Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.Als letzte, aber nicht geringste unter den Neugründungen seit 1890 sei die Zur Bevölkerungsfrage. Die Gefahren der Übervölkerung im allgemeinen Die Zeitungs-Postgebühr. Für die Beförderung der Zeitungen durch die Seitdem sind mehr als vierzig Jahre verflossen. Das Zeitungswesen hat sich Kein Wunder, daß sie den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. Als letzte, aber nicht geringste unter den Neugründungen seit 1890 sei die Zur Bevölkerungsfrage. Die Gefahren der Übervölkerung im allgemeinen Die Zeitungs-Postgebühr. Für die Beförderung der Zeitungen durch die Seitdem sind mehr als vierzig Jahre verflossen. Das Zeitungswesen hat sich Kein Wunder, daß sie den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0204" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213996"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_649"> Als letzte, aber nicht geringste unter den Neugründungen seit 1890 sei die<lb/> genannt, die dem Range nach die allererste ist, die alle leuchtend und lebeucrweckeud<lb/> wie der Sonnenball die Sterne überstrahlt, noch immer freilich geheimnisvoll und<lb/> umschleiert: der „neue Kurs."</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Zur Bevölkerungsfrage.</head> <p xml:id="ID_650"> Die Gefahren der Übervölkerung im allgemeinen<lb/> und für Deutschland insbesondre sind von einer Reihe der bedeutendsten Vertreter<lb/> der Staatswissenschaften, vou Noschcr, Schaffte, Ad. Wagner, Rümelin mit dem<lb/> gebührenden Nachdruck hervorgehoben worden. An den Stellen jedoch, wo diese<lb/> Warnungsrufe eine Wirkung ausüben könnten, in den Parlamenten und in der<lb/> Tagespresse, hört und liest man nichts davon. Mit den sittlichen und politischen<lb/> Bedenken haben sich gewisse Interessen verbündet, die heikle Frage aus der Öffent¬<lb/> lichkeit zu verbannen. Erst kürzlich hat eine der größten volkswirtschaftlichen Auto¬<lb/> ritäten im Gespräch mit einem unsrer Mitarbeiter geäußert, die Armen seien durch<lb/> ihren übermäßigen Kinderreichtum selbst schuld an ihrem Elend; aber man muß<lb/> doch bedenken, daß der ehrwürdige Präsident von Kirchninnn vor fünfundzwanzig<lb/> Jahren wegen eines Vortrngs, den er im Berliner Handwerkerverein über diesen<lb/> Gegenstand gehalten hatte, abgesetzt worden ist, und daß dasselbe Schicksal auch<lb/> heute noch jeden preußischen Beamten bedroht, der sich mit so etwas hervorwagen<lb/> wollte. Neuerdings wird der Gegenstand hie und da in Broschüren behandelt.<lb/> Eine davon: Die Bevölkerungsfrage in ihrer Beziehung zu den sozialen Not¬<lb/> ständen der Gegenwart, von Dr. Otto Zacharias, bei Friedr. Macle in Jena<lb/> schon in fünfter Auflage erschiene», geht vou „biologischen" Betrachtungen aus.<lb/> Obwohl wir den Schlußfolgerungen des Verfassers aus Gründen, die wir bei<lb/> andrer Gelegenheit auszuführen gedenken, nicht zustimmen, müssen wir doch seine<lb/> Schrift, wie alles, was über diese wichtige Frage Licht verbreitet, der Beachtung<lb/> empfehlen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Zeitungs-Postgebühr.</head> <p xml:id="ID_651"> Für die Beförderung der Zeitungen durch die<lb/> Post berechnet die PostVerwaltung eine einheitliche Gebühr, die 25 Prozent be¬<lb/> trägt von dem Einkaufspreise der Zeitungen für die Post, mit Ermäßigung auf<lb/> 121/2 Prozent bei Zeitungen, die seltener als monatlich viermal erscheinen (ab¬<lb/> gesehen von dem Ortsbestellgeld). Festgestellt wurde diese Gebühr nach den vor¬<lb/> bereitenden Bestimmungen, die auf dem deutschen Postkongreß zu Dresden in<lb/> den Jahren 1847/48 getroffen wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_652"> Seitdem sind mehr als vierzig Jahre verflossen. Das Zeitungswesen hat sich<lb/> in diesen vierzig Jahren gewaltig entwickelt, begünstigt durch zeitgemäße Preßgesetz¬<lb/> gebung. Namentlich hat das Neichspreßgesetz vom 7. Mai 1874, das die preußische<lb/> Tngespresse von der Belastung des Zeitungsstempels befreite, unser Zeitungswesen<lb/> zu einem früher nicht geahnten Wachstum gebracht. Auch die Entwicklung unsers<lb/> PostWesens hat dazu beigetragen. Die Zeitungen selbst haben sich in diesen<lb/> vierzig Jahren in ihrem Charakter, in ihrem Umfange, in der Häufigkeit ihres Er¬<lb/> scheinens, auch in ihrem Preise — im Verhältnis zu dem massenhaften Inhalt,<lb/> den sie jetzt bringen — sehr verändert. Die Postgebühr aber für die Beförderung<lb/> der Zeitungen ist dieselbe geblieben, wie sie vor mehr als vierzig Jahren als die für<lb/> beide Parteien, das Postwesen und das Zeitungswesen dienlichste festgestellt<lb/> wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_653" next="#ID_654"> Kein Wunder, daß sie den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird.<lb/> Die Einnahme der Post für die Besorgung der Zeitungen richtet sich ausschließlich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0204]
Als letzte, aber nicht geringste unter den Neugründungen seit 1890 sei die
genannt, die dem Range nach die allererste ist, die alle leuchtend und lebeucrweckeud
wie der Sonnenball die Sterne überstrahlt, noch immer freilich geheimnisvoll und
umschleiert: der „neue Kurs."
