Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Unsre guten Freunde, die Schweizer, haben den Versuch gemacht, unsre Das russische Elend. Die nachfolgenden Erwägungen waren schon nieder¬ Die vorjährige Mißernte im östlichen Nachbarreichc hat den wcltgeschichlichen Maßgebliches und Unmaßgebliches Unsre guten Freunde, die Schweizer, haben den Versuch gemacht, unsre Das russische Elend. Die nachfolgenden Erwägungen waren schon nieder¬ Die vorjährige Mißernte im östlichen Nachbarreichc hat den wcltgeschichlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212572"/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Unsre guten Freunde, die Schweizer, </head> <p xml:id="ID_248"> haben den Versuch gemacht, unsre<lb/> Bemerkungen über ihre schiefe Stellung zu Deutschland und Frankreich soviel wie<lb/> möglich zu verdrehen und das Unangenehme, was wir ihnen zu sagen hatten, tot¬<lb/> zuschweigen. Auf Herrn Secrotcm in Lausanne werden wir zurückkommen, aber<lb/> nicht um elsaß-lothringische Angelegenheiten mit ihm zu diskutiren; denn das thun<lb/> wir unter uns. Heute möchten wir nur auf den merkwürdigen Zufall aufmerksam<lb/> machen, daß in derselben Woche, in der unsre motivirte Ablehnung der „neutralen"<lb/> Ratschläge der LiKliotbLlZus vuivsrssllö und der 6a,Mtw as I^usnuus in die Welt<lb/> ging, wieder zwei von diesen neutralen Schweizern wegen deutschfeindlicher Hal¬<lb/> tung aus dem Elsaß ausgewiesen werden mußten- ein Herr G. in Mnrkirch,<lb/> Beamter einer Fabrik, der es für passend hielt, an einer unmittelbar an der Grenze<lb/> veranstalteten Demonstration mit Vivs I» ^r-uros- und Vivo In, RuWioRufeu<lb/> — die letztern besonders hübsch von einem Schweizer! — u. s. w. teilzunehmen, und<lb/> ein andrer Herr G. in Mülhausen, Wcinreisender, der öffentlich damit prahlte,<lb/> daß er allein es wage, seiner Abneigung gegen Deutschland selbst deutschen Be¬<lb/> amten gegenüber Ausdruck zu geben, und der außerdem als Vertreter einer der<lb/> ersten Mülhnuser Weinhandlungen ein ganz erkleckliches Agitationstalent verwertete,<lb/> um die Bevölkerung gegen deutsche Herrschaft und deutsches Wesen aufzureizen.<lb/> „Es war geboten, solchem Treiben ein Ende zu setzen," heißt es in einer halb¬<lb/> amtlichen Mitteilung; es war längst geboten, müssen wir hinzufüge», den<lb/> Schweizern im Reichslande ihre Pflicht als Gaste auf deutschen Boden in die<lb/> Erinnerung zu rufen, so wie wir kürzlich der Presse der französischen Schweiz die<lb/> ihre in Erinnerung gebracht habe«.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Das russische Elend.</head> <p xml:id="ID_249"> Die nachfolgenden Erwägungen waren schon nieder¬<lb/> geschrieben, als die Zeitungen die Unterredung des Fürsten Bismarck mit einem<lb/> Wiener Journalisten und andre Äußerungen des Fürsten über unser Verhältnis zu<lb/> Rußland brachten. Wir unterdrücke» sie trotz des Gegensatzes nicht, der aus ihnen<lb/> zu diese» Äußerungen hervortritt, weil sie im Zusammenhange mit volkswirtschaft¬<lb/> lichen Anschauungen stehen, die in diesen Blättern wiederholt vertreten worden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_250" next="#ID_251"> Die vorjährige Mißernte im östlichen Nachbarreichc hat den wcltgeschichlichen<lb/> Wendepunkt, vor dem wir stehen, den Augen so nahe gerückt, daß der mit Blindheit<lb/> geschlagen sein müßte, der ihn nicht deutlich zu erkennen vermöchte. Nach den<lb/> unverdächtigen Schilderungen russischer Patrioten, die in den letzten Jahren zu<lb/> uns herübergedruugeu siud, kann gar kein Zweifel mehr daran bestehen, daß es<lb/> mit der vielbesprochnen Verlumpunq des russischen Adels und Bauernstandes<lb/> seine Nichtigkeit hat. Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft ist jener, durch ein<lb/> unzweckmäßiges Ablösungs- und Steuersystem, sowie dnrch den Wucher ist dieser<lb/> zu Grunde gerichtet worden, und wenn ein tüchtiges Volt die Schwierigkeiten viel¬<lb/> leicht überwunden hätte, so war bei den schlappen, dem Branntwein ergebner<lb/> Russen, die im Jahre zweihundert Feiertage begehen, nicht daran zu denken. Die<lb/> Hungersnot hat min nicht allein die wirtschaftliche Schwindsucht zur galoppirenden<lb/> gesteigert, sondern wird jedenfalls eine ganze Reihe weiterer Hungersnöte erzengen,<lb/> der Hunger wird zum chronischen Leiden werden, ans dem sich das russische Volk aus<lb/> eigner Kraft kann, wird herausarbeiten können. Denn die Bauern der heimgesuchten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Unsre guten Freunde, die Schweizer, haben den Versuch gemacht, unsre
