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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Moltkes Geschichte des deutsch-französischen Krieges

n diesen Tagen, wo Frankreich und Rußland lärmende Ver¬
brüderungsfeste feiern und die französischen Chauvinisten wieder
eine neue Balaneirstange in die Hände bekommen haben, um
über das dunkle unheimliche Gefühl der eignen Schwäche und
Unselbständigkeit prahlerisch hinwegzutänzeln, ist aus dem Nachlaß
des Feldmarschalls von Moltke gleichsam wie ein stilles, aber vielsagendes
Menetekel die Geschichte des deutsch-französischen Krieges erschienen.

Der Herausgeber von Moltkes gesammelten Schriften und Denkwürdig-
keiten hat diese Geschichte, die eigentlich deu dritten Band des umfangreichen
Werkes bilden sollte, zuerst veröffentlicht, weil die Handschrift des dahin-
gegangnen Feldherrn schon vollständig druckfertig vorlag und auch wohl
gerade der Inhalt dieses Bandes am meisten geeignet erschien, die Aufmerk¬
samkeit der gebildeten Welt ans Moltkes hinterlassene Schriften zu lenken.
Nur schwer hatte sich der greise Heerführer dazu verstanden, dem deutschen
Volle eine eigenhändige Darstellung jenes beispiellosen Krieges gleichsam als
letztes Vermächtnis darzubieten, denn er fürchtete durch das Hineiumengen
kleinlicher Gesichtspunkte die großen geschichtlichen Thatsachen zu verzerren
und durch die Mitteilung persönlicher Erlebnisse das Bild dieses oder jenes
Mannes, das rein und erhaben in der Geschichte dasteht, in häßlicher Weise
zu verunstalten. "Es ist eine Pflicht der Pietät und der Vaterlandsliebe,
sagt er, gewisse Prestige" nicht zu zerstören, welche die Siege unsrer Armee
an bestimmte Persönlichkeiten knüpfen." So hat er sich denn in der vor¬
liegende" Darstellung auf deu Standpunkt des alles überschauenden und fein-
bevbachteudeu Berichterstatters ztt stellen versucht, der alle kriegerischen Ereignisse
und militärischen lluternehmnugeu in deu Zusammenhang des von ihm als


Grcnzlww, 1891 67


Moltkes Geschichte des deutsch-französischen Krieges

n diesen Tagen, wo Frankreich und Rußland lärmende Ver¬
brüderungsfeste feiern und die französischen Chauvinisten wieder
eine neue Balaneirstange in die Hände bekommen haben, um
über das dunkle unheimliche Gefühl der eignen Schwäche und
Unselbständigkeit prahlerisch hinwegzutänzeln, ist aus dem Nachlaß
des Feldmarschalls von Moltke gleichsam wie ein stilles, aber vielsagendes
Menetekel die Geschichte des deutsch-französischen Krieges erschienen.

Der Herausgeber von Moltkes gesammelten Schriften und Denkwürdig-
keiten hat diese Geschichte, die eigentlich deu dritten Band des umfangreichen
Werkes bilden sollte, zuerst veröffentlicht, weil die Handschrift des dahin-
gegangnen Feldherrn schon vollständig druckfertig vorlag und auch wohl
gerade der Inhalt dieses Bandes am meisten geeignet erschien, die Aufmerk¬
samkeit der gebildeten Welt ans Moltkes hinterlassene Schriften zu lenken.
Nur schwer hatte sich der greise Heerführer dazu verstanden, dem deutschen
Volle eine eigenhändige Darstellung jenes beispiellosen Krieges gleichsam als
letztes Vermächtnis darzubieten, denn er fürchtete durch das Hineiumengen
kleinlicher Gesichtspunkte die großen geschichtlichen Thatsachen zu verzerren
und durch die Mitteilung persönlicher Erlebnisse das Bild dieses oder jenes
Mannes, das rein und erhaben in der Geschichte dasteht, in häßlicher Weise
zu verunstalten. „Es ist eine Pflicht der Pietät und der Vaterlandsliebe,
sagt er, gewisse Prestige» nicht zu zerstören, welche die Siege unsrer Armee
an bestimmte Persönlichkeiten knüpfen." So hat er sich denn in der vor¬
liegende» Darstellung auf deu Standpunkt des alles überschauenden und fein-
bevbachteudeu Berichterstatters ztt stellen versucht, der alle kriegerischen Ereignisse
und militärischen lluternehmnugeu in deu Zusammenhang des von ihm als


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[0537] [Abbildung] Moltkes Geschichte des deutsch-französischen Krieges n diesen Tagen, wo Frankreich und Rußland lärmende Ver¬ brüderungsfeste feiern und die französischen Chauvinisten wieder eine neue Balaneirstange in die Hände bekommen haben, um über das dunkle unheimliche Gefühl der eignen Schwäche und Unselbständigkeit prahlerisch hinwegzutänzeln, ist aus dem Nachlaß des Feldmarschalls von Moltke gleichsam wie ein stilles, aber vielsagendes Menetekel die Geschichte des deutsch-französischen Krieges erschienen. Der Herausgeber von Moltkes gesammelten Schriften und Denkwürdig- keiten hat diese Geschichte, die eigentlich deu dritten Band des umfangreichen Werkes bilden sollte, zuerst veröffentlicht, weil die Handschrift des dahin- gegangnen Feldherrn schon vollständig druckfertig vorlag und auch wohl gerade der Inhalt dieses Bandes am meisten geeignet erschien, die Aufmerk¬ samkeit der gebildeten Welt ans Moltkes hinterlassene Schriften zu lenken. Nur schwer hatte sich der greise Heerführer dazu verstanden, dem deutschen Volle eine eigenhändige Darstellung jenes beispiellosen Krieges gleichsam als letztes Vermächtnis darzubieten, denn er fürchtete durch das Hineiumengen kleinlicher Gesichtspunkte die großen geschichtlichen Thatsachen zu verzerren und durch die Mitteilung persönlicher Erlebnisse das Bild dieses oder jenes Mannes, das rein und erhaben in der Geschichte dasteht, in häßlicher Weise zu verunstalten. „Es ist eine Pflicht der Pietät und der Vaterlandsliebe, sagt er, gewisse Prestige» nicht zu zerstören, welche die Siege unsrer Armee an bestimmte Persönlichkeiten knüpfen." So hat er sich denn in der vor¬ liegende» Darstellung auf deu Standpunkt des alles überschauenden und fein- bevbachteudeu Berichterstatters ztt stellen versucht, der alle kriegerischen Ereignisse und militärischen lluternehmnugeu in deu Zusammenhang des von ihm als Grcnzlww, 1891 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/537>, abgerufen am 13.11.2024.