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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Weltgeschichte in Hinterwinkel

kostet haben. Das Auge des heutigen Lesers ertrüge es nicht, seyn, Himmel-
farth, hohlen und die vielen überflüssigen Doppelvvkale zu sehn. Schumann
hat so geschrieben, und für seine Zeit war er unzweifelhaft im Recht. Wir
sind jetzt durch die halbe Reform der Orthographie in eine leidige Übergangs¬
zeit geraten, deshalb hat Jansen manche zweckmäßige Änderungen vorgenommen,
wenn er sie auch uicht mit gleichmäßiger Strenge durchgeführt hat. Er hat
wenigstens angestrebt, alles entschieden veraltete ans dem Text fern zu halten.

Jansen hat mit seiner gewissenhaften Arbeit alle Freunde Schumanns zu
herzlichem Danke verpflichtet. Möge nun auch die neue Ausgabe recht weite
Verbreitung finden!


Hermann Budy


Weltgeschichte in Hinterwinkel
Aus den Denkwürdigkeiten eines ehemaligen Schneiderlehrlings
von Lemno Rüttellauer Zweites Kapitel
Wie Einer schlafend in den Arieg zieht

ngefähr vier oder fünf Wochen waren vergangen. Die Hinter-
winkler hatten beim schönsten Wetter das schönste Hen gemacht,
und der Blesfeuvogt hatte dabei viel geflucht, weil er keinen
Ersatz für den Hannpeter bekommen hatte und darum das Dop¬
pelte hatte arbeiten müssen als sonst; aber die Arbeit war
zuletzt doch gethan worden.

Alles ging seinen ruhigen Gang wie jedes Jahr, man merkte in Hinter¬
winkel wenig davon, daß mitten im Vaterlande der blutige Krieg wütete. Die
Bauern berechneten, wieviel teurer sie den Hafer unter solchen Umständen
verkaufen würden, und freuten sich des Gewinns. Daß ihnen selbst keine Un¬
annehmlichkeit aus dem Krieg erwüchse, dafür sorgten ja die Soldaten.

Zwar liefen einige dunkle Gerüchte um, daß die Hannoveraner eine Schlacht
gegen die Preußen verloren und daß die Preußen in Böhmen sogar die Öster¬
reicher fast besiegt Hütten. Allein diesen Berichten glaubte man nicht, oder
man hielt sie wenigstens für sehr übertrieben. Einige Hinterwinkler Soldaten
hatten Briefe nach Hause geschickt, aus denen hervorging, daß die entscheidende
Schlacht noch gar nicht geschlagen sei, und daß Preußen auf alle Fülle unter¬
liegen müsse.


Weltgeschichte in Hinterwinkel

kostet haben. Das Auge des heutigen Lesers ertrüge es nicht, seyn, Himmel-
farth, hohlen und die vielen überflüssigen Doppelvvkale zu sehn. Schumann
hat so geschrieben, und für seine Zeit war er unzweifelhaft im Recht. Wir
sind jetzt durch die halbe Reform der Orthographie in eine leidige Übergangs¬
zeit geraten, deshalb hat Jansen manche zweckmäßige Änderungen vorgenommen,
wenn er sie auch uicht mit gleichmäßiger Strenge durchgeführt hat. Er hat
wenigstens angestrebt, alles entschieden veraltete ans dem Text fern zu halten.

Jansen hat mit seiner gewissenhaften Arbeit alle Freunde Schumanns zu
herzlichem Danke verpflichtet. Möge nun auch die neue Ausgabe recht weite
Verbreitung finden!


Hermann Budy


Weltgeschichte in Hinterwinkel
Aus den Denkwürdigkeiten eines ehemaligen Schneiderlehrlings
von Lemno Rüttellauer Zweites Kapitel
Wie Einer schlafend in den Arieg zieht

ngefähr vier oder fünf Wochen waren vergangen. Die Hinter-
winkler hatten beim schönsten Wetter das schönste Hen gemacht,
und der Blesfeuvogt hatte dabei viel geflucht, weil er keinen
Ersatz für den Hannpeter bekommen hatte und darum das Dop¬
pelte hatte arbeiten müssen als sonst; aber die Arbeit war
zuletzt doch gethan worden.

