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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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kühn als Reiter, Wanderer und Ruderer, furchtlos im Verkehr mit den
Großen dieser Erde, ein Mann des Willens und der That, eine Kraftuatur
nach unserm Herzen. Man hat Bärbel häufig die feinere Bildung abge¬
sprochen, und es klebte ihm ja wohl bis in seine letzte Zeit etwas vom Natur¬
burschen an. Aber ein Mann, der solche Briefe schreibt, so klar und treffend
über Dinge und Personen urteilt, ist nicht ungebildet, auch wenn er vom
Lateinischen und Griechischen wenig verstünde und auch sonst im Leben wenig
gelesen hätte. Männer des Wissens und der Bildung haben wir in Deutsch¬
land genug, Männer des Willens und des Charakters wie Bärbel nur wenige.
Man sollte solchen Naturen ein treues Andenken bewahren. Ich wüßte nicht,
was man an dem Menschen Bärbel, abgesehen von seinem Eigensinn, tadeln
sollte. Als Künstler hat er wenigstens das Richtige gewollt. Mag die Zu¬
kunft entscheiden, ob ihn selbst oder seine Zeit die größere Schuld daran trifft,
daß er es nicht erreicht hat.




Heilsarmee und Politik

or kurzem lief die lustige Nachricht durch die Zeitungen, daß
Most unter dem Drucke seiner Sünden zusammengebrochen und
als neuer Mensch in der Heilsarmee wieder aufgestanden sei,
sich selbst und andern zum Heil. Ja man wußte sogar zu er¬
zählen, daß er sich Deutschland und insbesondre Berlin zum
Schauplatz seiner künftigen Missionsthätigkeit ausersehen habe. Ein wahrer
Jammer, daß auch diese frohe Botschaft, wie so viele andre, sich nachträglich
als eine Sommerente erwiesen hat. Wir werden den bekehrten Most nicht
sehen und uns nicht von ihm bekehren lassen, aber dafür hat doch der große
Gedanke, die bekehrten Anarchisten in die Heilsarmee zu schicken, seineu An¬
spruch aus Unsterblichkeit nicht eingebüßt. Wir möchten sogar dafür eintreten,
daß sich auch andre bekehrte oder unbekehrte politische Sünder die Anregung
nicht entgehen ließen und verwirklichten, was Most -- wir fürchten es wirk¬
lich -- in seiner Seelen Härtigkeit nicht ausführen wird; giebt es doch so
manchen im Vaterlande und darüber hinaus, dem wir die heilsame Disziplin
des General Booth wünschten. Schon gestaltet sich uns ein Bild nach
Spangenbergschem Vorbilde: der Zug der Heilsarmee! Voran natürlich der
General -- Booth, dann die andern, alle die falschen Propheten, denen ihre
Sünde leid geworden ist oder doch leid werden sollte, Hinz und Kunz oder
wie sie immer heißen mögen. Wir zweifeln nicht daran, daß es bloß des
Anstoßes bedarf, damit sich jeder in Gedanken das Bild ausführe. Für die


kühn als Reiter, Wanderer und Ruderer, furchtlos im Verkehr mit den
Großen dieser Erde, ein Mann des Willens und der That, eine Kraftuatur
nach unserm Herzen. Man hat Bärbel häufig die feinere Bildung abge¬
sprochen, und es klebte ihm ja wohl bis in seine letzte Zeit etwas vom Natur¬
burschen an. Aber ein Mann, der solche Briefe schreibt, so klar und treffend
über Dinge und Personen urteilt, ist nicht ungebildet, auch wenn er vom
Lateinischen und Griechischen wenig verstünde und auch sonst im Leben wenig
gelesen hätte. Männer des Wissens und der Bildung haben wir in Deutsch¬
land genug, Männer des Willens und des Charakters wie Bärbel nur wenige.
Man sollte solchen Naturen ein treues Andenken bewahren. Ich wüßte nicht,
was man an dem Menschen Bärbel, abgesehen von seinem Eigensinn, tadeln
sollte. Als Künstler hat er wenigstens das Richtige gewollt. Mag die Zu¬
kunft entscheiden, ob ihn selbst oder seine Zeit die größere Schuld daran trifft,
daß er es nicht erreicht hat.




