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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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u den im vorigen Abschnitt bezeichneten Gefahren, die in der
Energie der modernen Zerstörungsmittel wurzeln, kommt hinzu,
daß leider wenig Aussicht vorhanden ist, daß die wesentlichen
Ursachen der Gührung in den Massen, die zu den anarchistischen
Ausbrüchen führt, werden entfernt werden. Die neue soziale
Gesetzgebung ist der Ausdruck des Bestrebens einer pflichtbewußten Negierung,
nicht bloß der Gewalt die Gewalt entgegenzusetzen, sondern den Leiden der
untersten Klasse Abhilfe, wenigstens Linderung zu bringen. Doch kann sich
keine Regierung in der Hoffnung wiegen, jemals das Ideal des idealen Sozial¬
demokraten zu verwirklichen, das doch wesentlich darin besteht, einen Zustand
zu schaffen, worin es keine leidende, keine entbehrende unterste Klasse, keine
von dem Verdienst des Tages lebende, von Kapitalisten und Aristokratie ab¬
hängigen Arbeitermassen gäbe. Am wenigsten geeignet, sich diesem Ideal zu
nähern, ist der Industriestaat. Hier liegt es in dem grundlegenden System
der Volks- und Staatswirtschaft, daß sich große und schwankende Kapital-
mengen anhäufen in den Händen einzelner, und daß sich ihnen gegenüber
große und abhängige Arbeitermassen zusammenballen. Das Volk, dessen Haupt¬
arbeit eine industrielle ist, arbeitet notwendig und zum großen Teil für die
Ausfuhr, für andre Völker. Der moderne Verkehr verpflanzt die Möglichkeit
industrieller Produktion sehr schnell in Länder, die bisher nur von fremder
Industrie lebten. In früherer Zeit wachte der Staat eifersüchtig darüber, daß
die Fertigkeiten des eignen Volks nicht von andern Völkern erlernt, daß die
eignen Kenntnisse nicht auswärts verbreitet würden. Wo die Weberei blühte,
suchte man keinen Weber aus dem Laude zu lassen, wo die Waffenschmiede
berühmt waren, suchte man zu verhindern, daß Waffenschmiede zum Nachbar
zögen, um ihre Kunst dort zu lehren. Vor dreihundert Jahren wäre man
wohl nicht wie heute bestrebt gewesen, in China Fabriken zu errichten und
damit den gelehrigsten Nachahmern, den begabtesten Technikern der Welt die
Mittel aufzudrängen, die eigne Ausfuhr europäischer Waren nach China
in diesem ungeheuern Absatzgebiet entbehrlich zu machen. Damals hätte man


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(Schluß

u den im vorigen Abschnitt bezeichneten Gefahren, die in der
Energie der modernen Zerstörungsmittel wurzeln, kommt hinzu,
daß leider wenig Aussicht vorhanden ist, daß die wesentlichen
Ursachen der Gührung in den Massen, die zu den anarchistischen
Ausbrüchen führt, werden entfernt werden. Die neue soziale
Gesetzgebung ist der Ausdruck des Bestrebens einer pflichtbewußten Negierung,
nicht bloß der Gewalt die Gewalt entgegenzusetzen, sondern den Leiden der
untersten Klasse Abhilfe, wenigstens Linderung zu bringen. Doch kann sich
keine Regierung in der Hoffnung wiegen, jemals das Ideal des idealen Sozial¬
demokraten zu verwirklichen, das doch wesentlich darin besteht, einen Zustand
zu schaffen, worin es keine leidende, keine entbehrende unterste Klasse, keine
von dem Verdienst des Tages lebende, von Kapitalisten und Aristokratie ab¬
hängigen Arbeitermassen gäbe. Am wenigsten geeignet, sich diesem Ideal zu
nähern, ist der Industriestaat. Hier liegt es in dem grundlegenden System
der Volks- und Staatswirtschaft, daß sich große und schwankende Kapital-
mengen anhäufen in den Händen einzelner, und daß sich ihnen gegenüber
große und abhängige Arbeitermassen zusammenballen. Das Volk, dessen Haupt¬
arbeit eine industrielle ist, arbeitet notwendig und zum großen Teil für die
Ausfuhr, für andre Völker. Der moderne Verkehr verpflanzt die Möglichkeit
industrieller Produktion sehr schnell in Länder, die bisher nur von fremder
Industrie lebten. In früherer Zeit wachte der Staat eifersüchtig darüber, daß
die Fertigkeiten des eignen Volks nicht von andern Völkern erlernt, daß die
eignen Kenntnisse nicht auswärts verbreitet würden. Wo die Weberei blühte,
suchte man keinen Weber aus dem Laude zu lassen, wo die Waffenschmiede
berühmt waren, suchte man zu verhindern, daß Waffenschmiede zum Nachbar
zögen, um ihre Kunst dort zu lehren. Vor dreihundert Jahren wäre man
wohl nicht wie heute bestrebt gewesen, in China Fabriken zu errichten und
damit den gelehrigsten Nachahmern, den begabtesten Technikern der Welt die
Mittel aufzudrängen, die eigne Ausfuhr europäischer Waren nach China
in diesem ungeheuern Absatzgebiet entbehrlich zu machen. Damals hätte man


