Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.Das ärztliche Studium der Frauen Von Wilhelm Buchner (Schluß) in M. März kam die Frage zur Verhandlung im Abgeordneten- Anders äußerte sich der uativualliberale Abgeordnete Seyffardt. Es sei Das ärztliche Studium der Frauen Von Wilhelm Buchner (Schluß) in M. März kam die Frage zur Verhandlung im Abgeordneten- Anders äußerte sich der uativualliberale Abgeordnete Seyffardt. Es sei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212735"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341855_212475/figures/grenzboten_341855_212475_212735_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das ärztliche Studium der Frauen<lb/><note type="byline"> Von Wilhelm Buchner</note> (Schluß)</head><lb/> <p xml:id="ID_848"> in M. März kam die Frage zur Verhandlung im Abgeordneten-<lb/> hause. Zunächst erklärte der Abgeordnete Hartmann im Namen<lb/> der großen Mehrzahl der Konservativen sich für „Übergang<lb/> zur Tagesordnung," sie seien grundsätzlich der Ansicht, daß die<lb/> Frau in das Haus und in die Familie gehöre und dort<lb/> ihren Wirkungskreis finden müsse; lasse mau die Frauen zum ärztlichen<lb/> Studium zu, so sei zu fürchten, daß dies schließlich zu einer allgemeinen<lb/> Emanzipation der Frauen, also zu einem nationalen Unglück führen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_849"> Anders äußerte sich der uativualliberale Abgeordnete Seyffardt. Es sei<lb/> hier nicht die Rede davon, die Frau dem Hause und der Familie zu entziehen;<lb/> man wolle nur dem in zahlreichen Kreisen der gebildeten Frauenwelt hervor¬<lb/> tretenden Bedürfnis nach erweiterter Gelegenheit zur Bethätigung ihrer Ar¬<lb/> beitskraft entsprechen. Es sei sehr erfreulich, daß zum erstenmal ein preußischer<lb/> Minister an die Universitäten die Bitte gerichtet habe, sich über die Zulassung<lb/> der Frauen zum Studium zu äußern, und daß endlich das, was fast alle<lb/> andern Kulturstaaten bereits in Angriff genommen und zum Teil durchgeführt<lb/> hätten, auch in Deutschland und in Preußen nicht mehr als schlechterdings<lb/> ungehörig bezeichnet werden dürfe. Der Kommissar habe sich zwar vorsichtig<lb/> verhalten, aber doch mit aller Bestimmtheit ausgesprochen, daß das ärztliche<lb/> Studium deu Frauen nicht länger ganz entzogen werden dürfe. Die Gewerbe¬<lb/> ordnung gewähre deu Frauen die Zulassung zur ärztlichen Praxis, aber man<lb/> müsse ihnen auch die Möglichkeit gewähren, sich in Deutschland selbst für die<lb/> ärztliche Praxis vorzubereiten. Die Kommission wolle in keiner Weise einen<lb/> bestimmten Weg vorschreiben; sie habe nur das im Augenblick einzig mögliche<lb/> Auskunftsmittel der Zulassung zur Abiturieuteuprüfuug vorgeschlagen, glaube<lb/> sogar, daß ein andrer Weg aus manchen Gründen richtiger sei. Hoffentlich<lb/> werde es das Abgeordnetenhaus für eine Ehrensache halten, in diesem Punkte<lb/> der Frauenfrage nicht eine absolut abwehrende Stellung einzunehmen, sondern<lb/> sich dem durchaus maßvollen Vorschlage der Kommission anschließen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
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Das ärztliche Studium der Frauen
Von Wilhelm Buchner (Schluß)
in M. März kam die Frage zur Verhandlung im Abgeordneten-
hause. Zunächst erklärte der Abgeordnete Hartmann im Namen
der großen Mehrzahl der Konservativen sich für „Übergang
zur Tagesordnung," sie seien grundsätzlich der Ansicht, daß die
Frau in das Haus und in die Familie gehöre und dort
ihren Wirkungskreis finden müsse; lasse mau die Frauen zum ärztlichen
Studium zu, so sei zu fürchten, daß dies schließlich zu einer allgemeinen
Emanzipation der Frauen, also zu einem nationalen Unglück führen werde.
Anders äußerte sich der uativualliberale Abgeordnete Seyffardt. Es sei
hier nicht die Rede davon, die Frau dem Hause und der Familie zu entziehen;
man wolle nur dem in zahlreichen Kreisen der gebildeten Frauenwelt hervor¬
tretenden Bedürfnis nach erweiterter Gelegenheit zur Bethätigung ihrer Ar¬
beitskraft entsprechen. Es sei sehr erfreulich, daß zum erstenmal ein preußischer
Minister an die Universitäten die Bitte gerichtet habe, sich über die Zulassung
der Frauen zum Studium zu äußern, und daß endlich das, was fast alle
andern Kulturstaaten bereits in Angriff genommen und zum Teil durchgeführt
hätten, auch in Deutschland und in Preußen nicht mehr als schlechterdings
ungehörig bezeichnet werden dürfe. Der Kommissar habe sich zwar vorsichtig
verhalten, aber doch mit aller Bestimmtheit ausgesprochen, daß das ärztliche
Studium deu Frauen nicht länger ganz entzogen werden dürfe. Die Gewerbe¬
ordnung gewähre deu Frauen die Zulassung zur ärztlichen Praxis, aber man
müsse ihnen auch die Möglichkeit gewähren, sich in Deutschland selbst für die
ärztliche Praxis vorzubereiten. Die Kommission wolle in keiner Weise einen
bestimmten Weg vorschreiben; sie habe nur das im Augenblick einzig mögliche
Auskunftsmittel der Zulassung zur Abiturieuteuprüfuug vorgeschlagen, glaube
sogar, daß ein andrer Weg aus manchen Gründen richtiger sei. Hoffentlich
werde es das Abgeordnetenhaus für eine Ehrensache halten, in diesem Punkte
der Frauenfrage nicht eine absolut abwehrende Stellung einzunehmen, sondern
sich dem durchaus maßvollen Vorschlage der Kommission anschließen.
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