sommers über eine Reihe von ausgezeichneten Vorstellungen gegeben werden
konnten. Ausführlich berichtet über diese Pläne das vorzüglich geschriebne erste
Heft der Mitteilungen, auf deren Titelblatt Namen von bestem deutschen Klänge
als Herausgeber stehen: u. a. Professor Schreyer in Schulpforta, der Leipziger
Historiker Lamprecht und Adolf Graf von Wcstarp.




schwarzes Bret

Das Kleine Journal vom 11. Oktober schreibt: "Eine Weile konnte Tnaffe mit Rieger
und Genossen das ezechische Volk preisen und die Deutschen chikaniren, dann aber erhub die
czechische Demokratie ihr struppiges Karyatidcnhanpt, und hente blickt der Wiener Hof ans
dieses mit Schrecken. Die Slaven sind sehr empfänglich für die radikale Saat, unter welcher
die communistische Flora gut gedeiht."

Wie neidisch wird Wippchen werden, wenn er diese Sätze liest! Etwas, wie das strup¬
pige Karyatidenhanvt, wird ihm nie gelingen.




Im letzten Hefte der Grenzboten wird in dem Aufsatz: "Die Sprache der gerichtlichen
Entscheidungen" mit Recht der Gebrauch des Wortes "Beklagter" (für: Angeklagter) getadelt.
Was soll man aber sagen, wenn von "Beklagter" gar noch ein Adjektivum "beklagtisch" ge¬
bildet wird, z. B. "das beklagtische Geständnis" (für: das Geständnis des Angeklagten) ? Muß
sich da nicht ein deutsches Herz zusammenkrampsen? Und doch ist so zu lesen selbst in
einem berühmten Lehrbuch der Institutionen.




Im Wiesbadener Tageblatt vom 15. Oktober steht folgende Anzeige: "Gebildete Dame
findet in Dämlich inj ersten Kreisen verkehrender deutscher Familie in Florenz für nächsten
Winter comforlnbles Home."

nette Familie! Wer sich dort einmietet, macht offenbar zugleich einen Fortbildnngs-
kursus in der allerneuesien deutschen Bildung durch.




Die Sprache soll einfach und klar, edel und vornehm gehalten sein.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunvw in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
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der grünen Blätter ihre Hemd bieten werden, indem sie der Allgemeinen deutschen
Bühnengescllschaft beitreten; der Jahresbeitrag ist auf zehn Mark festgesetzt werden.
Der Verein will zunächst versuchen, bestehende Bühnen durch Gewährung vou Zu¬
schüssen für seine Zwecke zu gewinnen, er hat aber für die Zukunft die Erbauung
eines eignen deutschen Bühnenhauses in oder bei einer mitteldeutschen, für den Reise¬
verkehr günstig gelegnen Stadt (etwa bei Eisenach) ins Auge gefaßt, wo einen Teil
des Sommers über eine Reihe von ausgezeichneten Vorstellungen gegeben werden
konnten. Ausführlich berichtet über diese Pläne das vorzüglich geschriebne erste
Heft der Mitteilungen, auf deren Titelblatt Namen von bestem deutschen Klänge
als Herausgeber stehen: u. a. Professor Schreyer in Schulpforta, der Leipziger
Historiker Lamprecht und Adolf Graf von Wcstarp.




schwarzes Bret

Das Kleine Journal vom 11. Oktober schreibt: „Eine Weile konnte Tnaffe mit Rieger
und Genossen das ezechische Volk preisen und die Deutschen chikaniren, dann aber erhub die
czechische Demokratie ihr struppiges Karyatidcnhanpt, und hente blickt der Wiener Hof ans
dieses mit Schrecken. Die Slaven sind sehr empfänglich für die radikale Saat, unter welcher
die communistische Flora gut gedeiht."

Wie neidisch wird Wippchen werden, wenn er diese Sätze liest! Etwas, wie das strup¬
pige Karyatidenhanvt, wird ihm nie gelingen.




Im letzten Hefte der Grenzboten wird in dem Aufsatz: „Die Sprache der gerichtlichen
Entscheidungen" mit Recht der Gebrauch des Wortes „Beklagter" (für: Angeklagter) getadelt.
Was soll man aber sagen, wenn von „Beklagter" gar noch ein Adjektivum „beklagtisch" ge¬
bildet wird, z. B. „das beklagtische Geständnis" (für: das Geständnis des Angeklagten) ? Muß
sich da nicht ein deutsches Herz zusammenkrampsen? Und doch ist so zu lesen selbst in
einem berühmten Lehrbuch der Institutionen.




Im Wiesbadener Tageblatt vom 15. Oktober steht folgende Anzeige: „Gebildete Dame
findet in Dämlich inj ersten Kreisen verkehrender deutscher Familie in Florenz für nächsten
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nette Familie! Wer sich dort einmietet, macht offenbar zugleich einen Fortbildnngs-
kursus in der allerneuesien deutschen Bildung durch.




Die Sprache soll einfach und klar, edel und vornehm gehalten sein.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunvw in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/200>, abgerufen am 27.06.2024.