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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Rechts und links zur See

Reiche bekannt und geläufig ist. Wer sich die Mühe nahm, sich näher dar¬
über zu unterrichten, weiß, was dem Vorgange zu Grunde lag. Das Ruder
des "König Wilhelm" war Steuerbord kommandirt und Backbord gelegt
worden. Ein in rechtem Sinne gegebnes Kommando war im entgegengesetzten
Sinne ausgeführt worden. Ein solcher Umstand genügt zur Herbeiführung
eines Unfalles, und es ist nicht nötig, an dieser Stelle zu erörtern, ob andre
Gründe, die man noch angeführt hat, zutrafen oder nicht.

Auch der Wortlaut der Kommandowvrte an sich spielt hier keine Rolle,
denn ein Mißverständnis kann mit jeder Art von Wortlaut zum Unfall führen.
Dagegen ist es nicht gleichgiltig, ob man die Wahl des Wortlautes so ein¬
richtet, daß sie Mißverständnissen Thür und Thor öffnet.

Nur wenigen Nichtseeleuten ist es bekannt, daß es infolge gewisser Schifss-
einrichtungen Weltgebrauch war und zum größte" Teil noch ist, sür das
Ruderkommando den Ausdruck zu gebrauchen, der das Gegenteil von dein
meinte, was er aussprach. Im Kvmmcmdowvrt bezeichnete man den Griff
des Ruders, die Pinne genannt; wenn man diesen Griff nach Steuerbord,
d. h. rechts drehte, fo brachte das für das Vorderteil des Schiffes eine Rich¬
tung nach Backbord, d. h. links, hervor. Verlangte man also diese Richtung
für das Vorderteil oder den Kopf des Schiffes, so kommandirte man Steuer¬
bord und meinte damit den Griff des Ruders. Dies letztere bewegte sich
dann wie ein Fischschwanz unter im Wasser nach Backbord und brachte
dadurch eine Wendung des Kopfes nach Backbord hervor.

Wollte man das so gegebne Kommando noch mit einem Fingerzeig oder
einer Handbewegung unterstützen, so zeigte man unbeschadet dessen, daß man
dein Rudersmann Steuerbord zurief, mit der Hand nach Backbord, d. h.
nach der Richtung, wohin sich das Schiff drehen sollte. Auf diese Weise er¬
folgte der Ruf im entgegengesetzten Sinne, als der Wink; das war ein un¬
verkennbarer Widerspruch, von dein man Wohl Mißverständnisse und in ihrem
Gefolge Unfälle befürchten konnte.

Damit aber nicht genug, es kam ein Umstand hinzu, der die Sache
noch auffälliger machte. Auf größern Fahrzeugen ist die Bewegung des Nnder-
griffes, der Pinne, dem Auge entzogen, weil dieser Teil des Ruders immer
unter Deck, meist sogar unter die Wasserlinie gebracht wird. Gehandhabt
wird sie mittelbar durch eine Tau- oder Kettenleitnng, die ihr Ende an einer
auf Deck befindlichen Welle findet, und mit dieser Welle und den Speichen
des zu ihrer Handhabung dienenden Rades bewirkt man die Bewegung der
Pinne. Da die Wirkung eine mittelbare ist, so war es erforderlich, die Rad¬
speichen nach Backbord herüberzndrehen, wenn man die Nuderpinne Steuer¬
bord haben wollte. Daraus ergiebt sich auf den Ruf Steuerbord mit der
vorher erwähnten Handbewegung nach Backbord eine Drehung der Radspeichen
nach Backbord, eine Bewegung des im Wasser befindlichen Rnderteiles nach


Rechts und links zur See

Reiche bekannt und geläufig ist. Wer sich die Mühe nahm, sich näher dar¬
über zu unterrichten, weiß, was dem Vorgange zu Grunde lag. Das Ruder
des „König Wilhelm" war Steuerbord kommandirt und Backbord gelegt
worden. Ein in rechtem Sinne gegebnes Kommando war im entgegengesetzten
Sinne ausgeführt worden. Ein solcher Umstand genügt zur Herbeiführung
eines Unfalles, und es ist nicht nötig, an dieser Stelle zu erörtern, ob andre
Gründe, die man noch angeführt hat, zutrafen oder nicht.

Auch der Wortlaut der Kommandowvrte an sich spielt hier keine Rolle,
denn ein Mißverständnis kann mit jeder Art von Wortlaut zum Unfall führen.
Dagegen ist es nicht gleichgiltig, ob man die Wahl des Wortlautes so ein¬
richtet, daß sie Mißverständnissen Thür und Thor öffnet.

Nur wenigen Nichtseeleuten ist es bekannt, daß es infolge gewisser Schifss-
einrichtungen Weltgebrauch war und zum größte» Teil noch ist, sür das
Ruderkommando den Ausdruck zu gebrauchen, der das Gegenteil von dein
meinte, was er aussprach. Im Kvmmcmdowvrt bezeichnete man den Griff
des Ruders, die Pinne genannt; wenn man diesen Griff nach Steuerbord,
d. h. rechts drehte, fo brachte das für das Vorderteil des Schiffes eine Rich¬
tung nach Backbord, d. h. links, hervor. Verlangte man also diese Richtung
für das Vorderteil oder den Kopf des Schiffes, so kommandirte man Steuer¬
bord und meinte damit den Griff des Ruders. Dies letztere bewegte sich
dann wie ein Fischschwanz unter im Wasser nach Backbord und brachte
dadurch eine Wendung des Kopfes nach Backbord hervor.

