Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Frankfurter Haushaltungsschulen

früher Englands Abnehmer waren, jetzt mit diesem in der Ausfuhr konkurriren?
Nur der allerbilligstc Mann wird noch etwas absetzen. Darum halten wir es
eben für einen unglücklichen Gedanken, heute uoch die Existenz eines Volks
auf die Exportindustrie gründen zu wollen. Die erste Frage wird dahin be¬
antwortet, das; die nun einmal vorhandnen Agrarzölle als Tauschobjekte ver¬
wendet werden sollen. In Beziehung auf Ur. 2 antwortet er, und wir sind
damit vollkommen einverstanden: eine andre Frage sei die nach der Zukunft
der Landwirtschaft, eine andre die nach der Zukunft der einzelnen Wirte. Die
Kleinbauern, die kein Getreide verkauften, wohl gar noch welches hinzulaufen
müßten, Hütten voi? hohen Getreidepreisen keinen Vorteil, sondern unter Um¬
stünden Schaden. Die Magnaten seien reich genug, auf das Privilegium einer
künstlichen Preiserhöhung verzichten zu können. Schwierig würde sich aller¬
dings bei gänzlicher Aufhebung der Zölle die Lage vieler Rittergutsbesitzer
gestalten. Manche von thuen seien so wie so ans keine Weise zu halten und
müßten ihrem Schicksal überlassen werden. Die noch lebensfähigen möchten
sich durch eines von zwei Mitteln helfen: ihren Besitz entweder parzellenweise
verkaufen oder verpachten. Die nicht überschütteten Bauern und Großgrund¬
besitzer seien für den Einnahmeansfall bei Aufhebung der Getreidezölle durch
Steuererleichterungen zu entschädigen; auch könne, meint Lotz, ein mäßiger
Viehzvll beibehalten werden.

Im Schlußwort wiederholt Lotz die früher schou ausgesprochue Warnung
an die Konservativen, mit ihren Angriffen gegen das mobile Kapital vorsichtig
zu sein, da die Arbeiter, wenn einmal das Kapital überhaupt verpönt sei. vor
dem in Grund und Boden angelegten nicht Halt machen würden, und giebt
den Liberalen zu bedenken, daß sie als Förderer der Exportindustrie mir so lange
am Ruder bleiben könnten, als sie bereit seien, die für die Wehrhaftigkeit des
Reichs notwendigen Opfer zu bringen; denn über allen wirtschaftlichen und
sozialen Fragen stehe die Existenz des Vaterlandes.




Die Frankfurter Haushaltungsschulen
von Otto Kamp

u Ostern 188!) wurde in dem damals leerstehenden "Russischen Hof"
auf der Zeil in Frankfurt a. M. ein Abendkursus für hcmswirt-
schnftlichen Unterricht eröffnet. Aber die Lehrstütte in jenem, allen
Fremden bekannten Gasthause mußte, weil es die Rcichspost-
behörde ankaufte, noch vor Schluß des ersten Schuljahrs um¬
siedeln; sie wurde im Februar t8U0 in das Herz der Altstadt Frankfurts, an den


Die Frankfurter Haushaltungsschulen

früher Englands Abnehmer waren, jetzt mit diesem in der Ausfuhr konkurriren?
Nur der allerbilligstc Mann wird noch etwas absetzen. Darum halten wir es
eben für einen unglücklichen Gedanken, heute uoch die Existenz eines Volks
auf die Exportindustrie gründen zu wollen. Die erste Frage wird dahin be¬
antwortet, das; die nun einmal vorhandnen Agrarzölle als Tauschobjekte ver¬
wendet werden sollen. In Beziehung auf Ur. 2 antwortet er, und wir sind
damit vollkommen einverstanden: eine andre Frage sei die nach der Zukunft
der Landwirtschaft, eine andre die nach der Zukunft der einzelnen Wirte. Die
Kleinbauern, die kein Getreide verkauften, wohl gar noch welches hinzulaufen
müßten, Hütten voi? hohen Getreidepreisen keinen Vorteil, sondern unter Um¬
stünden Schaden. Die Magnaten seien reich genug, auf das Privilegium einer
künstlichen Preiserhöhung verzichten zu können. Schwierig würde sich aller¬
dings bei gänzlicher Aufhebung der Zölle die Lage vieler Rittergutsbesitzer
gestalten. Manche von thuen seien so wie so ans keine Weise zu halten und
müßten ihrem Schicksal überlassen werden. Die noch lebensfähigen möchten
sich durch eines von zwei Mitteln helfen: ihren Besitz entweder parzellenweise
verkaufen oder verpachten. Die nicht überschütteten Bauern und Großgrund¬
besitzer seien für den Einnahmeansfall bei Aufhebung der Getreidezölle durch
Steuererleichterungen zu entschädigen; auch könne, meint Lotz, ein mäßiger
Viehzvll beibehalten werden.

