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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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religiösen Bilder sehr viel kleiner ist, als die der übermütigen Genrebilder,
daß demnach, wie wir schließen dürfen, die Religion in diesem lustigen Kriegs¬
und Geschäftsleben nnr eine bescheidne Rolle spielte. Sie erhob die edlern
Gemüter und schützte die Massen vor dem Versinken in grobes Heidentum; das
war ihre Wirkung dort wie in allen christlichen Ländern auch der andern
Konfessionen. Wo, wie in dem Genf Calvins, in dem Schottland des John
Knox und in den Ländern der Habsburger, die Staatsgewalt eine äußerlich
hervortretende Religiosität ganz allgemein beim ganzen Volke erzwang, da
ward entweder sein Lebensmut gebrochen, oder es ward zur Heuchelei erzogen,
oder wo der Druck nur kürzere Zeit dauerte, da schlug nach dessen Aufhören
die Kopfhängerei sofort wieder in Ausgelassenheit um.




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M>cum der Entwurf eines neuen Jagdkodex vorschlüge, gewisse
Gliedmaßen des Rehbocks fortan "Beine" zu nennen, so würde
ein Aufschrei durch die Welt des Sports gehen. So sehr sich
unser Zeitalter daran gewöhnt hat, von radikalen Reform-
Vorschlägen nicht mehr überrascht zu sein, so würde es sich gegen
gewisse Dinge doch unbedingt ablehnend verhalten. Dazu gehört das eben
erwähnte Beispiel, obgleich seine Bedeutung in der That verschwindend klein ist.
Wenigstens kaun man sagen, daß es Reformvorschläge giebt, die größere Be-
deutuug haben; sie unterscheiden sich nur dadurch von dem genannten, daß
ihnen kein weiter verbreitetes, nicht auf den bloßen Fachkreis beschränktes Interesse
innewohnt.

Das Interesse für Seegebräuche beschränkt sich in der That auf den Fach¬
kreis; es ist dies namentlich im deutschen Reiche der Fall, und wenn sich
große Zeitungen mit dem Kapitel der "Nuderkommandos" beschäftigen, so
erachtet das der größere Teil der Leser für eine Abschweifung, der -- so
meinen sie -- man eigentlich nur in Fachblättern begegnen sollte. Etwas
näher tritt es nur denen, die entweder selbst oder durch die Erfahrungen
Bekannter oder Verwandter mit größer" Seeunfällen in Berührung ge¬
kommen sind.

Dies war beispielsweise der Fall mit jener großen Katastrophe, die mit
der Bezeichnung "Untergang des Großen Kurfürsten" jedem Kinde im deutschen


religiösen Bilder sehr viel kleiner ist, als die der übermütigen Genrebilder,
daß demnach, wie wir schließen dürfen, die Religion in diesem lustigen Kriegs¬
und Geschäftsleben nnr eine bescheidne Rolle spielte. Sie erhob die edlern
Gemüter und schützte die Massen vor dem Versinken in grobes Heidentum; das
war ihre Wirkung dort wie in allen christlichen Ländern auch der andern
Konfessionen. Wo, wie in dem Genf Calvins, in dem Schottland des John
Knox und in den Ländern der Habsburger, die Staatsgewalt eine äußerlich
hervortretende Religiosität ganz allgemein beim ganzen Volke erzwang, da
ward entweder sein Lebensmut gebrochen, oder es ward zur Heuchelei erzogen,
oder wo der Druck nur kürzere Zeit dauerte, da schlug nach dessen Aufhören
die Kopfhängerei sofort wieder in Ausgelassenheit um.




