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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts
Zwei Besuche am Hofe des Herzogs Ernst von Sachsen-Aoburg-Gotha 1

n der periodischen Presse ist wiederholt davon die Rede gewesen,
daß der im Jahre 1887 verstorbne ausgezeichnete Militärschrift¬
steller und Historiker Theodor von Bernhard! ausführliche Tage¬
bücher über die letzten vier Jahrzehnte seines vielbewegten Lebens
hinterlassen hat, deren Veröffentlichung von der Hirzelschen Bnch-
W^^^U^ Handlung in Leipzig vorbereitet wird.

Wir sind in der Lage, zwei Abschnitte davon zum Abdruck zu bringen, die
als Beiträge zur Geschichte eines der denkwürdigsten Abschnitte deutscher und
europäischer Entwicklung auf besondres Interesse Anspruch erheben dürfen und eine
nicht ganz unbedeutende Zahl bisher unbekannt gebliebner Thatsachen ans Licht
ziehen.

Zum Verständnis der Umstünde, die den zu Anfang der fünfziger Jahre aus
Rußland nach Preußen zurückgekehrten und alsbald dnrch seine "Denkwürdigkeiten
aus dem Leben des russischen Generals Grafen Toll" rühmlich bekannt gewordnen
Verfasser an den zum Mittelpunkte zahlreicher deutscher Patrioten gewordnen Gothaer
Hof führten, sei in Kürze das Folgende bemerkt.

Ohne an dem politischen Leben unmittelbar Anteil genommen zu haben, war
Bernhardt, der als Privatmann uns seinem Gute Knnnersdorf in Schlesien lebte,
als Anhänger gemäßigt liberaler Anschauungen mit zweien der bekanntesten und
angesehensten Führer der damaligen altliberalen Partei, den Abgeordneten von
Snncken-Julienfelde und von Vincke-Olbendorf in nähere Beziehung getreten. Karl
Friedrich Ludwig von Bincke (seit 1.850 Obristleutnant a. D.) hatte als Jugend¬
gefährte und Vertrauensmann des damaligen Prinzen von Preußen (unsers unver¬
geßlichen Kaisers Wilhelm) Gelegenheit gehabt, drei nicht für den Druck bestimmte
handschriftliche Abhandlungen Bernhardts (über das russische Heer im Frühjahr
1854, über die Lage Rußlands beim Ausbruch des orientalischen Krieges und
über die Regierung des Kaisers Nikolaus (des im Krimkriege verstorbnen, in den da¬
maligen Militär- und Adclskreisen des deutschen Nordens schwärmerisch verehrten
Monarchen) kennen zu lernen und ihrem Inhalt so lebhaftes Interesse abgewonnen,
daß er zunächst die Denkschrift über den Kaiser Nikolaus dem damaligen "Prinzen
von Preußen" und dessen Gemahlin mitteilte und dann die persönliche Bekanntschaft
des Verfassers suchte.*) Gleich hier sei bemerkt, daß der genaue und ebenso unde-



*) Von diesen Arbeiten ist bisher nur eine, die Abhandlung über das russische Heer
im Frühjahr 185>4, in BeruhardiS "Vermischten Schriften" veröffentlicht werden (Berlin,
G. Reimer, 1879).


Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts
Zwei Besuche am Hofe des Herzogs Ernst von Sachsen-Aoburg-Gotha 1

n der periodischen Presse ist wiederholt davon die Rede gewesen,
daß der im Jahre 1887 verstorbne ausgezeichnete Militärschrift¬
steller und Historiker Theodor von Bernhard! ausführliche Tage¬
bücher über die letzten vier Jahrzehnte seines vielbewegten Lebens
hinterlassen hat, deren Veröffentlichung von der Hirzelschen Bnch-
W^^^U^ Handlung in Leipzig vorbereitet wird.

Wir sind in der Lage, zwei Abschnitte davon zum Abdruck zu bringen, die
als Beiträge zur Geschichte eines der denkwürdigsten Abschnitte deutscher und
europäischer Entwicklung auf besondres Interesse Anspruch erheben dürfen und eine
nicht ganz unbedeutende Zahl bisher unbekannt gebliebner Thatsachen ans Licht
ziehen.

Zum Verständnis der Umstünde, die den zu Anfang der fünfziger Jahre aus
Rußland nach Preußen zurückgekehrten und alsbald dnrch seine „Denkwürdigkeiten
aus dem Leben des russischen Generals Grafen Toll" rühmlich bekannt gewordnen
Verfasser an den zum Mittelpunkte zahlreicher deutscher Patrioten gewordnen Gothaer
Hof führten, sei in Kürze das Folgende bemerkt.

Ohne an dem politischen Leben unmittelbar Anteil genommen zu haben, war
Bernhardt, der als Privatmann uns seinem Gute Knnnersdorf in Schlesien lebte,
als Anhänger gemäßigt liberaler Anschauungen mit zweien der bekanntesten und
angesehensten Führer der damaligen altliberalen Partei, den Abgeordneten von
Snncken-Julienfelde und von Vincke-Olbendorf in nähere Beziehung getreten. Karl
Friedrich Ludwig von Bincke (seit 1.850 Obristleutnant a. D.) hatte als Jugend¬
gefährte und Vertrauensmann des damaligen Prinzen von Preußen (unsers unver¬
geßlichen Kaisers Wilhelm) Gelegenheit gehabt, drei nicht für den Druck bestimmte
handschriftliche Abhandlungen Bernhardts (über das russische Heer im Frühjahr
1854, über die Lage Rußlands beim Ausbruch des orientalischen Krieges und
über die Regierung des Kaisers Nikolaus (des im Krimkriege verstorbnen, in den da¬
maligen Militär- und Adclskreisen des deutschen Nordens schwärmerisch verehrten
Monarchen) kennen zu lernen und ihrem Inhalt so lebhaftes Interesse abgewonnen,
daß er zunächst die Denkschrift über den Kaiser Nikolaus dem damaligen „Prinzen
von Preußen" und dessen Gemahlin mitteilte und dann die persönliche Bekanntschaft
des Verfassers suchte.*) Gleich hier sei bemerkt, daß der genaue und ebenso unde-



*) Von diesen Arbeiten ist bisher nur eine, die Abhandlung über das russische Heer
im Frühjahr 185>4, in BeruhardiS „Vermischten Schriften" veröffentlicht werden (Berlin,
G. Reimer, 1879).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/503>, abgerufen am 03.07.2024.