Im Schlußwort wiederholt Lotz die früher schou ausgesprochue Warnung
an die Konservativen, mit ihren Angriffen gegen das mobile Kapital vorsichtig
zu sein, da die Arbeiter, wenn einmal das Kapital überhaupt verpönt sei. vor
dem in Grund und Boden angelegten nicht Halt machen würden, und giebt
den Liberalen zu bedenken, daß sie als Förderer der Exportindustrie mir so lange
am Ruder bleiben könnten, als sie bereit seien, die für die Wehrhaftigkeit des
Reichs notwendigen Opfer zu bringen; denn über allen wirtschaftlichen und
sozialen Fragen stehe die Existenz des Vaterlandes.




Die Frankfurter Haushaltungsschulen
von Otto Kamp

u Ostern 188!) wurde in dem damals leerstehenden „Russischen Hof"
auf der Zeil in Frankfurt a. M. ein Abendkursus für hcmswirt-
schnftlichen Unterricht eröffnet. Aber die Lehrstütte in jenem, allen
Fremden bekannten Gasthause mußte, weil es die Rcichspost-
behörde ankaufte, noch vor Schluß des ersten Schuljahrs um¬
siedeln; sie wurde im Februar t8U0 in das Herz der Altstadt Frankfurts, an den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212891"/>
            <fw type="header" place="top"> Die Frankfurter Haushaltungsschulen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1379" prev="#ID_1378"> früher Englands Abnehmer waren, jetzt mit diesem in der Ausfuhr konkurriren?<lb/>
Nur der allerbilligstc Mann wird noch etwas absetzen. Darum halten wir es<lb/>
eben für einen unglücklichen Gedanken, heute uoch die Existenz eines Volks<lb/>
auf die Exportindustrie gründen zu wollen. Die erste Frage wird dahin be¬<lb/>
antwortet, das; die nun einmal vorhandnen Agrarzölle als Tauschobjekte ver¬<lb/>
wendet werden sollen. In Beziehung auf Ur. 2 antwortet er, und wir sind<lb/>
damit vollkommen einverstanden: eine andre Frage sei die nach der Zukunft<lb/>
der Landwirtschaft, eine andre die nach der Zukunft der einzelnen Wirte. Die<lb/>
Kleinbauern, die kein Getreide verkauften, wohl gar noch welches hinzulaufen<lb/>
müßten, Hütten voi? hohen Getreidepreisen keinen Vorteil, sondern unter Um¬<lb/>
stünden Schaden. Die Magnaten seien reich genug, auf das Privilegium einer<lb/>
künstlichen Preiserhöhung verzichten zu können. Schwierig würde sich aller¬<lb/>
dings bei gänzlicher Aufhebung der Zölle die Lage vieler Rittergutsbesitzer<lb/>
gestalten. Manche von thuen seien so wie so ans keine Weise zu halten und<lb/>
müßten ihrem Schicksal überlassen werden. Die noch lebensfähigen möchten<lb/>
sich durch eines von zwei Mitteln helfen: ihren Besitz entweder parzellenweise<lb/>
verkaufen oder verpachten. Die nicht überschütteten Bauern und Großgrund¬<lb/>
besitzer seien für den Einnahmeansfall bei Aufhebung der Getreidezölle durch<lb/>
Steuererleichterungen zu entschädigen; auch könne, meint Lotz, ein mäßiger<lb/>
Viehzvll beibehalten werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1380"> Im Schlußwort wiederholt Lotz die früher schou ausgesprochue Warnung<lb/>
an die Konservativen, mit ihren Angriffen gegen das mobile Kapital vorsichtig<lb/>
zu sein, da die Arbeiter, wenn einmal das Kapital überhaupt verpönt sei. vor<lb/>
dem in Grund und Boden angelegten nicht Halt machen würden, und giebt<lb/>
den Liberalen zu bedenken, daß sie als Förderer der Exportindustrie mir so lange<lb/>
am Ruder bleiben könnten, als sie bereit seien, die für die Wehrhaftigkeit des<lb/>
Reichs notwendigen Opfer zu bringen; denn über allen wirtschaftlichen und<lb/>
