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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Fischerleben auf der Adria

gethan werden kann, übrigens wird jetzt auch in China selbst schon viel
Opium gewonnen. Die Hoffnung also, die manche wohlmeinenden Missionare
anscheinend noch immer hegen, nämlich daß noch der Tag kommen werde, wo
im ganzen China kein Opium mehr zu haben sei, ist leider wohl vergeblich.
Noch vor fünfzig Jahren wäre es wohl möglich gewesen, das durchzusetzen,
aber jetzt ist es zu spät dazu.

Es wird immer bedauerlich bleiben, daß sich die ersten Europäer, die
den Chinesen als Sieger gegenüberstanden, nicht dazu entschließen konnten,
hochherzig die Bitten der Besiegten in dieser Hinsicht zu erfüllen und selbst
mit aller Kraft dem Opiumhandel entgegenzutreten. So griff nun daS Übel
zugleich mit der zunehmenden Anstedlung von Ausländern, die im übrigen so
segensreiche Folgen hatte, immer weiter um sich. Denn ein Übel bleibt es,
man sage, was man will. Alle Beweise von der im Verhältnis zur Größe
des Reichs nicht weiten Verbreitung des Rauchers, die auch in ausländischen
Blättern stark übertrieben wird, sowie von der sehr geringen Schädlichkeit bei
mäßigem Genuß können die Thatsache nicht aus der Welt schaffen, daß eine
große Zahl von Menschen dadurch körperlich und geistig vollständig zu Grunde
gerichtet wird. Auch die sehr beliebte Behauptung, die meisten Menschen
könnten nun einmal nicht ohne ein Reizmittel auskommen, ist oberflächlich und
trifft nicht den Kern der Sache. Könnte man in einem europäischen Lande
den Branntwein auf irgend eine Weise ganz abschaffen, so würde dieses Land
dadurch im allgemeinen gewiß nicht unglücklicher werden, sondern glücklicher.
Genau so ist es in China mit dem Opium.

(Schluß folgt)




Kscherleben auf der Adria

le vielen deutschen Gäste, die sich seit der Anlegung der großen
Gaststätten zu Abbazia am istrischen Strande alljährlich nach
diesem lorbeernmschatteten Orte begeben, finden an dem felsigen
Ufer, wo der Waldwuchs immergriiner Bäume bis zum Wellen-
schaum hinabreicht, allerlei Schaustücke, die sich von denen der
nordischen Meeresufer ganz und gar unterscheiden.

Wenn um die Mitte des Mai der Judasbaum blüht (der türkische Er-
gavan, dessen roter Blütenwipfel sich dort im Osten gern zwischen den Cypressen
der Grabstätten erhebt), dann sind die anmutigen Gaststätten dieses Strandes,
des österreichischen Norderney oder Tronville, schon angefüllt mit lustigem
Badevolk, wie es sich erst zwei Monate später nach den Meeren des Nordens


Fischerleben auf der Adria

gethan werden kann, übrigens wird jetzt auch in China selbst schon viel
Opium gewonnen. Die Hoffnung also, die manche wohlmeinenden Missionare
anscheinend noch immer hegen, nämlich daß noch der Tag kommen werde, wo
im ganzen China kein Opium mehr zu haben sei, ist leider wohl vergeblich.
Noch vor fünfzig Jahren wäre es wohl möglich gewesen, das durchzusetzen,
aber jetzt ist es zu spät dazu.

Es wird immer bedauerlich bleiben, daß sich die ersten Europäer, die
den Chinesen als Sieger gegenüberstanden, nicht dazu entschließen konnten,
hochherzig die Bitten der Besiegten in dieser Hinsicht zu erfüllen und selbst
mit aller Kraft dem Opiumhandel entgegenzutreten. So griff nun daS Übel
zugleich mit der zunehmenden Anstedlung von Ausländern, die im übrigen so
segensreiche Folgen hatte, immer weiter um sich. Denn ein Übel bleibt es,
man sage, was man will. Alle Beweise von der im Verhältnis zur Größe
des Reichs nicht weiten Verbreitung des Rauchers, die auch in ausländischen
Blättern stark übertrieben wird, sowie von der sehr geringen Schädlichkeit bei
mäßigem Genuß können die Thatsache nicht aus der Welt schaffen, daß eine
große Zahl von Menschen dadurch körperlich und geistig vollständig zu Grunde
gerichtet wird. Auch die sehr beliebte Behauptung, die meisten Menschen
könnten nun einmal nicht ohne ein Reizmittel auskommen, ist oberflächlich und
trifft nicht den Kern der Sache. Könnte man in einem europäischen Lande
den Branntwein auf irgend eine Weise ganz abschaffen, so würde dieses Land
dadurch im allgemeinen gewiß nicht unglücklicher werden, sondern glücklicher.
Genau so ist es in China mit dem Opium.