Wollte man das so gegebne Kommando noch mit einem Fingerzeig oder
einer Handbewegung unterstützen, so zeigte man unbeschadet dessen, daß man
dein Rudersmann Steuerbord zurief, mit der Hand nach Backbord, d. h.
nach der Richtung, wohin sich das Schiff drehen sollte. Auf diese Weise er¬
folgte der Ruf im entgegengesetzten Sinne, als der Wink; das war ein un¬
verkennbarer Widerspruch, von dein man Wohl Mißverständnisse und in ihrem
Gefolge Unfälle befürchten konnte.

Damit aber nicht genug, es kam ein Umstand hinzu, der die Sache
noch auffälliger machte. Auf größern Fahrzeugen ist die Bewegung des Nnder-
griffes, der Pinne, dem Auge entzogen, weil dieser Teil des Ruders immer
unter Deck, meist sogar unter die Wasserlinie gebracht wird. Gehandhabt
wird sie mittelbar durch eine Tau- oder Kettenleitnng, die ihr Ende an einer
auf Deck befindlichen Welle findet, und mit dieser Welle und den Speichen
des zu ihrer Handhabung dienenden Rades bewirkt man die Bewegung der
Pinne. Da die Wirkung eine mittelbare ist, so war es erforderlich, die Rad¬
speichen nach Backbord herüberzndrehen, wenn man die Nuderpinne Steuer¬
bord haben wollte. Daraus ergiebt sich auf den Ruf Steuerbord mit der
vorher erwähnten Handbewegung nach Backbord eine Drehung der Radspeichen
nach Backbord, eine Bewegung des im Wasser befindlichen Rnderteiles nach


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[0515] Rechts und links zur See Reiche bekannt und geläufig ist. Wer sich die Mühe nahm, sich näher dar¬ über zu unterrichten, weiß, was dem Vorgange zu Grunde lag. Das Ruder des „König Wilhelm" war Steuerbord kommandirt und Backbord gelegt worden. Ein in rechtem Sinne gegebnes Kommando war im entgegengesetzten Sinne ausgeführt worden. Ein solcher Umstand genügt zur Herbeiführung eines Unfalles, und es ist nicht nötig, an dieser Stelle zu erörtern, ob andre Gründe, die man noch angeführt hat, zutrafen oder nicht. Auch der Wortlaut der Kommandowvrte an sich spielt hier keine Rolle, denn ein Mißverständnis kann mit jeder Art von Wortlaut zum Unfall führen. Dagegen ist es nicht gleichgiltig, ob man die Wahl des Wortlautes so ein¬ richtet, daß sie Mißverständnissen Thür und Thor öffnet. Nur wenigen Nichtseeleuten ist es bekannt, daß es infolge gewisser Schifss- einrichtungen Weltgebrauch war und zum größte» Teil noch ist, sür das Ruderkommando den Ausdruck zu gebrauchen, der das Gegenteil von dein meinte, was er aussprach. Im Kvmmcmdowvrt bezeichnete man den Griff des Ruders, die Pinne genannt; wenn man diesen Griff nach Steuerbord, d. h. rechts drehte, fo brachte das für das Vorderteil des Schiffes eine Rich¬ tung nach Backbord, d. h. links, hervor. Verlangte man also diese Richtung für das Vorderteil oder den Kopf des Schiffes, so kommandirte man Steuer¬ bord und meinte damit den Griff des Ruders. Dies letztere bewegte sich dann wie ein Fischschwanz unter im Wasser nach Backbord und brachte dadurch eine Wendung des Kopfes nach Backbord hervor. Wollte man das so gegebne Kommando noch mit einem Fingerzeig oder einer Handbewegung unterstützen, so zeigte man unbeschadet dessen, daß man dein Rudersmann Steuerbord zurief, mit der Hand nach Backbord, d. h. nach der Richtung, wohin sich das Schiff drehen sollte. Auf diese Weise er¬ folgte der Ruf im entgegengesetzten Sinne, als der Wink; das war ein un¬ verkennbarer Widerspruch, von dein man Wohl Mißverständnisse und in ihrem Gefolge Unfälle befürchten konnte. Damit aber nicht genug, es kam ein Umstand hinzu, der die Sache noch auffälliger machte. Auf größern Fahrzeugen ist die Bewegung des Nnder- griffes, der Pinne, dem Auge entzogen, weil dieser Teil des Ruders immer unter Deck, meist sogar unter die Wasserlinie gebracht wird. Gehandhabt wird sie mittelbar durch eine Tau- oder Kettenleitnng, die ihr Ende an einer auf Deck befindlichen Welle findet, und mit dieser Welle und den Speichen des zu ihrer Handhabung dienenden Rades bewirkt man die Bewegung der Pinne. Da die Wirkung eine mittelbare ist, so war es erforderlich, die Rad¬ speichen nach Backbord herüberzndrehen, wenn man die Nuderpinne Steuer¬ bord haben wollte. Daraus ergiebt sich auf den Ruf Steuerbord mit der vorher erwähnten Handbewegung nach Backbord eine Drehung der Radspeichen nach Backbord, eine Bewegung des im Wasser befindlichen Rnderteiles nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/515>, abgerufen am 23.07.2024.