Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Entwurf eines deutschen Lheckgesetzes

Jude sollte das nicht thun können? Und Buschoff ist ein altgläubiger Jude.
Wie der Staatsanwalt hervorhebt, kann ein so frommer Mann, der morgens
fastet, weil der Sterbetag seines Vaters ist, der abends die Küppersche Scheune
nicht betreten will, weil er an diesem Tage keine Leiche sehen darf u. s. w.,
keinen Mord begehen. Gerade deshalb könnte er eines solchen Mordes
fähig sein.

Buschoff ist freigesprochen. Ganz Juda erhebt ein Jrokesengeheul vor
Freude, und es werden Sammlungen für ihn veranstaltet, bei denen sich anch
besonders Herren des "Fortschritts" mit christlichen Namen beteiligen. Ist
Buschoff unschuldig, so beklagen wir ihn und seine Familie wegen des ihm
widerfahrnen Unrechts gerade so tief, wie die Tausende und Abertausende, die
bisher unschuldig in Untersuchungshaft gesessen, die Jahre lang unschuldig in
Kerker und Banden gelegen haben. Nach unserm Dafürhalten ist dies ein
dunkler Punkt in der Gesetzgebung; es erscheint uns als ein schreiendes Unrecht,
daß die unschuldig Verhafteten oder Verurteilten keine Entschädigung erhalten.
Ist es aber jemals vorgekommen, daß für einen Christen derartige Aufrufe
erlassen und Sammlungen veranstaltet worden sind, daß sich Jude" mit
Namensunterschrift und Geldbeiträgen für einen Christen aufgeworfen hätten?
Und hier, wo es sich um einen Juden handelt, wetteifern Christen, zusammen¬
zuschießen -- für einen Juden! Nur -- weil er ein Jude ist!

Der ganze Prozeß hat gezeigt, daß Israel eine furchtbare Macht ist,
eine furchtbare Macht hat. Hüten wir uns vor zu weitgehenden Zugeständ-
nissen, und mögen sie sich hüten, den Bogen zu straff zu spannen, der Pfeil
könnte sonst auf den Schütze" zurückfliegen!




Der Entwurf eines deutschen (Lheckgesetzes
Von Julius Lubszynski

er die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung mit Aufmerksam¬
keit verfolgt, dem wird es nicht entgangen sein, daß sich in den
letzten Jahren in Deutschland eine sonderbare Zurückhaltung,
um nicht zu sagen Abneigung des Handelsstandes gegen alle
in sein Gebiet eingreifenden gesetzgeberischen Maßnahmen bemerk¬
bar gemacht hat. Ihren vollendeten Ausdruck hat diese Erscheinung bei der
kürzlich in Angriff genommenen Börsenenquete gefunden, an der sich mit Jnter-W
M


Der Entwurf eines deutschen Lheckgesetzes

Jude sollte das nicht thun können? Und Buschoff ist ein altgläubiger Jude.
Wie der Staatsanwalt hervorhebt, kann ein so frommer Mann, der morgens
fastet, weil der Sterbetag seines Vaters ist, der abends die Küppersche Scheune
nicht betreten will, weil er an diesem Tage keine Leiche sehen darf u. s. w.,
keinen Mord begehen. Gerade deshalb könnte er eines solchen Mordes
fähig sein.

Buschoff ist freigesprochen. Ganz Juda erhebt ein Jrokesengeheul vor
Freude, und es werden Sammlungen für ihn veranstaltet, bei denen sich anch
besonders Herren des „Fortschritts" mit christlichen Namen beteiligen. Ist
Buschoff unschuldig, so beklagen wir ihn und seine Familie wegen des ihm
widerfahrnen Unrechts gerade so tief, wie die Tausende und Abertausende, die
bisher unschuldig in Untersuchungshaft gesessen, die Jahre lang unschuldig in
Kerker und Banden gelegen haben. Nach unserm Dafürhalten ist dies ein
dunkler Punkt in der Gesetzgebung; es erscheint uns als ein schreiendes Unrecht,
daß die unschuldig Verhafteten oder Verurteilten keine Entschädigung erhalten.
Ist es aber jemals vorgekommen, daß für einen Christen derartige Aufrufe
erlassen und Sammlungen veranstaltet worden sind, daß sich Jude» mit
Namensunterschrift und Geldbeiträgen für einen Christen aufgeworfen hätten?
Und hier, wo es sich um einen Juden handelt, wetteifern Christen, zusammen¬
zuschießen — für einen Juden! Nur — weil er ein Jude ist!

Der ganze Prozeß hat gezeigt, daß Israel eine furchtbare Macht ist,
eine furchtbare Macht hat. Hüten wir uns vor zu weitgehenden Zugeständ-
nissen, und mögen sie sich hüten, den Bogen zu straff zu spannen, der Pfeil
könnte sonst auf den Schütze» zurückfliegen!




Der Entwurf eines deutschen (Lheckgesetzes
Von Julius Lubszynski

er die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung mit Aufmerksam¬
keit verfolgt, dem wird es nicht entgangen sein, daß sich in den
letzten Jahren in Deutschland eine sonderbare Zurückhaltung,
um nicht zu sagen Abneigung des Handelsstandes gegen alle
in sein Gebiet eingreifenden gesetzgeberischen Maßnahmen bemerk¬
bar gemacht hat. Ihren vollendeten Ausdruck hat diese Erscheinung bei der
kürzlich in Angriff genommenen Börsenenquete gefunden, an der sich mit Jnter-W
M


