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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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genirt rauchte". Ich rief den Schaffner her und machte ihn auf das an¬
geschlagne Verbot aufmerksam. Und was erwiderte er? Ja, das gilt nicht,
das ist heute Rauchkupee. Spruchs, und "kochte" mir meinen letzten "Fahr¬
schein." Solche willkürliche, lüderliche Wirtschaft -- auch das ist schlechtes
Deutsch, des Deutschen unwürdig.




Bilder aus dem Universitätsleben
L>. Pedell papendick

le Studenten nannten ihn Vardvlph, den Ritter von der bren¬
nenden Lampe, und in der That hatte Pedell Papendick ein
Gesicht, daß Falstaff auch zu ihm hätte sagen können: Ich sehe
dein Gesicht niemals, ohne an das höllische Feuer zu denken
und an den reichen Mann, der in Purpurkleidern lebte; denn
da sitzt er in seiner Pracht, und brennt und brennt. Du liegst ganz im Argen,
und wenns nicht das Licht in deinem Gesicht thäte, wärst du gänzlich ein
Kind der Finsternis. O, du bist ein beständiger Fackelzug, ein unauslösch¬
liches Freudenfeuer.

Edeldenkende Musensöhne, deren es in der kleinen Universitätsstadt freilich
nicht viele gab, meinten, man müsse über Papendick nichts böses reden, sein auf¬
gedunsenes, rotes Gesicht rühre sicher von einem unbekannten Leiden her, von
einer stehengebliebnen Gesichtsrose oder irgend einer im anatomischen Saal ent-
standnen Blutvergiftung. Papendick selbst schob die Schuld ans den Barbier
Zwetschke, der ihm einst ein Mittel gegen Mitesser geraten habe. Das sei so
scharf gewesen, daß die Backen und die Stirn schon nach dem ersten Gebrauch so
rot wie ein Edamer Käse geworden seien, und die Nase die Form und Farbe
einer reifen Himbeere bekommen habe. Barbier Zwetschke dagegen behauptete,
Papeudicks Angaben stimmten nicht, er habe sich das Verschönerungsmittel
nicht wegen der Mitesser bei ihm geholt, sondern wegen der Mittrinker; das
Mittel sei gegen Sommersprossen und Flechten vorzüglich, aber gegen Künunel-
movs und Nordhäuserpilze sei es machtlos. Papendick habe sich die rote Nase
schon vorher beim Militär als Bombenschmeißer geholt, und sein Gesicht sei
schon ganz waschecht gewesen, als er aus dem französischen Kriege zurück¬
gekommen und Pedell geworden sei; was er dem Professor Weller zu ver¬
danken habe, der im Feldzuge sein Hauptmann gewesen sei.

Papendick hatte denn auch die Versuche, höhere Mächte für seine Nase
verantwortlich zu macheu, allmählich aufgegeben. Allen Erkundigungen, die


genirt rauchte». Ich rief den Schaffner her und machte ihn auf das an¬
geschlagne Verbot aufmerksam. Und was erwiderte er? Ja, das gilt nicht,
das ist heute Rauchkupee. Spruchs, und „kochte" mir meinen letzten „Fahr¬
schein." Solche willkürliche, lüderliche Wirtschaft — auch das ist schlechtes
Deutsch, des Deutschen unwürdig.




Bilder aus dem Universitätsleben
L>. Pedell papendick

le Studenten nannten ihn Vardvlph, den Ritter von der bren¬
nenden Lampe, und in der That hatte Pedell Papendick ein
Gesicht, daß Falstaff auch zu ihm hätte sagen können: Ich sehe
dein Gesicht niemals, ohne an das höllische Feuer zu denken
und an den reichen Mann, der in Purpurkleidern lebte; denn
da sitzt er in seiner Pracht, und brennt und brennt. Du liegst ganz im Argen,
und wenns nicht das Licht in deinem Gesicht thäte, wärst du gänzlich ein
Kind der Finsternis. O, du bist ein beständiger Fackelzug, ein unauslösch¬
liches Freudenfeuer.