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Gliedmaßen des Rehbocks fortan „Beine" zu nennen, so würde
ein Aufschrei durch die Welt des Sports gehen. So sehr sich
unser Zeitalter daran gewöhnt hat, von radikalen Reform-
Vorschlägen nicht mehr überrascht zu sein, so würde es sich gegen
gewisse Dinge doch unbedingt ablehnend verhalten. Dazu gehört das eben
erwähnte Beispiel, obgleich seine Bedeutung in der That verschwindend klein ist.
Wenigstens kaun man sagen, daß es Reformvorschläge giebt, die größere Be-
deutuug haben; sie unterscheiden sich nur dadurch von dem genannten, daß
ihnen kein weiter verbreitetes, nicht auf den bloßen Fachkreis beschränktes Interesse
innewohnt.

Das Interesse für Seegebräuche beschränkt sich in der That auf den Fach¬
kreis; es ist dies namentlich im deutschen Reiche der Fall, und wenn sich
große Zeitungen mit dem Kapitel der „Nuderkommandos" beschäftigen, so
erachtet das der größere Teil der Leser für eine Abschweifung, der — so
meinen sie — man eigentlich nur in Fachblättern begegnen sollte. Etwas
näher tritt es nur denen, die entweder selbst oder durch die Erfahrungen
Bekannter oder Verwandter mit größer» Seeunfällen in Berührung ge¬
kommen sind.

Dies war beispielsweise der Fall mit jener großen Katastrophe, die mit
der Bezeichnung „Untergang des Großen Kurfürsten" jedem Kinde im deutschen


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[0514] religiösen Bilder sehr viel kleiner ist, als die der übermütigen Genrebilder, daß demnach, wie wir schließen dürfen, die Religion in diesem lustigen Kriegs¬ und Geschäftsleben nnr eine bescheidne Rolle spielte. Sie erhob die edlern Gemüter und schützte die Massen vor dem Versinken in grobes Heidentum; das war ihre Wirkung dort wie in allen christlichen Ländern auch der andern Konfessionen. Wo, wie in dem Genf Calvins, in dem Schottland des John Knox und in den Ländern der Habsburger, die Staatsgewalt eine äußerlich hervortretende Religiosität ganz allgemein beim ganzen Volke erzwang, da ward entweder sein Lebensmut gebrochen, oder es ward zur Heuchelei erzogen, oder wo der Druck nur kürzere Zeit dauerte, da schlug nach dessen Aufhören die Kopfhängerei sofort wieder in Ausgelassenheit um. Rechts und links zur 5>ce v MM?A? ^/ ?UM'--»5/- ^ÄWWW M>cum der Entwurf eines neuen Jagdkodex vorschlüge, gewisse Gliedmaßen des Rehbocks fortan „Beine" zu nennen, so würde ein Aufschrei durch die Welt des Sports gehen. So sehr sich unser Zeitalter daran gewöhnt hat, von radikalen Reform- Vorschlägen nicht mehr überrascht zu sein, so würde es sich gegen gewisse Dinge doch unbedingt ablehnend verhalten. Dazu gehört das eben erwähnte Beispiel, obgleich seine Bedeutung in der That verschwindend klein ist. Wenigstens kaun man sagen, daß es Reformvorschläge giebt, die größere Be- deutuug haben; sie unterscheiden sich nur dadurch von dem genannten, daß ihnen kein weiter verbreitetes, nicht auf den bloßen Fachkreis beschränktes Interesse innewohnt. Das Interesse für Seegebräuche beschränkt sich in der That auf den Fach¬ kreis; es ist dies namentlich im deutschen Reiche der Fall, und wenn sich große Zeitungen mit dem Kapitel der „Nuderkommandos" beschäftigen, so erachtet das der größere Teil der Leser für eine Abschweifung, der — so meinen sie — man eigentlich nur in Fachblättern begegnen sollte. Etwas näher tritt es nur denen, die entweder selbst oder durch die Erfahrungen Bekannter oder Verwandter mit größer» Seeunfällen in Berührung ge¬ kommen sind. Dies war beispielsweise der Fall mit jener großen Katastrophe, die mit der Bezeichnung „Untergang des Großen Kurfürsten" jedem Kinde im deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/514>, abgerufen am 13.11.2024.