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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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noch die Verdopplung der Summe genügt, die dem Offizier die Laufbahn er¬
möglichte? Kaum. Auch die juristische Laufbahn hält keinen Vergleich aus
mit der des Offiziers.

Möchte doch die Überzeugung davon, daß das Waffenhandwerk, dus wir
Deutschen mit Recht so hoch ehren, seinen Maun auch nährt, in den weitesten
Kreisen des Volkes Wurzel fassen. Mancher Vater würde sich dann uicht
veranlaßt sehn, vielleicht den sehnlicher Wunsch seines Sohnes nach dein bunten
Rock als Thorheit zu bezeichnen, da die Erfüllung dieses Wunsches außerhalb
des Bereichs der Möglichkeit liege. Vielleicht würde sich dann manches mutige
Herz, mancher kräftige Arm mit Freudigkeit dem Heeresdienst widmen, die
ihm jetzt fern bleiben müssen, nur weil ein nicht genügend unterrichteter Vater
der Meinung war, ein andrer, wenn auch vom Sohne weniger gern ergriffner
Beruf sei seinen Verhältnissen angemeßner.




Bilder aus dem Universitätsleben
5. Der Landpfarrer von Bröhentien

eipzig! Wenn ich das Wort höre, so ist mir, als ob der Herr
riefe: Es werde Licht! und das Gewölk zerrisse vor meinen
Augen, und alle Schleier und Schatten verflogen am Himmel,
und die göttliche Sonne erfüllte mein Herz bis zum Grunde
mit freundlichem Licht und belebender Wärme. Das ist eigent¬
lich eine Lästerung, aber ich kauu nicht anders, und wenn Sie erst so alt sein
werden wie ich und zwanzig Jahre ans einer pommerschen Landpfarre gesessen
und geschmachtet haben werden wie ich, dann wird Ihnen meine Begeisterung
verständlich sein. Du altes, herrliches Leipzig!

Pfarrer Eichler ergriff sein Glas und ließ den köstlichen Rauenthaler,
den er für uns, meinen Freund Fritz, den Theologen, und mich, aus dem
Keller heraufgeholt hatte, mit einem andächtigen Augenaufschlag über die
Zunge gleiten.

Es saß sich unsäglich gemütlich in dein Studirzimmer des Pfarrers. Die
alten braunen Eichenmöbel, die sicher nicht sür einen modernen Salon be¬
rechnet gewesen waren, die einfache, aber warme Wandvertäfelung mit ihren,
von dem Pfarrer selbst ausgemalten altdeutschen Sprüchen, die verräucherte
Decke mit ihren vorstehenden Balken und die wohl aus alten Kirchenfenstern
herrührenden Butzenscheiben, die den Blick begrenzten und Geist und Herz zur
behaglichen Verinnerlichung zwangen, alles erinnerte uus unwillkürlich nu


noch die Verdopplung der Summe genügt, die dem Offizier die Laufbahn er¬
möglichte? Kaum. Auch die juristische Laufbahn hält keinen Vergleich aus
mit der des Offiziers.

Möchte doch die Überzeugung davon, daß das Waffenhandwerk, dus wir
Deutschen mit Recht so hoch ehren, seinen Maun auch nährt, in den weitesten
Kreisen des Volkes Wurzel fassen. Mancher Vater würde sich dann uicht
veranlaßt sehn, vielleicht den sehnlicher Wunsch seines Sohnes nach dein bunten
Rock als Thorheit zu bezeichnen, da die Erfüllung dieses Wunsches außerhalb
des Bereichs der Möglichkeit liege. Vielleicht würde sich dann manches mutige
Herz, mancher kräftige Arm mit Freudigkeit dem Heeresdienst widmen, die
ihm jetzt fern bleiben müssen, nur weil ein nicht genügend unterrichteter Vater
der Meinung war, ein andrer, wenn auch vom Sohne weniger gern ergriffner
Beruf sei seinen Verhältnissen angemeßner.