(Schluß folgt)




Kscherleben auf der Adria

le vielen deutschen Gäste, die sich seit der Anlegung der großen
Gaststätten zu Abbazia am istrischen Strande alljährlich nach
diesem lorbeernmschatteten Orte begeben, finden an dem felsigen
Ufer, wo der Waldwuchs immergriiner Bäume bis zum Wellen-
schaum hinabreicht, allerlei Schaustücke, die sich von denen der
nordischen Meeresufer ganz und gar unterscheiden.

Wenn um die Mitte des Mai der Judasbaum blüht (der türkische Er-
gavan, dessen roter Blütenwipfel sich dort im Osten gern zwischen den Cypressen
der Grabstätten erhebt), dann sind die anmutigen Gaststätten dieses Strandes,
des österreichischen Norderney oder Tronville, schon angefüllt mit lustigem
Badevolk, wie es sich erst zwei Monate später nach den Meeren des Nordens


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[0082] Fischerleben auf der Adria gethan werden kann, übrigens wird jetzt auch in China selbst schon viel Opium gewonnen. Die Hoffnung also, die manche wohlmeinenden Missionare anscheinend noch immer hegen, nämlich daß noch der Tag kommen werde, wo im ganzen China kein Opium mehr zu haben sei, ist leider wohl vergeblich. Noch vor fünfzig Jahren wäre es wohl möglich gewesen, das durchzusetzen, aber jetzt ist es zu spät dazu. Es wird immer bedauerlich bleiben, daß sich die ersten Europäer, die den Chinesen als Sieger gegenüberstanden, nicht dazu entschließen konnten, hochherzig die Bitten der Besiegten in dieser Hinsicht zu erfüllen und selbst mit aller Kraft dem Opiumhandel entgegenzutreten. So griff nun daS Übel zugleich mit der zunehmenden Anstedlung von Ausländern, die im übrigen so segensreiche Folgen hatte, immer weiter um sich. Denn ein Übel bleibt es, man sage, was man will. Alle Beweise von der im Verhältnis zur Größe des Reichs nicht weiten Verbreitung des Rauchers, die auch in ausländischen Blättern stark übertrieben wird, sowie von der sehr geringen Schädlichkeit bei mäßigem Genuß können die Thatsache nicht aus der Welt schaffen, daß eine große Zahl von Menschen dadurch körperlich und geistig vollständig zu Grunde gerichtet wird. Auch die sehr beliebte Behauptung, die meisten Menschen könnten nun einmal nicht ohne ein Reizmittel auskommen, ist oberflächlich und trifft nicht den Kern der Sache. Könnte man in einem europäischen Lande den Branntwein auf irgend eine Weise ganz abschaffen, so würde dieses Land dadurch im allgemeinen gewiß nicht unglücklicher werden, sondern glücklicher. Genau so ist es in China mit dem Opium. (Schluß folgt) Kscherleben auf der Adria le vielen deutschen Gäste, die sich seit der Anlegung der großen Gaststätten zu Abbazia am istrischen Strande alljährlich nach diesem lorbeernmschatteten Orte begeben, finden an dem felsigen Ufer, wo der Waldwuchs immergriiner Bäume bis zum Wellen- schaum hinabreicht, allerlei Schaustücke, die sich von denen der nordischen Meeresufer ganz und gar unterscheiden. Wenn um die Mitte des Mai der Judasbaum blüht (der türkische Er- gavan, dessen roter Blütenwipfel sich dort im Osten gern zwischen den Cypressen der Grabstätten erhebt), dann sind die anmutigen Gaststätten dieses Strandes, des österreichischen Norderney oder Tronville, schon angefüllt mit lustigem Badevolk, wie es sich erst zwei Monate später nach den Meeren des Nordens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/82>, abgerufen am 05.01.2025.