Edeldenkende Musensöhne, deren es in der kleinen Universitätsstadt freilich
nicht viele gab, meinten, man müsse über Papendick nichts böses reden, sein auf¬
gedunsenes, rotes Gesicht rühre sicher von einem unbekannten Leiden her, von
einer stehengebliebnen Gesichtsrose oder irgend einer im anatomischen Saal ent-
standnen Blutvergiftung. Papendick selbst schob die Schuld ans den Barbier
Zwetschke, der ihm einst ein Mittel gegen Mitesser geraten habe. Das sei so
scharf gewesen, daß die Backen und die Stirn schon nach dem ersten Gebrauch so
rot wie ein Edamer Käse geworden seien, und die Nase die Form und Farbe
einer reifen Himbeere bekommen habe. Barbier Zwetschke dagegen behauptete,
Papeudicks Angaben stimmten nicht, er habe sich das Verschönerungsmittel
nicht wegen der Mitesser bei ihm geholt, sondern wegen der Mittrinker; das
Mittel sei gegen Sommersprossen und Flechten vorzüglich, aber gegen Künunel-
movs und Nordhäuserpilze sei es machtlos. Papendick habe sich die rote Nase
schon vorher beim Militär als Bombenschmeißer geholt, und sein Gesicht sei
schon ganz waschecht gewesen, als er aus dem französischen Kriege zurück¬
gekommen und Pedell geworden sei; was er dem Professor Weller zu ver¬
danken habe, der im Feldzuge sein Hauptmann gewesen sei.

Papendick hatte denn auch die Versuche, höhere Mächte für seine Nase
verantwortlich zu macheu, allmählich aufgegeben. Allen Erkundigungen, die


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[0613] genirt rauchte». Ich rief den Schaffner her und machte ihn auf das an¬ geschlagne Verbot aufmerksam. Und was erwiderte er? Ja, das gilt nicht, das ist heute Rauchkupee. Spruchs, und „kochte" mir meinen letzten „Fahr¬ schein." Solche willkürliche, lüderliche Wirtschaft — auch das ist schlechtes Deutsch, des Deutschen unwürdig. Bilder aus dem Universitätsleben L>. Pedell papendick le Studenten nannten ihn Vardvlph, den Ritter von der bren¬ nenden Lampe, und in der That hatte Pedell Papendick ein Gesicht, daß Falstaff auch zu ihm hätte sagen können: Ich sehe dein Gesicht niemals, ohne an das höllische Feuer zu denken und an den reichen Mann, der in Purpurkleidern lebte; denn da sitzt er in seiner Pracht, und brennt und brennt. Du liegst ganz im Argen, und wenns nicht das Licht in deinem Gesicht thäte, wärst du gänzlich ein Kind der Finsternis. O, du bist ein beständiger Fackelzug, ein unauslösch¬ liches Freudenfeuer. Edeldenkende Musensöhne, deren es in der kleinen Universitätsstadt freilich nicht viele gab, meinten, man müsse über Papendick nichts böses reden, sein auf¬ gedunsenes, rotes Gesicht rühre sicher von einem unbekannten Leiden her, von einer stehengebliebnen Gesichtsrose oder irgend einer im anatomischen Saal ent- standnen Blutvergiftung. Papendick selbst schob die Schuld ans den Barbier Zwetschke, der ihm einst ein Mittel gegen Mitesser geraten habe. Das sei so scharf gewesen, daß die Backen und die Stirn schon nach dem ersten Gebrauch so rot wie ein Edamer Käse geworden seien, und die Nase die Form und Farbe einer reifen Himbeere bekommen habe. Barbier Zwetschke dagegen behauptete, Papeudicks Angaben stimmten nicht, er habe sich das Verschönerungsmittel nicht wegen der Mitesser bei ihm geholt, sondern wegen der Mittrinker; das Mittel sei gegen Sommersprossen und Flechten vorzüglich, aber gegen Künunel- movs und Nordhäuserpilze sei es machtlos. Papendick habe sich die rote Nase schon vorher beim Militär als Bombenschmeißer geholt, und sein Gesicht sei schon ganz waschecht gewesen, als er aus dem französischen Kriege zurück¬ gekommen und Pedell geworden sei; was er dem Professor Weller zu ver¬ danken habe, der im Feldzuge sein Hauptmann gewesen sei. Papendick hatte denn auch die Versuche, höhere Mächte für seine Nase verantwortlich zu macheu, allmählich aufgegeben. Allen Erkundigungen, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/613>, abgerufen am 05.01.2025.