Bilder aus dem Universitätsleben
5. Der Landpfarrer von Bröhentien

eipzig! Wenn ich das Wort höre, so ist mir, als ob der Herr
riefe: Es werde Licht! und das Gewölk zerrisse vor meinen
Augen, und alle Schleier und Schatten verflogen am Himmel,
und die göttliche Sonne erfüllte mein Herz bis zum Grunde
mit freundlichem Licht und belebender Wärme. Das ist eigent¬
lich eine Lästerung, aber ich kauu nicht anders, und wenn Sie erst so alt sein
werden wie ich und zwanzig Jahre ans einer pommerschen Landpfarre gesessen
und geschmachtet haben werden wie ich, dann wird Ihnen meine Begeisterung
verständlich sein. Du altes, herrliches Leipzig!

Pfarrer Eichler ergriff sein Glas und ließ den köstlichen Rauenthaler,
den er für uns, meinen Freund Fritz, den Theologen, und mich, aus dem
Keller heraufgeholt hatte, mit einem andächtigen Augenaufschlag über die
Zunge gleiten.

Es saß sich unsäglich gemütlich in dein Studirzimmer des Pfarrers. Die
alten braunen Eichenmöbel, die sicher nicht sür einen modernen Salon be¬
rechnet gewesen waren, die einfache, aber warme Wandvertäfelung mit ihren,
von dem Pfarrer selbst ausgemalten altdeutschen Sprüchen, die verräucherte
Decke mit ihren vorstehenden Balken und die wohl aus alten Kirchenfenstern
herrührenden Butzenscheiben, die den Blick begrenzten und Geist und Herz zur
behaglichen Verinnerlichung zwangen, alles erinnerte uus unwillkürlich nu


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[0136] noch die Verdopplung der Summe genügt, die dem Offizier die Laufbahn er¬ möglichte? Kaum. Auch die juristische Laufbahn hält keinen Vergleich aus mit der des Offiziers. Möchte doch die Überzeugung davon, daß das Waffenhandwerk, dus wir Deutschen mit Recht so hoch ehren, seinen Maun auch nährt, in den weitesten Kreisen des Volkes Wurzel fassen. Mancher Vater würde sich dann uicht veranlaßt sehn, vielleicht den sehnlicher Wunsch seines Sohnes nach dein bunten Rock als Thorheit zu bezeichnen, da die Erfüllung dieses Wunsches außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liege. Vielleicht würde sich dann manches mutige Herz, mancher kräftige Arm mit Freudigkeit dem Heeresdienst widmen, die ihm jetzt fern bleiben müssen, nur weil ein nicht genügend unterrichteter Vater der Meinung war, ein andrer, wenn auch vom Sohne weniger gern ergriffner Beruf sei seinen Verhältnissen angemeßner. Bilder aus dem Universitätsleben 5. Der Landpfarrer von Bröhentien eipzig! Wenn ich das Wort höre, so ist mir, als ob der Herr riefe: Es werde Licht! und das Gewölk zerrisse vor meinen Augen, und alle Schleier und Schatten verflogen am Himmel, und die göttliche Sonne erfüllte mein Herz bis zum Grunde mit freundlichem Licht und belebender Wärme. Das ist eigent¬ lich eine Lästerung, aber ich kauu nicht anders, und wenn Sie erst so alt sein werden wie ich und zwanzig Jahre ans einer pommerschen Landpfarre gesessen und geschmachtet haben werden wie ich, dann wird Ihnen meine Begeisterung verständlich sein. Du altes, herrliches Leipzig! Pfarrer Eichler ergriff sein Glas und ließ den köstlichen Rauenthaler, den er für uns, meinen Freund Fritz, den Theologen, und mich, aus dem Keller heraufgeholt hatte, mit einem andächtigen Augenaufschlag über die Zunge gleiten. Es saß sich unsäglich gemütlich in dein Studirzimmer des Pfarrers. Die alten braunen Eichenmöbel, die sicher nicht sür einen modernen Salon be¬ rechnet gewesen waren, die einfache, aber warme Wandvertäfelung mit ihren, von dem Pfarrer selbst ausgemalten altdeutschen Sprüchen, die verräucherte Decke mit ihren vorstehenden Balken und die wohl aus alten Kirchenfenstern herrührenden Butzenscheiben, die den Blick begrenzten und Geist und Herz zur behaglichen Verinnerlichung zwangen, alles erinnerte uus unwillkürlich nu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/136>, abgerufen am 05.01.2025.