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[0161] [Abbildung] Dynamik (Schluß u den im vorigen Abschnitt bezeichneten Gefahren, die in der Energie der modernen Zerstörungsmittel wurzeln, kommt hinzu, daß leider wenig Aussicht vorhanden ist, daß die wesentlichen Ursachen der Gührung in den Massen, die zu den anarchistischen Ausbrüchen führt, werden entfernt werden. Die neue soziale Gesetzgebung ist der Ausdruck des Bestrebens einer pflichtbewußten Negierung, nicht bloß der Gewalt die Gewalt entgegenzusetzen, sondern den Leiden der untersten Klasse Abhilfe, wenigstens Linderung zu bringen. Doch kann sich keine Regierung in der Hoffnung wiegen, jemals das Ideal des idealen Sozial¬ demokraten zu verwirklichen, das doch wesentlich darin besteht, einen Zustand zu schaffen, worin es keine leidende, keine entbehrende unterste Klasse, keine von dem Verdienst des Tages lebende, von Kapitalisten und Aristokratie ab¬ hängigen Arbeitermassen gäbe. Am wenigsten geeignet, sich diesem Ideal zu nähern, ist der Industriestaat. Hier liegt es in dem grundlegenden System der Volks- und Staatswirtschaft, daß sich große und schwankende Kapital- mengen anhäufen in den Händen einzelner, und daß sich ihnen gegenüber große und abhängige Arbeitermassen zusammenballen. Das Volk, dessen Haupt¬ arbeit eine industrielle ist, arbeitet notwendig und zum großen Teil für die Ausfuhr, für andre Völker. Der moderne Verkehr verpflanzt die Möglichkeit industrieller Produktion sehr schnell in Länder, die bisher nur von fremder Industrie lebten. In früherer Zeit wachte der Staat eifersüchtig darüber, daß die Fertigkeiten des eignen Volks nicht von andern Völkern erlernt, daß die eignen Kenntnisse nicht auswärts verbreitet würden. Wo die Weberei blühte, suchte man keinen Weber aus dem Laude zu lassen, wo die Waffenschmiede berühmt waren, suchte man zu verhindern, daß Waffenschmiede zum Nachbar zögen, um ihre Kunst dort zu lehren. Vor dreihundert Jahren wäre man wohl nicht wie heute bestrebt gewesen, in China Fabriken zu errichten und damit den gelehrigsten Nachahmern, den begabtesten Technikern der Welt die Mittel aufzudrängen, die eigne Ausfuhr europäischer Waren nach China in diesem ungeheuern Absatzgebiet entbehrlich zu machen. Damals hätte man Grenzboten UI 1392 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/161>, abgerufen am 05.01.2025.