Alles ging seinen ruhigen Gang wie jedes Jahr, man merkte in Hinter¬
winkel wenig davon, daß mitten im Vaterlande der blutige Krieg wütete. Die
Bauern berechneten, wieviel teurer sie den Hafer unter solchen Umständen
verkaufen würden, und freuten sich des Gewinns. Daß ihnen selbst keine Un¬
annehmlichkeit aus dem Krieg erwüchse, dafür sorgten ja die Soldaten.

Zwar liefen einige dunkle Gerüchte um, daß die Hannoveraner eine Schlacht
gegen die Preußen verloren und daß die Preußen in Böhmen sogar die Öster¬
reicher fast besiegt Hütten. Allein diesen Berichten glaubte man nicht, oder
man hielt sie wenigstens für sehr übertrieben. Einige Hinterwinkler Soldaten
hatten Briefe nach Hause geschickt, aus denen hervorging, daß die entscheidende
Schlacht noch gar nicht geschlagen sei, und daß Preußen auf alle Fülle unter¬
liegen müsse.


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[0238] Weltgeschichte in Hinterwinkel kostet haben. Das Auge des heutigen Lesers ertrüge es nicht, seyn, Himmel- farth, hohlen und die vielen überflüssigen Doppelvvkale zu sehn. Schumann hat so geschrieben, und für seine Zeit war er unzweifelhaft im Recht. Wir sind jetzt durch die halbe Reform der Orthographie in eine leidige Übergangs¬ zeit geraten, deshalb hat Jansen manche zweckmäßige Änderungen vorgenommen, wenn er sie auch uicht mit gleichmäßiger Strenge durchgeführt hat. Er hat wenigstens angestrebt, alles entschieden veraltete ans dem Text fern zu halten. Jansen hat mit seiner gewissenhaften Arbeit alle Freunde Schumanns zu herzlichem Danke verpflichtet. Möge nun auch die neue Ausgabe recht weite Verbreitung finden! Hermann Budy Weltgeschichte in Hinterwinkel Aus den Denkwürdigkeiten eines ehemaligen Schneiderlehrlings von Lemno Rüttellauer Zweites Kapitel Wie Einer schlafend in den Arieg zieht ngefähr vier oder fünf Wochen waren vergangen. Die Hinter- winkler hatten beim schönsten Wetter das schönste Hen gemacht, und der Blesfeuvogt hatte dabei viel geflucht, weil er keinen Ersatz für den Hannpeter bekommen hatte und darum das Dop¬ pelte hatte arbeiten müssen als sonst; aber die Arbeit war zuletzt doch gethan worden. Alles ging seinen ruhigen Gang wie jedes Jahr, man merkte in Hinter¬ winkel wenig davon, daß mitten im Vaterlande der blutige Krieg wütete. Die Bauern berechneten, wieviel teurer sie den Hafer unter solchen Umständen verkaufen würden, und freuten sich des Gewinns. Daß ihnen selbst keine Un¬ annehmlichkeit aus dem Krieg erwüchse, dafür sorgten ja die Soldaten. Zwar liefen einige dunkle Gerüchte um, daß die Hannoveraner eine Schlacht gegen die Preußen verloren und daß die Preußen in Böhmen sogar die Öster¬ reicher fast besiegt Hütten. Allein diesen Berichten glaubte man nicht, oder man hielt sie wenigstens für sehr übertrieben. Einige Hinterwinkler Soldaten hatten Briefe nach Hause geschickt, aus denen hervorging, daß die entscheidende Schlacht noch gar nicht geschlagen sei, und daß Preußen auf alle Fülle unter¬ liegen müsse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/238>, abgerufen am 05.01.2025.