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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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treiben, die von ihrer Regierung ausdrücklich Erlaubnis dazu hatten. Die
Ostindische Handelsgesellschaft, die bis 1834 das Monopol für den Handel
zwischen England und China besaß, hatte gewisse Konsularbefugnisse, besonders
insofern, als sie nötigenfalls englische Staatsangehörige aus Kanton ausweisen
konnte. Die kaufmännischen Konsuln der übrigen Nationen dagegen hatten so
gut wie gar keine Machtvollkommenheiten, und die chinesischen Beamten
kümmerten sich nicht um sie und ihre Flaggen. Wurde dann einmal bei
einem Streit ein Chinese von europäischen Matrosen erschlagen, so gab es
unendliche Weitläufigkeiten, und einzeln sah man sich wirklich dazu gezwungen,
den unglücklichen Übelthäter der Gnade der Mandarinen zu überlassen, weil
es vollständig in deren Belieben stand, die Verhältnisse ster alle Ausländer
ganz unerträglich zu machen. Fürwahr, es wurde hohe Zeit, daß die Eng¬
länder, an die allmählich der größte Teil des Handels übergegangen war,
endlich diesem Naturzustande ein Ende machten.


3

In den dreißiger Jahren unsers Jahrhunderts trieben die Dinge um so
unaufhaltsamer dem Kriege zu, als die Chinesen die seit 1834 ernannten eng¬
lischen Regicrungskommissare ebenso von oben herab behandelten, wie vorher
die Vertreter der Ostindischen Handelsgesellschaft. Bevor wir aber die nun
folgenden Ereignisse kurz erzählen, möge der Geschichts- und Kulturgeschichts¬
freund noch eine kleine Betrachtung mit uns anstellen. Unzweifelhaft waren
die Chinesen, wenn sie sich nachher auch noch so oft ins Unrecht setzten, ur¬
sprünglich durchaus im Recht. Wenn mir ein Handelsmann ins Haus kommt
und allmählich unbescheiden wird, so habe ich das Recht, ihn hinauszuwerfen,
auch wenn ich ihn anfangs geduldet habe. Kein Mensch wird das bestreikn.
Wenn er aber nun durchaus wieder mit mir anknüpfen will, so ist es ebenso
unbestreitbar, daß ich die nötige Macht haben muß, wenn ich mir den Men¬
schen erfolgreich vom Halse halten will. Diese Macht hatte aber die chinesische
regierende Klasse nicht. In, werden nun Leute vom Schlage der Eugen
Richter und Bamberger sagen, dann hätten die Europäer die Chinesen hübsch
in Ruhe lassen sollen! Ach, wenn sich alle Menschen immer wie artige Kinder
hätten benehmen wollen, so hätte es nie einen Fortschritt gegeben, und wir
Deutschen lägen dann wohl noch in unsern Wäldern auf der Bärenhaut.
Der ganze, jetzt so blühende Handel an der chinesischen Küste bestünde nicht;
ja noch mehr: wenn die Klasse der chinesischen Beamten ihrem geheimsten
Herzenswünsche gemäß handeln könnte, so würde sie uus Ausländer alle lieber
heute als morgen bitten, gefälligst das Reich der Mitte zu verlassen. Zu
solchen Folgerungen kommt man, wenn durchaus alles nach einer bestimmten
Theorie gehen soll, in die man sich verrannt hat.

Nun hat allerdings der unmittelbare Anlaß zu dem unvermeidlich ge-


treiben, die von ihrer Regierung ausdrücklich Erlaubnis dazu hatten. Die
Ostindische Handelsgesellschaft, die bis 1834 das Monopol für den Handel
zwischen England und China besaß, hatte gewisse Konsularbefugnisse, besonders
insofern, als sie nötigenfalls englische Staatsangehörige aus Kanton ausweisen
konnte. Die kaufmännischen Konsuln der übrigen Nationen dagegen hatten so
gut wie gar keine Machtvollkommenheiten, und die chinesischen Beamten
kümmerten sich nicht um sie und ihre Flaggen. Wurde dann einmal bei
einem Streit ein Chinese von europäischen Matrosen erschlagen, so gab es
unendliche Weitläufigkeiten, und einzeln sah man sich wirklich dazu gezwungen,
den unglücklichen Übelthäter der Gnade der Mandarinen zu überlassen, weil
es vollständig in deren Belieben stand, die Verhältnisse ster alle Ausländer
ganz unerträglich zu machen. Fürwahr, es wurde hohe Zeit, daß die Eng¬
länder, an die allmählich der größte Teil des Handels übergegangen war,
endlich diesem Naturzustande ein Ende machten.


3

In den dreißiger Jahren unsers Jahrhunderts trieben die Dinge um so
unaufhaltsamer dem Kriege zu, als die Chinesen die seit 1834 ernannten eng¬
lischen Regicrungskommissare ebenso von oben herab behandelten, wie vorher
die Vertreter der Ostindischen Handelsgesellschaft. Bevor wir aber die nun
folgenden Ereignisse kurz erzählen, möge der Geschichts- und Kulturgeschichts¬
freund noch eine kleine Betrachtung mit uns anstellen. Unzweifelhaft waren
die Chinesen, wenn sie sich nachher auch noch so oft ins Unrecht setzten, ur¬
sprünglich durchaus im Recht. Wenn mir ein Handelsmann ins Haus kommt
und allmählich unbescheiden wird, so habe ich das Recht, ihn hinauszuwerfen,
auch wenn ich ihn anfangs geduldet habe. Kein Mensch wird das bestreikn.
Wenn er aber nun durchaus wieder mit mir anknüpfen will, so ist es ebenso
unbestreitbar, daß ich die nötige Macht haben muß, wenn ich mir den Men¬
schen erfolgreich vom Halse halten will. Diese Macht hatte aber die chinesische
regierende Klasse nicht. In, werden nun Leute vom Schlage der Eugen
Richter und Bamberger sagen, dann hätten die Europäer die Chinesen hübsch
in Ruhe lassen sollen! Ach, wenn sich alle Menschen immer wie artige Kinder
hätten benehmen wollen, so hätte es nie einen Fortschritt gegeben, und wir
Deutschen lägen dann wohl noch in unsern Wäldern auf der Bärenhaut.
Der ganze, jetzt so blühende Handel an der chinesischen Küste bestünde nicht;
ja noch mehr: wenn die Klasse der chinesischen Beamten ihrem geheimsten
Herzenswünsche gemäß handeln könnte, so würde sie uus Ausländer alle lieber
heute als morgen bitten, gefälligst das Reich der Mitte zu verlassen. Zu
solchen Folgerungen kommt man, wenn durchaus alles nach einer bestimmten
Theorie gehen soll, in die man sich verrannt hat.

Nun hat allerdings der unmittelbare Anlaß zu dem unvermeidlich ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/78>, abgerufen am 05.01.2025.