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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der Richterstand und die öffentliche Meinung

innern, daß der historisch-konservative Staat keinen mächtigern, treuem
Freund hat als einen starken Bauernstand, Einen solchen müssen sie schaffen
um jeden Preis, denn von diesem angeblich so ungebildeten Stande hängt der
Fortbestand unsrer Gesittung ab,


p. U, Rosegger


Der Richterstand und die öffentliche Meinung

er im 38. Hefte der vorjährigen Grenzboten enthaltne Aufsatz:
Der Richterstand und die öffentliche Meinung hat berechtigtes
Aufsehen erregt, weil darin eine nicht eben erfreuliche Erscheinung
in unserm Volks- und Staatsleben besprochen wird. Trifft die
Annahme zu, daß den Richtern nicht mehr volle Achtung von
dem Volke entgegengebracht wird, dann muß auch das Vertrauen zu ihnen
wankend werden, und init diesem Vertrauen würde ein Grundpfeiler jedes ge¬
ordneten Staates erschüttert werde". Leider können wir jene Annahme nicht
als ganz unrichtig bezeichnen, und da nnn einmal die wichtige Angelegenheit
zur öffentlichen Besprechung gebracht worden ist, so mögen einige weitere Er¬
örterungen erlaubt sein, die hoffentlich dahin führen werden, die Gründe jener
betrübenden Erscheinung noch näher zu erkennen und den Richtern die volle
ihnen gebührende Achtung wieder herzustellen.

Der Aufsatz im 38. Hefte (und der sich anschließende un 41.) führen ein¬
zelne Gründe auf, denen wir beitreten müssen. Zwar daß die Richter durch
eine zu milde Handhabung des Strafrechts ihr Ansehen verringern, mag hin
und wieder vorkommen, ist aber doch keine durchgehende Erscheinung. Als all¬
gemeine Begründung wird dagegen richtig angeführt, 1. daß keine Auswahl
aus den Rechtskandidaten stattfindet, sondern jeder als Richter angestellt werden
muß, der das zweite juristische Examen besteht; 2. daß die Zuständigkeit
der Richter beschränkt, ihnen insbesondre durch die Errichtung der Verwaltungs-
gerichte die Zuständigkeit in allen sozialen und Verwaltungsangelegenheiteu
entzogen ist; 3. daß der übergroße Zuwachs von jüdischen Richtern dein An¬
sehen des Nichterstmides nicht förderlich ist, wobei wir noch unsre Erfahrung
dahin aussprechen wollen, daß durch die jüdischen Richter und ihre jüdischen
Frauen das gesellige und kollegiale Leben wesentlich gestört wird.

Die Notwendigkeit, jeden Rechtskandidaten nach beendigter Studienzeit
und nach Ablegung des ersten Examens als Referendar anzunehmen und nach
dem zweiten Examen als Richter anzustellen, wirkt sür das Ansehen der
Richter um so nachteiliger, als bei der Verwaltung, wenigstens in Preußen,


Der Richterstand und die öffentliche Meinung

innern, daß der historisch-konservative Staat keinen mächtigern, treuem
Freund hat als einen starken Bauernstand, Einen solchen müssen sie schaffen
um jeden Preis, denn von diesem angeblich so ungebildeten Stande hängt der
Fortbestand unsrer Gesittung ab,


p. U, Rosegger


Der Richterstand und die öffentliche Meinung

er im 38. Hefte der vorjährigen Grenzboten enthaltne Aufsatz:
Der Richterstand und die öffentliche Meinung hat berechtigtes
Aufsehen erregt, weil darin eine nicht eben erfreuliche Erscheinung
in unserm Volks- und Staatsleben besprochen wird. Trifft die
Annahme zu, daß den Richtern nicht mehr volle Achtung von
dem Volke entgegengebracht wird, dann muß auch das Vertrauen zu ihnen
wankend werden, und init diesem Vertrauen würde ein Grundpfeiler jedes ge¬
ordneten Staates erschüttert werde». Leider können wir jene Annahme nicht
als ganz unrichtig bezeichnen, und da nnn einmal die wichtige Angelegenheit
zur öffentlichen Besprechung gebracht worden ist, so mögen einige weitere Er¬
örterungen erlaubt sein, die hoffentlich dahin führen werden, die Gründe jener
betrübenden Erscheinung noch näher zu erkennen und den Richtern die volle
ihnen gebührende Achtung wieder herzustellen.