Zur Bevölkerungsfrage. Die Gefahren der Übervölkerung im allgemeinen
und für Deutschland insbesondre sind von einer Reihe der bedeutendsten Vertreter
der Staatswissenschaften, vou Noschcr, Schaffte, Ad. Wagner, Rümelin mit dem
gebührenden Nachdruck hervorgehoben worden. An den Stellen jedoch, wo diese
Warnungsrufe eine Wirkung ausüben könnten, in den Parlamenten und in der
Tagespresse, hört und liest man nichts davon. Mit den sittlichen und politischen
Bedenken haben sich gewisse Interessen verbündet, die heikle Frage aus der Öffent¬
lichkeit zu verbannen. Erst kürzlich hat eine der größten volkswirtschaftlichen Auto¬
ritäten im Gespräch mit einem unsrer Mitarbeiter geäußert, die Armen seien durch
ihren übermäßigen Kinderreichtum selbst schuld an ihrem Elend; aber man muß
doch bedenken, daß der ehrwürdige Präsident von Kirchninnn vor fünfundzwanzig
Jahren wegen eines Vortrngs, den er im Berliner Handwerkerverein über diesen
Gegenstand gehalten hatte, abgesetzt worden ist, und daß dasselbe Schicksal auch
heute noch jeden preußischen Beamten bedroht, der sich mit so etwas hervorwagen
wollte. Neuerdings wird der Gegenstand hie und da in Broschüren behandelt.
Eine davon: Die Bevölkerungsfrage in ihrer Beziehung zu den sozialen Not¬
ständen der Gegenwart, von Dr. Otto Zacharias, bei Friedr. Macle in Jena
schon in fünfter Auflage erschiene», geht vou „biologischen" Betrachtungen aus.
Obwohl wir den Schlußfolgerungen des Verfassers aus Gründen, die wir bei
andrer Gelegenheit auszuführen gedenken, nicht zustimmen, müssen wir doch seine
Schrift, wie alles, was über diese wichtige Frage Licht verbreitet, der Beachtung
empfehlen.
Die Zeitungs-Postgebühr. Für die Beförderung der Zeitungen durch die
Post berechnet die PostVerwaltung eine einheitliche Gebühr, die 25 Prozent be¬
trägt von dem Einkaufspreise der Zeitungen für die Post, mit Ermäßigung auf
121/2 Prozent bei Zeitungen, die seltener als monatlich viermal erscheinen (ab¬
gesehen von dem Ortsbestellgeld). Festgestellt wurde diese Gebühr nach den vor¬
bereitenden Bestimmungen, die auf dem deutschen Postkongreß zu Dresden in
den Jahren 1847/48 getroffen wurden.
Seitdem sind mehr als vierzig Jahre verflossen. Das Zeitungswesen hat sich
in diesen vierzig Jahren gewaltig entwickelt, begünstigt durch zeitgemäße Preßgesetz¬
gebung. Namentlich hat das Neichspreßgesetz vom 7. Mai 1874, das die preußische
Tngespresse von der Belastung des Zeitungsstempels befreite, unser Zeitungswesen
zu einem früher nicht geahnten Wachstum gebracht. Auch die Entwicklung unsers
PostWesens hat dazu beigetragen. Die Zeitungen selbst haben sich in diesen
vierzig Jahren in ihrem Charakter, in ihrem Umfange, in der Häufigkeit ihres Er¬
scheinens, auch in ihrem Preise — im Verhältnis zu dem massenhaften Inhalt,
den sie jetzt bringen — sehr verändert. Die Postgebühr aber für die Beförderung
der Zeitungen ist dieselbe geblieben, wie sie vor mehr als vierzig Jahren als die für
beide Parteien, das Postwesen und das Zeitungswesen dienlichste festgestellt
wurde.
Kein Wunder, daß sie den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird.
Die Einnahme der Post für die Besorgung der Zeitungen richtet sich ausschließlich
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