Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Bundesstaat und Staatenbund; Volk und Land Glauben verlachten, die da meinten, die Deseendenztheorie habe die Nicht- Das muß, es muß anders werden, wenn die aufkündigen Juden nicht in Vundesstaat und ^"taatenbund; Volk und Land le beiden Bücher, die uus zur Abfassung dieses Aufsatzes Ver¬ *) Deutsches Staatsrecht. Bon Albert Hänel. Erster Band. Die Grundlagen des
Bundesstaat und Staatenbund; Volk und Land Glauben verlachten, die da meinten, die Deseendenztheorie habe die Nicht- Das muß, es muß anders werden, wenn die aufkündigen Juden nicht in Vundesstaat und ^»taatenbund; Volk und Land le beiden Bücher, die uus zur Abfassung dieses Aufsatzes Ver¬ *) Deutsches Staatsrecht. Bon Albert Hänel. Erster Band. Die Grundlagen des
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212937"/> <fw type="header" place="top"> Bundesstaat und Staatenbund; Volk und Land</fw><lb/> <p xml:id="ID_1550" prev="#ID_1549"> Glauben verlachten, die da meinten, die Deseendenztheorie habe die Nicht-<lb/> existenz eines Schöpfers bewiesen, die die armen Christen verspotteten, die<lb/> sich notwendig vor etwas beugen müßten und eigentlich Heiden wären, Heide»<lb/> im wahrsten Sinne des Wortes, die Menschen als Götter und Heilige ver¬<lb/> ehrten. Das Experiment ist aber auch schmählich mißlungen, und der Schüler<lb/> ging weiter, als es der Meister wünschte. Man verlachte mit Gott das Gute,<lb/> man bewies die Relativität aller Sittlichkeit und zog in Zweifel, ob das<lb/> subjektiv für böse Gehaltene auch das Böse an sich sei, ob es überhaupt ein<lb/> Böses an sich gebe, und somit kam man zu dem Grundsatz, daß jeder seinen<lb/> Instinkten folgen, seine Bedürfnisse befriedigen und alles, was sich ihm dabei<lb/> in den Weg stelle, bekämpfen dürfe. Die Schranken, die in Sitte und Sprache,<lb/> in Gewohnheit und Recht zwischen Nationen und Nationen bestehen, waren<lb/> für den Juden nicht vorhanden; er war durch soviele Jahrhunderte ge¬<lb/> knechtet und über den ganzen Erdboden zerstreut gewesen, daß ihn der Völker¬<lb/> zwist nichts anging. Begierig griff er daher den Gedanken der Verbrüderung<lb/> aller Völker auf, um desto gemächlicher seinem internationalen Ideal, der Geld¬<lb/> herrschaft, nachzuhängen, ^on sist wurde sein Wahlspruch in dem von sitt¬<lb/> lichen Schranken abgelösten wilden Wettbewerb.</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> Das muß, es muß anders werden, wenn die aufkündigen Juden nicht in<lb/> der Flut des Antisemitismus untergehen wollen. Anstatt sich aber Rechen¬<lb/> schaft darüber zu geben, was an der antisemitischen Bewegung berechtigt sei,<lb/> weisen sie dem einen oder andern Antisemitenführer nach, daß er selbst in<lb/> seinein Privatleben nicht vorwurfsfrei gewesen sei, berufen sich auf einzelne<lb/> große und verdienstvolle Männer, die die Juden Deutschland und den übrigen<lb/> Nationen gegeben haben, machen wohl auch manchmal einen Anlauf zur<lb/> Diskussion, aber dann kommen sie nicht über Phrasen und anmaßende<lb/> Schmähungen Andersdenkender hinaus. Das ist aber nicht der Weg gegen¬<lb/> seitiger Verständigung. Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Vundesstaat und ^»taatenbund; Volk und Land</head><lb/> <p xml:id="ID_1552" next="#ID_1553"> le beiden Bücher, die uus zur Abfassung dieses Aufsatzes Ver¬<lb/> anlassung geben/') sind nach demselben Plane angelegt, indem<lb/> beide dnrch einleitende Abhandlungen über den Begriff und die<lb/> Aufgaben des Staates sowie über seine möglichen Formen das<lb/> Verständnis für die Organisation des deutschen Reichs vor¬<lb/> bereiten, deren Darlegung den Inhalt des Hauptteils bildet. Vergleicht man</p><lb/> <note xml:id="FID_42" place="foot" next="#FID_43"> *) Deutsches Staatsrecht. Bon Albert Hänel. Erster Band. Die Grundlagen des</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
Bundesstaat und Staatenbund; Volk und Land
Glauben verlachten, die da meinten, die Deseendenztheorie habe die Nicht-
existenz eines Schöpfers bewiesen, die die armen Christen verspotteten, die
sich notwendig vor etwas beugen müßten und eigentlich Heiden wären, Heide»
im wahrsten Sinne des Wortes, die Menschen als Götter und Heilige ver¬
ehrten. Das Experiment ist aber auch schmählich mißlungen, und der Schüler
ging weiter, als es der Meister wünschte. Man verlachte mit Gott das Gute,
man bewies die Relativität aller Sittlichkeit und zog in Zweifel, ob das
subjektiv für böse Gehaltene auch das Böse an sich sei, ob es überhaupt ein
Böses an sich gebe, und somit kam man zu dem Grundsatz, daß jeder seinen
Instinkten folgen, seine Bedürfnisse befriedigen und alles, was sich ihm dabei
in den Weg stelle, bekämpfen dürfe. Die Schranken, die in Sitte und Sprache,
in Gewohnheit und Recht zwischen Nationen und Nationen bestehen, waren
für den Juden nicht vorhanden; er war durch soviele Jahrhunderte ge¬
knechtet und über den ganzen Erdboden zerstreut gewesen, daß ihn der Völker¬
zwist nichts anging. Begierig griff er daher den Gedanken der Verbrüderung
aller Völker auf, um desto gemächlicher seinem internationalen Ideal, der Geld¬
herrschaft, nachzuhängen, ^on sist wurde sein Wahlspruch in dem von sitt¬
lichen Schranken abgelösten wilden Wettbewerb.
Das muß, es muß anders werden, wenn die aufkündigen Juden nicht in
der Flut des Antisemitismus untergehen wollen. Anstatt sich aber Rechen¬
schaft darüber zu geben, was an der antisemitischen Bewegung berechtigt sei,
weisen sie dem einen oder andern Antisemitenführer nach, daß er selbst in
seinein Privatleben nicht vorwurfsfrei gewesen sei, berufen sich auf einzelne
große und verdienstvolle Männer, die die Juden Deutschland und den übrigen
Nationen gegeben haben, machen wohl auch manchmal einen Anlauf zur
Diskussion, aber dann kommen sie nicht über Phrasen und anmaßende
Schmähungen Andersdenkender hinaus. Das ist aber nicht der Weg gegen¬
seitiger Verständigung. Schluß folgt)
Vundesstaat und ^»taatenbund; Volk und Land
le beiden Bücher, die uus zur Abfassung dieses Aufsatzes Ver¬
anlassung geben/') sind nach demselben Plane angelegt, indem
beide dnrch einleitende Abhandlungen über den Begriff und die
Aufgaben des Staates sowie über seine möglichen Formen das
Verständnis für die Organisation des deutschen Reichs vor¬
bereiten, deren Darlegung den Inhalt des Hauptteils bildet. Vergleicht man
*) Deutsches Staatsrecht. Bon Albert Hänel. Erster Band. Die Grundlagen des
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