Der Aufsatz im 38. Hefte (und der sich anschließende un 41.) führen ein¬
zelne Gründe auf, denen wir beitreten müssen. Zwar daß die Richter durch
eine zu milde Handhabung des Strafrechts ihr Ansehen verringern, mag hin
und wieder vorkommen, ist aber doch keine durchgehende Erscheinung. Als all¬
gemeine Begründung wird dagegen richtig angeführt, 1. daß keine Auswahl
aus den Rechtskandidaten stattfindet, sondern jeder als Richter angestellt werden
muß, der das zweite juristische Examen besteht; 2. daß die Zuständigkeit
der Richter beschränkt, ihnen insbesondre durch die Errichtung der Verwaltungs-
gerichte die Zuständigkeit in allen sozialen und Verwaltungsangelegenheiteu
entzogen ist; 3. daß der übergroße Zuwachs von jüdischen Richtern dein An¬
sehen des Nichterstmides nicht förderlich ist, wobei wir noch unsre Erfahrung
dahin aussprechen wollen, daß durch die jüdischen Richter und ihre jüdischen
Frauen das gesellige und kollegiale Leben wesentlich gestört wird.

Die Notwendigkeit, jeden Rechtskandidaten nach beendigter Studienzeit
und nach Ablegung des ersten Examens als Referendar anzunehmen und nach
dem zweiten Examen als Richter anzustellen, wirkt sür das Ansehen der
Richter um so nachteiliger, als bei der Verwaltung, wenigstens in Preußen,


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[0526] Der Richterstand und die öffentliche Meinung innern, daß der historisch-konservative Staat keinen mächtigern, treuem Freund hat als einen starken Bauernstand, Einen solchen müssen sie schaffen um jeden Preis, denn von diesem angeblich so ungebildeten Stande hängt der Fortbestand unsrer Gesittung ab, p. U, Rosegger Der Richterstand und die öffentliche Meinung er im 38. Hefte der vorjährigen Grenzboten enthaltne Aufsatz: Der Richterstand und die öffentliche Meinung hat berechtigtes Aufsehen erregt, weil darin eine nicht eben erfreuliche Erscheinung in unserm Volks- und Staatsleben besprochen wird. Trifft die Annahme zu, daß den Richtern nicht mehr volle Achtung von dem Volke entgegengebracht wird, dann muß auch das Vertrauen zu ihnen wankend werden, und init diesem Vertrauen würde ein Grundpfeiler jedes ge¬ ordneten Staates erschüttert werde». Leider können wir jene Annahme nicht als ganz unrichtig bezeichnen, und da nnn einmal die wichtige Angelegenheit zur öffentlichen Besprechung gebracht worden ist, so mögen einige weitere Er¬ örterungen erlaubt sein, die hoffentlich dahin führen werden, die Gründe jener betrübenden Erscheinung noch näher zu erkennen und den Richtern die volle ihnen gebührende Achtung wieder herzustellen. Der Aufsatz im 38. Hefte (und der sich anschließende un 41.) führen ein¬ zelne Gründe auf, denen wir beitreten müssen. Zwar daß die Richter durch eine zu milde Handhabung des Strafrechts ihr Ansehen verringern, mag hin und wieder vorkommen, ist aber doch keine durchgehende Erscheinung. Als all¬ gemeine Begründung wird dagegen richtig angeführt, 1. daß keine Auswahl aus den Rechtskandidaten stattfindet, sondern jeder als Richter angestellt werden muß, der das zweite juristische Examen besteht; 2. daß die Zuständigkeit der Richter beschränkt, ihnen insbesondre durch die Errichtung der Verwaltungs- gerichte die Zuständigkeit in allen sozialen und Verwaltungsangelegenheiteu entzogen ist; 3. daß der übergroße Zuwachs von jüdischen Richtern dein An¬ sehen des Nichterstmides nicht förderlich ist, wobei wir noch unsre Erfahrung dahin aussprechen wollen, daß durch die jüdischen Richter und ihre jüdischen Frauen das gesellige und kollegiale Leben wesentlich gestört wird. Die Notwendigkeit, jeden Rechtskandidaten nach beendigter Studienzeit und nach Ablegung des ersten Examens als Referendar anzunehmen und nach dem zweiten Examen als Richter anzustellen, wirkt sür das Ansehen der Richter um so nachteiliger, als bei der Verwaltung, wenigstens in Preußen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/526>, abgerufen am 23.07.2024.