sozialen Fragen stehe die Existenz des Vaterlandes.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Frankfurter Haushaltungsschulen<lb/><note type="byline"> von Otto Kamp</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1381" next="#ID_1382"> u Ostern 188!) wurde in dem damals leerstehenden &#x201E;Russischen Hof"<lb/>
auf der Zeil in Frankfurt a. M. ein Abendkursus für hcmswirt-<lb/>
schnftlichen Unterricht eröffnet. Aber die Lehrstütte in jenem, allen<lb/>
Fremden bekannten Gasthause mußte, weil es die Rcichspost-<lb/>
behörde ankaufte, noch vor Schluß des ersten Schuljahrs um¬<lb/>
siedeln; sie wurde im Februar t8U0 in das Herz der Altstadt Frankfurts, an den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0415] Die Frankfurter Haushaltungsschulen früher Englands Abnehmer waren, jetzt mit diesem in der Ausfuhr konkurriren? Nur der allerbilligstc Mann wird noch etwas absetzen. Darum halten wir es eben für einen unglücklichen Gedanken, heute uoch die Existenz eines Volks auf die Exportindustrie gründen zu wollen. Die erste Frage wird dahin be¬ antwortet, das; die nun einmal vorhandnen Agrarzölle als Tauschobjekte ver¬ wendet werden sollen. In Beziehung auf Ur. 2 antwortet er, und wir sind damit vollkommen einverstanden: eine andre Frage sei die nach der Zukunft der Landwirtschaft, eine andre die nach der Zukunft der einzelnen Wirte. Die Kleinbauern, die kein Getreide verkauften, wohl gar noch welches hinzulaufen müßten, Hütten voi? hohen Getreidepreisen keinen Vorteil, sondern unter Um¬ stünden Schaden. Die Magnaten seien reich genug, auf das Privilegium einer künstlichen Preiserhöhung verzichten zu können. Schwierig würde sich aller¬ dings bei gänzlicher Aufhebung der Zölle die Lage vieler Rittergutsbesitzer gestalten. Manche von thuen seien so wie so ans keine Weise zu halten und müßten ihrem Schicksal überlassen werden. Die noch lebensfähigen möchten sich durch eines von zwei Mitteln helfen: ihren Besitz entweder parzellenweise verkaufen oder verpachten. Die nicht überschütteten Bauern und Großgrund¬ besitzer seien für den Einnahmeansfall bei Aufhebung der Getreidezölle durch Steuererleichterungen zu entschädigen; auch könne, meint Lotz, ein mäßiger Viehzvll beibehalten werden. Im Schlußwort wiederholt Lotz die früher schou ausgesprochue Warnung an die Konservativen, mit ihren Angriffen gegen das mobile Kapital vorsichtig zu sein, da die Arbeiter, wenn einmal das Kapital überhaupt verpönt sei. vor dem in Grund und Boden angelegten nicht Halt machen würden, und giebt den Liberalen zu bedenken, daß sie als Förderer der Exportindustrie mir so lange am Ruder bleiben könnten, als sie bereit seien, die für die Wehrhaftigkeit des Reichs notwendigen Opfer zu bringen; denn über allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen stehe die Existenz des Vaterlandes. Die Frankfurter Haushaltungsschulen von Otto Kamp u Ostern 188!) wurde in dem damals leerstehenden „Russischen Hof" auf der Zeil in Frankfurt a. M. ein Abendkursus für hcmswirt- schnftlichen Unterricht eröffnet. Aber die Lehrstütte in jenem, allen Fremden bekannten Gasthause mußte, weil es die Rcichspost- behörde ankaufte, noch vor Schluß des ersten Schuljahrs um¬ siedeln; sie wurde im Februar t8U0 in das Herz der Altstadt Frankfurts, an den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/415
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/415>, abgerufen am 05.01.2025.