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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Fischerleben auf der Adria

Art, sondern auch mit Angeln betrieben wird, so ist ans dieser Fischerei ein
Sport geworden, den nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Fremden,
insbesondre auch die Badegäste von Abbazia, mit Erfolg betreiben. Für die,
die der Luftkneiperei schlechtweg keinen Geschmack abgewinnen können, und die
im Freien immer etwas zu thun haben müssen, wenn sie das von der Natur
gebotne genießen wollen, empfiehlt es sich allerdings, in einem leichten Kahn
über der krystallnen Flache zu schweben und sich mit den mancherlei Wechsel-
fällen einer solchen Hantirung die Zeit zu vertreiben. In dieser Hinsicht
kommt von allem, was auf dem Meere vorgenommen werden kann, für den
Fremdling nichts so in Betracht, als die Makrelenfischerei. Die Makrelenzeit
gestaltet fast das ganze Leben an der Küste um. Der Gast von Abbazia, der
sonst, wenn er auf irgend einem der finstern Lorbeerpfade dahinschritt, nur
den Kampfergeruch dieser Bäume gewohnt war, wird jetzt auf einmal von
einem wenig anmutenden Schwaden überrascht, der von gesvttnem Öl ausgeht.
Da wird eben in irgend einer der von den Baumwipfeln versteckten Hütten das
unvermeidliche Makrelengericht gebraten. Der Einheimische, den man hie
und da herumlungern zu sehn gewohnt war, ist jetzt von seinen Standorten
verschwunden. Er fischt auf Makrelen oder auf Köder, die er zu diesem
Fischfang braucht. Aber auch die deutschen Stammgäste in der berühmten
"Schweinen" des Hotels Stephanie, die sonst niemals bei ihrem Spatenbräu
oder Wiener Lagerbier fehlen, vermissen den einen und andern ihrer Genossen.
Er ist in einem Kahn aufs Meer hinausgerudert und kommt vielleicht noch
vor Schluß der Sitzung mit einem Haufen der in Regenbogenfarben schim¬
mernden Stachelflosser zurück, die selbst als Geschenk nur mit Mühe angebracht
werden können, weil allenthalben Überfluß vorhanden ist. Im Fühjahre 1892
z. B. waren diese Fische, dem Binnenländer ein Leckerbissen, an der Küste
nahezu unverkäuflich, und Hunderte von Zentnern verdarben, weil niemand
davon etwas wissen wollte. In manchem Jahre, wie 1891, werden jedoch
die Menschen um diesen Genuß gebracht. Wie zeitweilig unter den Tieren
des Festlandes oder auch unter Krebsen und andern Geschöpfen reißt da eine
Art von Seuche ein. Auch das Meer, die heilkräftige Wiege alles Lebens
und alles Gewordnen, bleibt davon nicht verschont. Man zog damals kaum
eine Makrele aus dem Wasser, in der sich nicht gewisse Entvzoen befanden.
Heuer hat man diese Beobachtung nicht mehr gemacht.

Ein andres Fischereivergnügen, dem auch die Gäste während der Früh-
lingsmonate gern obliegen, ist das Harpuniren allerlei Seegetiers, insbesondre
des mittelländischen Stockfisches (Asinello) und andrer Dorsche. Auch diese
Beschäftigung bietet anziehende Nachtbilder. Der Fackelschein erhellt das klare
Wasser bis zum Grunde hinab, und der, der vorgebeugt bei der leisen Fahrt
über den Rand der Barke schaut, späht in das geheimnisvolle Treiben auf
dem Grunde. Jäh saust die vierzackige Gabel hinab, sie hat sich in einen


Fischerleben auf der Adria

Art, sondern auch mit Angeln betrieben wird, so ist ans dieser Fischerei ein
Sport geworden, den nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Fremden,
insbesondre auch die Badegäste von Abbazia, mit Erfolg betreiben. Für die,
die der Luftkneiperei schlechtweg keinen Geschmack abgewinnen können, und die
im Freien immer etwas zu thun haben müssen, wenn sie das von der Natur
gebotne genießen wollen, empfiehlt es sich allerdings, in einem leichten Kahn
über der krystallnen Flache zu schweben und sich mit den mancherlei Wechsel-
fällen einer solchen Hantirung die Zeit zu vertreiben. In dieser Hinsicht
kommt von allem, was auf dem Meere vorgenommen werden kann, für den
Fremdling nichts so in Betracht, als die Makrelenfischerei. Die Makrelenzeit
gestaltet fast das ganze Leben an der Küste um. Der Gast von Abbazia, der
sonst, wenn er auf irgend einem der finstern Lorbeerpfade dahinschritt, nur
den Kampfergeruch dieser Bäume gewohnt war, wird jetzt auf einmal von
einem wenig anmutenden Schwaden überrascht, der von gesvttnem Öl ausgeht.
Da wird eben in irgend einer der von den Baumwipfeln versteckten Hütten das
unvermeidliche Makrelengericht gebraten. Der Einheimische, den man hie
und da herumlungern zu sehn gewohnt war, ist jetzt von seinen Standorten
verschwunden. Er fischt auf Makrelen oder auf Köder, die er zu diesem
Fischfang braucht. Aber auch die deutschen Stammgäste in der berühmten
„Schweinen" des Hotels Stephanie, die sonst niemals bei ihrem Spatenbräu
oder Wiener Lagerbier fehlen, vermissen den einen und andern ihrer Genossen.
Er ist in einem Kahn aufs Meer hinausgerudert und kommt vielleicht noch
vor Schluß der Sitzung mit einem Haufen der in Regenbogenfarben schim¬
mernden Stachelflosser zurück, die selbst als Geschenk nur mit Mühe angebracht
werden können, weil allenthalben Überfluß vorhanden ist. Im Fühjahre 1892
z. B. waren diese Fische, dem Binnenländer ein Leckerbissen, an der Küste
nahezu unverkäuflich, und Hunderte von Zentnern verdarben, weil niemand
davon etwas wissen wollte. In manchem Jahre, wie 1891, werden jedoch
die Menschen um diesen Genuß gebracht. Wie zeitweilig unter den Tieren
des Festlandes oder auch unter Krebsen und andern Geschöpfen reißt da eine
Art von Seuche ein. Auch das Meer, die heilkräftige Wiege alles Lebens
und alles Gewordnen, bleibt davon nicht verschont. Man zog damals kaum
eine Makrele aus dem Wasser, in der sich nicht gewisse Entvzoen befanden.
Heuer hat man diese Beobachtung nicht mehr gemacht.

Ein andres Fischereivergnügen, dem auch die Gäste während der Früh-
lingsmonate gern obliegen, ist das Harpuniren allerlei Seegetiers, insbesondre
des mittelländischen Stockfisches (Asinello) und andrer Dorsche. Auch diese
Beschäftigung bietet anziehende Nachtbilder. Der Fackelschein erhellt das klare
Wasser bis zum Grunde hinab, und der, der vorgebeugt bei der leisen Fahrt
über den Rand der Barke schaut, späht in das geheimnisvolle Treiben auf
dem Grunde. Jäh saust die vierzackige Gabel hinab, sie hat sich in einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/90>, abgerufen am 06.01.2025.