Heilsarmee und Politik

or kurzem lief die lustige Nachricht durch die Zeitungen, daß
Most unter dem Drucke seiner Sünden zusammengebrochen und
als neuer Mensch in der Heilsarmee wieder aufgestanden sei,
sich selbst und andern zum Heil. Ja man wußte sogar zu er¬
zählen, daß er sich Deutschland und insbesondre Berlin zum
Schauplatz seiner künftigen Missionsthätigkeit ausersehen habe. Ein wahrer
Jammer, daß auch diese frohe Botschaft, wie so viele andre, sich nachträglich
als eine Sommerente erwiesen hat. Wir werden den bekehrten Most nicht
sehen und uns nicht von ihm bekehren lassen, aber dafür hat doch der große
Gedanke, die bekehrten Anarchisten in die Heilsarmee zu schicken, seineu An¬
spruch aus Unsterblichkeit nicht eingebüßt. Wir möchten sogar dafür eintreten,
daß sich auch andre bekehrte oder unbekehrte politische Sünder die Anregung
nicht entgehen ließen und verwirklichten, was Most — wir fürchten es wirk¬
lich — in seiner Seelen Härtigkeit nicht ausführen wird; giebt es doch so
manchen im Vaterlande und darüber hinaus, dem wir die heilsame Disziplin
des General Booth wünschten. Schon gestaltet sich uns ein Bild nach
Spangenbergschem Vorbilde: der Zug der Heilsarmee! Voran natürlich der
General — Booth, dann die andern, alle die falschen Propheten, denen ihre
Sünde leid geworden ist oder doch leid werden sollte, Hinz und Kunz oder
wie sie immer heißen mögen. Wir zweifeln nicht daran, daß es bloß des
Anstoßes bedarf, damit sich jeder in Gedanken das Bild ausführe. Für die


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[0051] kühn als Reiter, Wanderer und Ruderer, furchtlos im Verkehr mit den Großen dieser Erde, ein Mann des Willens und der That, eine Kraftuatur nach unserm Herzen. Man hat Bärbel häufig die feinere Bildung abge¬ sprochen, und es klebte ihm ja wohl bis in seine letzte Zeit etwas vom Natur¬ burschen an. Aber ein Mann, der solche Briefe schreibt, so klar und treffend über Dinge und Personen urteilt, ist nicht ungebildet, auch wenn er vom Lateinischen und Griechischen wenig verstünde und auch sonst im Leben wenig gelesen hätte. Männer des Wissens und der Bildung haben wir in Deutsch¬ land genug, Männer des Willens und des Charakters wie Bärbel nur wenige. Man sollte solchen Naturen ein treues Andenken bewahren. Ich wüßte nicht, was man an dem Menschen Bärbel, abgesehen von seinem Eigensinn, tadeln sollte. Als Künstler hat er wenigstens das Richtige gewollt. Mag die Zu¬ kunft entscheiden, ob ihn selbst oder seine Zeit die größere Schuld daran trifft, daß er es nicht erreicht hat. Heilsarmee und Politik or kurzem lief die lustige Nachricht durch die Zeitungen, daß Most unter dem Drucke seiner Sünden zusammengebrochen und als neuer Mensch in der Heilsarmee wieder aufgestanden sei, sich selbst und andern zum Heil. Ja man wußte sogar zu er¬ zählen, daß er sich Deutschland und insbesondre Berlin zum Schauplatz seiner künftigen Missionsthätigkeit ausersehen habe. Ein wahrer Jammer, daß auch diese frohe Botschaft, wie so viele andre, sich nachträglich als eine Sommerente erwiesen hat. Wir werden den bekehrten Most nicht sehen und uns nicht von ihm bekehren lassen, aber dafür hat doch der große Gedanke, die bekehrten Anarchisten in die Heilsarmee zu schicken, seineu An¬ spruch aus Unsterblichkeit nicht eingebüßt. Wir möchten sogar dafür eintreten, daß sich auch andre bekehrte oder unbekehrte politische Sünder die Anregung nicht entgehen ließen und verwirklichten, was Most — wir fürchten es wirk¬ lich — in seiner Seelen Härtigkeit nicht ausführen wird; giebt es doch so manchen im Vaterlande und darüber hinaus, dem wir die heilsame Disziplin des General Booth wünschten. Schon gestaltet sich uns ein Bild nach Spangenbergschem Vorbilde: der Zug der Heilsarmee! Voran natürlich der General — Booth, dann die andern, alle die falschen Propheten, denen ihre Sünde leid geworden ist oder doch leid werden sollte, Hinz und Kunz oder wie sie immer heißen mögen. Wir zweifeln nicht daran, daß es bloß des Anstoßes bedarf, damit sich jeder in Gedanken das Bild ausführe. Für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/51>, abgerufen am 05.01.2025.