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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Lin rettender Gedcinke

Fisch eingebohrt, der, vom Glänze wie betäubt, sich dem Verfolger nicht zu
entziehen wußte. Im nächsten Augenblick liegt das Tier zappelnd auf dem
Boden der Barke. Mild weht der Seehanch, kaum hörbar plätschern winzige
Wellen am Ufer, die Fläche ist glatt, und die Fischer im blutroten Lichte der
von Harz genährten Flamme erscheinen als wunderbare Eindringlinge in dieser
Finsternis der Wasser.

Als Gegensatz hierzu mag man sich die Umgebung vorstellen, in der der
Gast, der das Meer nicht nur als Wasser-, sondern auch als Luft- und Sonnen¬
bad ausnutzen will, an einen: Sommermorgen seine Fangschnüre auswirft.
Da ist die blaue, tief aufgewühlte Fläche, über die unter sonnigem Himmel
der Maestro dahiusaust, der Schönwetterwind. Silberne Spitzen züngeln am
Ufer hinauf, draußen schwanken blendende Segel. Zwischen die Felseninseln
hat sich besonnter Nebel eingelegt, aber alles weit und breit funkelt, silber-
füßig wandelt Amphitrite, Lichtdreiecke zurücklassend, über die Meere. Trotz
Sonnenglanz schwebt die bleiche Mvndhalbkugel hoch oben im Blauen, draußen
aber, am weiten Gesichtskreis, liegt die lange Linie einer Nauchbank, die irgend
ein entschwundnes Dampfschiff gezogen hat.




Gin rettender Gedanke

le kurzsichtig sind doch die hoffentlich nur die Minderzahl aus¬
machenden Menschen, die noch immer nicht die hohe Bedeutung
des Zeitungslesers für das moderne Kulturleben voll und ganz
würdigen! Allerdings besteht zwischen Zeitung und Zeitung
ein Unterschied. Allein die öffentliche Meinung erfreut sich so
vieler auf der Höhe ihrer Mission stehenden Organe in den kleinsten wie in
den größten Städten (und Formaten), daß die Ausrede der Unkenntnis absolut
unzulässig ist. Und wenn man nicht auffallenderweise unterlassen hätte, mich
zu der berühmten und folgenreichen Schulkonferenz beizuziehen, würde ich
mich mit solcher Entschiedenheit auf die Seite der erleuchtetsten Reformatoren
unsers veralteten Unterrichtswesens gestellt haben, daß ich, wenn auf deren
äußerstem Flügel kein Platz mehr für mich gewesen wäre, mich nicht bedacht hätte,
mit dem Kopfe dnrch die Wand -- der alten Vorurteile -- zu rennen. Ich
würde die Ansicht zur Geltung gebracht haben, daß alle höhern Bildungsanstalten
in Fachschulen umzuwandeln seien, da das, was man allgemeine Bildung
nennt, viel rascher, bequemer und mit viel geringern Kosten aus den Tages¬
blättern gelernt werden kann. Natürlich dürfte die wichtigste Fachschule, eine


Lin rettender Gedcinke

Fisch eingebohrt, der, vom Glänze wie betäubt, sich dem Verfolger nicht zu
entziehen wußte. Im nächsten Augenblick liegt das Tier zappelnd auf dem
Boden der Barke. Mild weht der Seehanch, kaum hörbar plätschern winzige
Wellen am Ufer, die Fläche ist glatt, und die Fischer im blutroten Lichte der
von Harz genährten Flamme erscheinen als wunderbare Eindringlinge in dieser
Finsternis der Wasser.

Als Gegensatz hierzu mag man sich die Umgebung vorstellen, in der der
Gast, der das Meer nicht nur als Wasser-, sondern auch als Luft- und Sonnen¬
bad ausnutzen will, an einen: Sommermorgen seine Fangschnüre auswirft.
Da ist die blaue, tief aufgewühlte Fläche, über die unter sonnigem Himmel
der Maestro dahiusaust, der Schönwetterwind. Silberne Spitzen züngeln am
Ufer hinauf, draußen schwanken blendende Segel. Zwischen die Felseninseln
hat sich besonnter Nebel eingelegt, aber alles weit und breit funkelt, silber-
füßig wandelt Amphitrite, Lichtdreiecke zurücklassend, über die Meere. Trotz
Sonnenglanz schwebt die bleiche Mvndhalbkugel hoch oben im Blauen, draußen
aber, am weiten Gesichtskreis, liegt die lange Linie einer Nauchbank, die irgend
ein entschwundnes Dampfschiff gezogen hat.




Gin rettender Gedanke

le kurzsichtig sind doch die hoffentlich nur die Minderzahl aus¬
machenden Menschen, die noch immer nicht die hohe Bedeutung
des Zeitungslesers für das moderne Kulturleben voll und ganz
würdigen! Allerdings besteht zwischen Zeitung und Zeitung
ein Unterschied. Allein die öffentliche Meinung erfreut sich so
vieler auf der Höhe ihrer Mission stehenden Organe in den kleinsten wie in
den größten Städten (und Formaten), daß die Ausrede der Unkenntnis absolut
unzulässig ist. Und wenn man nicht auffallenderweise unterlassen hätte, mich
zu der berühmten und folgenreichen Schulkonferenz beizuziehen, würde ich
mich mit solcher Entschiedenheit auf die Seite der erleuchtetsten Reformatoren
unsers veralteten Unterrichtswesens gestellt haben, daß ich, wenn auf deren
äußerstem Flügel kein Platz mehr für mich gewesen wäre, mich nicht bedacht hätte,
mit dem Kopfe dnrch die Wand — der alten Vorurteile — zu rennen. Ich
würde die Ansicht zur Geltung gebracht haben, daß alle höhern Bildungsanstalten
in Fachschulen umzuwandeln seien, da das, was man allgemeine Bildung
nennt, viel rascher, bequemer und mit viel geringern Kosten aus den Tages¬
blättern gelernt werden kann. Natürlich dürfte die wichtigste Fachschule, eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/91>, abgerufen am 05.01.2025.