Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Leopold von Gerlach (veto Aaemmel von (Fortsetzung) erlach koar also in erster Linie ein gläubiger Christ und ein Leopold von Gerlach (veto Aaemmel von (Fortsetzung) erlach koar also in erster Linie ein gläubiger Christ und ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/214373"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341857_213791/figures/grenzboten_341857_213791_214373_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Leopold von Gerlach<lb/><note type="byline"> (veto Aaemmel</note> von (Fortsetzung) </head><lb/> <p xml:id="ID_2083" next="#ID_2084"> erlach koar also in erster Linie ein gläubiger Christ und ein<lb/> christlicher Staatsmann, erst in zweiter Linie Preuße. Das<lb/> nltpreußische Wesen, das sich nach ihm besonders in der Armee<lb/> erhalten hatte, war ihm offenbar nur insofern wertvoll, als<lb/> es sich dein ständischen Staate fügte, und in Frankreich sah<lb/> er weniger den nationalen Erbfeind, als die Vertretung des revolutionären<lb/> Prinzips. Ja er verstieg sich 1844 in den Debatten über die Berufung des<lb/> vereinigten Landtags dem Prinzen Wilhelm gegenüber zu der merkwürdigen<lb/> und jedenfalls ganz unprenßischen Äußerung, Preußen habe gnr nicht die<lb/> Bestimmung, wie Frankreich und England eine kompakte Monarchie zu sein;<lb/> Preußen bestehe aus Fragmenten des deutschen Reichs und könne erst eine<lb/> Einheit in der Vereinigung mit Deutschland werden. Eine nationaldeutsche<lb/> Aufgabe Preußens erkennt er also gewissermaßen an, aber immer unter der<lb/> Voraussetzung einer ständischen Gestaltung Preußens, durch die es sich „an<lb/> die Spitze des gesamten Reiches stellen würde," und er sieht einen großen<lb/> Schritt dazu schon 1840 im Zollverein. Er erkennt auch an, daß der Ge¬<lb/> danke der deutschen Einheit „in allen kleinen Ländern eine reale Basis habe,"<lb/> und daß das (alte) deutsche Reich „mit großem Recht und in ehrenwerter Tra¬<lb/> dition in einem großen Teile Deutschlands immer noch sehr wohlbegründete<lb/> Sympathie als Gegensatz gegen die schändliche Nheinbundsouveränitnt, gegen<lb/> die Wiener Seelenkäuferei hat"; aber die Erkenntnis, daß das deutsche Volk<lb/> ein uraltes Recht auf politische Einheit besitze, und diese hergestellt werden<lb/> müsse, kommt ihm nicht, und über die Art, wie eine organische Verbindung<lb/> zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland hergestellt werden könne, und<lb/> was sich daraus für Österreich ergeben würde, hat er schwerlich jemals ernst¬<lb/> haft nachgedacht; jedenfalls hat er sich eine Einheit Deutschlands ohne Öster¬<lb/> reich nicht vorstellen können. Das preußische Staatsgefühl und das deutsche<lb/> Nationalgeftthl tritt bei ihm eben durchaus zurück hinter seiner politischen<lb/> Doktrin und wird von ihr oft geradezu erstickt oder wenigstens überwuchert.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0581]
[Abbildung]
Leopold von Gerlach
(veto Aaemmel von (Fortsetzung)
erlach koar also in erster Linie ein gläubiger Christ und ein
christlicher Staatsmann, erst in zweiter Linie Preuße. Das
nltpreußische Wesen, das sich nach ihm besonders in der Armee
erhalten hatte, war ihm offenbar nur insofern wertvoll, als
es sich dein ständischen Staate fügte, und in Frankreich sah
er weniger den nationalen Erbfeind, als die Vertretung des revolutionären
Prinzips. Ja er verstieg sich 1844 in den Debatten über die Berufung des
vereinigten Landtags dem Prinzen Wilhelm gegenüber zu der merkwürdigen
und jedenfalls ganz unprenßischen Äußerung, Preußen habe gnr nicht die
Bestimmung, wie Frankreich und England eine kompakte Monarchie zu sein;
Preußen bestehe aus Fragmenten des deutschen Reichs und könne erst eine
Einheit in der Vereinigung mit Deutschland werden. Eine nationaldeutsche
Aufgabe Preußens erkennt er also gewissermaßen an, aber immer unter der
Voraussetzung einer ständischen Gestaltung Preußens, durch die es sich „an
die Spitze des gesamten Reiches stellen würde," und er sieht einen großen
Schritt dazu schon 1840 im Zollverein. Er erkennt auch an, daß der Ge¬
danke der deutschen Einheit „in allen kleinen Ländern eine reale Basis habe,"
und daß das (alte) deutsche Reich „mit großem Recht und in ehrenwerter Tra¬
dition in einem großen Teile Deutschlands immer noch sehr wohlbegründete
Sympathie als Gegensatz gegen die schändliche Nheinbundsouveränitnt, gegen
die Wiener Seelenkäuferei hat"; aber die Erkenntnis, daß das deutsche Volk
ein uraltes Recht auf politische Einheit besitze, und diese hergestellt werden
müsse, kommt ihm nicht, und über die Art, wie eine organische Verbindung
zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland hergestellt werden könne, und
was sich daraus für Österreich ergeben würde, hat er schwerlich jemals ernst¬
haft nachgedacht; jedenfalls hat er sich eine Einheit Deutschlands ohne Öster¬
reich nicht vorstellen können. Das preußische Staatsgefühl und das deutsche
Nationalgeftthl tritt bei ihm eben durchaus zurück hinter seiner politischen
Doktrin und wird von ihr oft geradezu erstickt oder wenigstens überwuchert.
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