Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.Innere Kolonisation dieses ungeheure Kapital weder vermehrt noch ungeschmälert erhalten hat. Wir Innere Kolonisation (Schluß) el der Durchmusterung der vor Erlaß der Rentengutsgesetze Innere Kolonisation dieses ungeheure Kapital weder vermehrt noch ungeschmälert erhalten hat. Wir Innere Kolonisation (Schluß) el der Durchmusterung der vor Erlaß der Rentengutsgesetze <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214759"/> <fw type="header" place="top"> Innere Kolonisation</fw><lb/> <p xml:id="ID_1160" prev="#ID_1159"> dieses ungeheure Kapital weder vermehrt noch ungeschmälert erhalten hat. Wir<lb/> zehren heute vom Kapital, obwohl ein statistisch geschulter Büreaukrat aus<lb/> der Thatsache, daß die Bestrafungen wegen Majestätsbeleidigung nicht zuge¬<lb/> nommen haben, mit überlegner Sicherheit leicht das Gegenteil beweisen<lb/> könnte. Wo die Schuld liegt, ist schwer festzustellen. Nur so viel steht felsen¬<lb/> fest, daß es wesentlich Versäumnisse auf wirtschaftlichem Gebiet gewesen sind,<lb/> die an diesem Kapital gezehrt haben. Häufig war es auch nur ein unglück¬<lb/> liches Wort, das den Ausschlag gab. Wer es den wahrhaft entsetzlichen so¬<lb/> zialen und sittlichen Zuständen gegenüber, die das größte Wachstum der In¬<lb/> dustrie geschaffen haben, wagen kann, die Industrie als Nährmutter des Volkes<lb/> zu feiern, den wird das Volk hoffnungslos zu den Blindgebornen rechnen.<lb/> So trübe aber auch der Blick auf einzelnen Ministerstühlen sein mag, um so<lb/> klarer leuchtet uns ein Auge vom Thron entgegen. Ihm wird es nicht ent¬<lb/> gehen, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann. Zu ihm schauen wir<lb/> denu auch hoffnungsvoll in dem Sturm der Zeit auf! Möge die Vorsehung,<lb/> die die Hohenzollern noch nie verlassen hat, ihnen auch in diesen dunkeln<lb/> Tagen die Wege zeigen, der wirtschaftlichen Not des Volkes zu steuern! Das<lb/> hoffen alle ehrlichen Deutschen, die noch nicht vom Dienste des Mammons<lb/> geblendet sind und nicht aus Ekel vor dem wildeu Tanz ums goldne Kalb<lb/> in Haß und Groll ihr Herz vom Vatcrlnnde abgewandt haben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Innere Kolonisation<lb/> (Schluß)</head><lb/> <p xml:id="ID_1161" next="#ID_1162"> el der Durchmusterung der vor Erlaß der Rentengutsgesetze<lb/> unternommenen Kolouisativnsversuche erwähnt Gering zunächst<lb/> zwei Gründungen von Rittergutsbesitzern, die auf ihren Gütern<lb/> Kolonisten ansetzten, lediglich zu dem Zwecke, sich Arbeiter zu<lb/> sichern. Der eine Versuch, wo die Parzellen zu ganz freiem<lb/> Eigentum verkauft wurden, verlief sehr glücklich für die Kolonisten. Mehrere<lb/> von ihnen verkauften, nachdem sie es zu etwas gebracht hatten, ihr kleines<lb/> Anwesen an Nachbarn, um anderwärts eine größere Besitzung zu erwerben,<lb/> die Zurückbleibenden vergrößerten dnrch solche Gelegcnheitsküufe stetig ihre<lb/> Gütchen, und mit der Zeit ward ans der ursprünglichen Arbeiterkvlonie ein<lb/> stattliches Bauerndorf, das natürlich dem Gutsherrn keine Arbeiter mehr stellt.<lb/> Im andern Falle hat der Besitzer die Parzellen nur verpachtet und sich durch<lb/> raffinirt ausgeklügelte Vertragsbedingungen die Dienste der Kolonisten gesichert,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
Innere Kolonisation
dieses ungeheure Kapital weder vermehrt noch ungeschmälert erhalten hat. Wir
zehren heute vom Kapital, obwohl ein statistisch geschulter Büreaukrat aus
der Thatsache, daß die Bestrafungen wegen Majestätsbeleidigung nicht zuge¬
nommen haben, mit überlegner Sicherheit leicht das Gegenteil beweisen
könnte. Wo die Schuld liegt, ist schwer festzustellen. Nur so viel steht felsen¬
fest, daß es wesentlich Versäumnisse auf wirtschaftlichem Gebiet gewesen sind,
die an diesem Kapital gezehrt haben. Häufig war es auch nur ein unglück¬
liches Wort, das den Ausschlag gab. Wer es den wahrhaft entsetzlichen so¬
zialen und sittlichen Zuständen gegenüber, die das größte Wachstum der In¬
dustrie geschaffen haben, wagen kann, die Industrie als Nährmutter des Volkes
zu feiern, den wird das Volk hoffnungslos zu den Blindgebornen rechnen.
So trübe aber auch der Blick auf einzelnen Ministerstühlen sein mag, um so
klarer leuchtet uns ein Auge vom Thron entgegen. Ihm wird es nicht ent¬
gehen, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann. Zu ihm schauen wir
denu auch hoffnungsvoll in dem Sturm der Zeit auf! Möge die Vorsehung,
die die Hohenzollern noch nie verlassen hat, ihnen auch in diesen dunkeln
Tagen die Wege zeigen, der wirtschaftlichen Not des Volkes zu steuern! Das
hoffen alle ehrlichen Deutschen, die noch nicht vom Dienste des Mammons
geblendet sind und nicht aus Ekel vor dem wildeu Tanz ums goldne Kalb
in Haß und Groll ihr Herz vom Vatcrlnnde abgewandt haben.
Innere Kolonisation
(Schluß)
el der Durchmusterung der vor Erlaß der Rentengutsgesetze
unternommenen Kolouisativnsversuche erwähnt Gering zunächst
zwei Gründungen von Rittergutsbesitzern, die auf ihren Gütern
Kolonisten ansetzten, lediglich zu dem Zwecke, sich Arbeiter zu
sichern. Der eine Versuch, wo die Parzellen zu ganz freiem
Eigentum verkauft wurden, verlief sehr glücklich für die Kolonisten. Mehrere
von ihnen verkauften, nachdem sie es zu etwas gebracht hatten, ihr kleines
Anwesen an Nachbarn, um anderwärts eine größere Besitzung zu erwerben,
die Zurückbleibenden vergrößerten dnrch solche Gelegcnheitsküufe stetig ihre
Gütchen, und mit der Zeit ward ans der ursprünglichen Arbeiterkvlonie ein
stattliches Bauerndorf, das natürlich dem Gutsherrn keine Arbeiter mehr stellt.
Im andern Falle hat der Besitzer die Parzellen nur verpachtet und sich durch
raffinirt ausgeklügelte Vertragsbedingungen die Dienste der Kolonisten gesichert,
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