Bemerkungen über ihre schiefe Stellung zu Deutschland und Frankreich soviel wie
möglich zu verdrehen und das Unangenehme, was wir ihnen zu sagen hatten, tot¬
zuschweigen. Auf Herrn Secrotcm in Lausanne werden wir zurückkommen, aber
nicht um elsaß-lothringische Angelegenheiten mit ihm zu diskutiren; denn das thun
wir unter uns. Heute möchten wir nur auf den merkwürdigen Zufall aufmerksam
machen, daß in derselben Woche, in der unsre motivirte Ablehnung der „neutralen"
Ratschläge der LiKliotbLlZus vuivsrssllö und der 6a,Mtw as I^usnuus in die Welt
ging, wieder zwei von diesen neutralen Schweizern wegen deutschfeindlicher Hal¬
tung aus dem Elsaß ausgewiesen werden mußten- ein Herr G. in Mnrkirch,
Beamter einer Fabrik, der es für passend hielt, an einer unmittelbar an der Grenze
veranstalteten Demonstration mit Vivs I» ^r-uros- und Vivo In, RuWioRufeu
— die letztern besonders hübsch von einem Schweizer! — u. s. w. teilzunehmen, und
ein andrer Herr G. in Mülhausen, Wcinreisender, der öffentlich damit prahlte,
daß er allein es wage, seiner Abneigung gegen Deutschland selbst deutschen Be¬
amten gegenüber Ausdruck zu geben, und der außerdem als Vertreter einer der
ersten Mülhnuser Weinhandlungen ein ganz erkleckliches Agitationstalent verwertete,
um die Bevölkerung gegen deutsche Herrschaft und deutsches Wesen aufzureizen.
„Es war geboten, solchem Treiben ein Ende zu setzen," heißt es in einer halb¬
amtlichen Mitteilung; es war längst geboten, müssen wir hinzufüge», den
Schweizern im Reichslande ihre Pflicht als Gaste auf deutschen Boden in die
Erinnerung zu rufen, so wie wir kürzlich der Presse der französischen Schweiz die
ihre in Erinnerung gebracht habe«.
Das russische Elend. Die nachfolgenden Erwägungen waren schon nieder¬
geschrieben, als die Zeitungen die Unterredung des Fürsten Bismarck mit einem
Wiener Journalisten und andre Äußerungen des Fürsten über unser Verhältnis zu
Rußland brachten. Wir unterdrücke» sie trotz des Gegensatzes nicht, der aus ihnen
zu diese» Äußerungen hervortritt, weil sie im Zusammenhange mit volkswirtschaft¬
lichen Anschauungen stehen, die in diesen Blättern wiederholt vertreten worden sind.
Die vorjährige Mißernte im östlichen Nachbarreichc hat den wcltgeschichlichen
Wendepunkt, vor dem wir stehen, den Augen so nahe gerückt, daß der mit Blindheit
geschlagen sein müßte, der ihn nicht deutlich zu erkennen vermöchte. Nach den
unverdächtigen Schilderungen russischer Patrioten, die in den letzten Jahren zu
uns herübergedruugeu siud, kann gar kein Zweifel mehr daran bestehen, daß es
mit der vielbesprochnen Verlumpunq des russischen Adels und Bauernstandes
seine Nichtigkeit hat. Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft ist jener, durch ein
unzweckmäßiges Ablösungs- und Steuersystem, sowie dnrch den Wucher ist dieser
zu Grunde gerichtet worden, und wenn ein tüchtiges Volt die Schwierigkeiten viel¬
leicht überwunden hätte, so war bei den schlappen, dem Branntwein ergebner
Russen, die im Jahre zweihundert Feiertage begehen, nicht daran zu denken. Die
Hungersnot hat min nicht allein die wirtschaftliche Schwindsucht zur galoppirenden
gesteigert, sondern wird jedenfalls eine ganze Reihe weiterer Hungersnöte erzengen,
der Hunger wird zum chronischen Leiden werden, ans dem sich das russische Volk aus
eigner Kraft kann, wird herausarbeiten können. Denn die Bauern der heimgesuchten
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