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212784"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Entwurf eines deutschen Lheckgesetzes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1002" prev="#ID_1001"> Jude sollte das nicht thun können? Und Buschoff ist ein altgläubiger Jude.<lb/>
Wie der Staatsanwalt hervorhebt, kann ein so frommer Mann, der morgens<lb/>
fastet, weil der Sterbetag seines Vaters ist, der abends die Küppersche Scheune<lb/>
nicht betreten will, weil er an diesem Tage keine Leiche sehen darf u. s. w.,<lb/>
keinen Mord begehen. Gerade deshalb könnte er eines solchen Mordes<lb/>
fähig sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1003"> Buschoff ist freigesprochen. Ganz Juda erhebt ein Jrokesengeheul vor<lb/>
Freude, und es werden Sammlungen für ihn veranstaltet, bei denen sich anch<lb/>
besonders Herren des &#x201E;Fortschritts" mit christlichen Namen beteiligen. Ist<lb/>
Buschoff unschuldig, so beklagen wir ihn und seine Familie wegen des ihm<lb/>
widerfahrnen Unrechts gerade so tief, wie die Tausende und Abertausende, die<lb/>
bisher unschuldig in Untersuchungshaft gesessen, die Jahre lang unschuldig in<lb/>
Kerker und Banden gelegen haben. Nach unserm Dafürhalten ist dies ein<lb/>
dunkler Punkt in der Gesetzgebung; es erscheint uns als ein schreiendes Unrecht,<lb/>
daß die unschuldig Verhafteten oder Verurteilten keine Entschädigung erhalten.<lb/>
Ist es aber jemals vorgekommen, daß für einen Christen derartige Aufrufe<lb/>
erlassen und Sammlungen veranstaltet worden sind, daß sich Jude» mit<lb/>
Namensunterschrift und Geldbeiträgen für einen Christen aufgeworfen hätten?<lb/>
Und hier, wo es sich um einen Juden handelt, wetteifern Christen, zusammen¬<lb/>
zuschießen &#x2014; für einen Juden! Nur &#x2014; weil er ein Jude ist!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1004"> Der ganze Prozeß hat gezeigt, daß Israel eine furchtbare Macht ist,<lb/>
eine furchtbare Macht hat. Hüten wir uns vor zu weitgehenden Zugeständ-<lb/>
nissen, und mögen sie sich hüten, den Bogen zu straff zu spannen, der Pfeil<lb/>
könnte sonst auf den Schütze» zurückfliegen!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Entwurf eines deutschen (Lheckgesetzes<lb/><note type="byline"> Von Julius Lubszynski</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1005" next="#ID_1006"> er die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung mit Aufmerksam¬<lb/>
keit verfolgt, dem wird es nicht entgangen sein, daß sich in den<lb/>
letzten Jahren in Deutschland eine sonderbare Zurückhaltung,<lb/>
um nicht zu sagen Abneigung des Handelsstandes gegen alle<lb/>
in sein Gebiet eingreifenden gesetzgeberischen Maßnahmen bemerk¬<lb/>
bar gemacht hat. Ihren vollendeten Ausdruck hat diese Erscheinung bei der<lb/>
kürzlich in Angriff genommenen Börsenenquete gefunden, an der sich mit Jnter-W<lb/>
M</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] Der Entwurf eines deutschen Lheckgesetzes Jude sollte das nicht thun können? Und Buschoff ist ein altgläubiger Jude. Wie der Staatsanwalt hervorhebt, kann ein so frommer Mann, der morgens fastet, weil der Sterbetag seines Vaters ist, der abends die Küppersche Scheune nicht betreten will, weil er an diesem Tage keine Leiche sehen darf u. s. w., keinen Mord begehen. Gerade deshalb könnte er eines solchen Mordes fähig sein. Buschoff ist freigesprochen. Ganz Juda erhebt ein Jrokesengeheul vor Freude, und es werden Sammlungen für ihn veranstaltet, bei denen sich anch besonders Herren des „Fortschritts" mit christlichen Namen beteiligen. Ist Buschoff unschuldig, so beklagen wir ihn und seine Familie wegen des ihm widerfahrnen Unrechts gerade so tief, wie die Tausende und Abertausende, die bisher unschuldig in Untersuchungshaft gesessen, die Jahre lang unschuldig in Kerker und Banden gelegen haben. Nach unserm Dafürhalten ist dies ein dunkler Punkt in der Gesetzgebung; es erscheint uns als ein schreiendes Unrecht, daß die unschuldig Verhafteten oder Verurteilten keine Entschädigung erhalten. Ist es aber jemals vorgekommen, daß für einen Christen derartige Aufrufe erlassen und Sammlungen veranstaltet worden sind, daß sich Jude» mit Namensunterschrift und Geldbeiträgen für einen Christen aufgeworfen hätten? Und hier, wo es sich um einen Juden handelt, wetteifern Christen, zusammen¬ zuschießen — für einen Juden! Nur — weil er ein Jude ist! Der ganze Prozeß hat gezeigt, daß Israel eine furchtbare Macht ist, eine furchtbare Macht hat. Hüten wir uns vor zu weitgehenden Zugeständ- nissen, und mögen sie sich hüten, den Bogen zu straff zu spannen, der Pfeil könnte sonst auf den Schütze» zurückfliegen! Der Entwurf eines deutschen (Lheckgesetzes Von Julius Lubszynski er die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung mit Aufmerksam¬ keit verfolgt, dem wird es nicht entgangen sein, daß sich in den letzten Jahren in Deutschland eine sonderbare Zurückhaltung, um nicht zu sagen Abneigung des Handelsstandes gegen alle in sein Gebiet eingreifenden gesetzgeberischen Maßnahmen bemerk¬ bar gemacht hat. Ihren vollendeten Ausdruck hat diese Erscheinung bei der kürzlich in Angriff genommenen Börsenenquete gefunden, an der sich mit Jnter-W M

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/308>, abgerufen am 05.01.2025.